Gruppenvergewaltigung: Ausflüchte und eine Art Geständnis
Großteils nicht geständig haben sich am Dienstag im Landesgericht für Strafsachen in Wien neun Flüchtlinge aus dem Irak gezeigt, die in der Nacht auf den 1. Jänner 2016 in Wien eine junge Deutsche in eine Wohnung im zweiten Bezirk gebracht und sich dort allesamt an ihr vergangen haben sollen. Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person und Vergewaltigung ist auf mehrere Tage anberaumt.
Mit einer Ausnahme leugneten die irakischen Flüchtlinge die ihnen angelastete Straftat. Einer bestritt, überhaupt in der Wohnung gewesen zu sein. Der Älteste von ihnen erklärte, er habe geschlafen, in der Früh die Frau wahrgenommen und ihr lediglich beim Aufstehen geholfen. Einige räumten ein, mit der 28-Jährigen Sex gehabt zu haben. Das sei aber von der Frau ausgegangen.
So behauptete ein 22-Jähriger, sie habe ihn in der Wohnung in der Rustenschacherallee umarmt, geküsst und seinen Kopf nach unten gedrückt, als er ihrem Wunsch nach Sex nicht entsprach. "Ich habe zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen, dass sie die sexuellen Handlungen nicht möchte", meinte der Mann. Sein Verteidiger vermutete, die Frau habe womöglich "unbewusst im Rausch Signale gesetzt".
"Wir nehmen sie mit"
Einer der Iraker legte allerdings eine Art Geständnis ab, nachdem sein Verteidiger Michael Schnarch erklärt hatte: "Es ist eine furchtbare Tat. Es ist gut, dass es eine Aufklärung gibt." Der 31-Jährige schilderte zunächst, wie er mit drei weiteren Angeklagten die Frau vor dem Lokal in der Innenstadt angetroffen hatte: "Sie muss stark betrunken gewesen sein, weil sie am Boden gelegen ist und nicht in der Lage war, allein aufzustehen." Jener Bekannte, der gar nicht in der Wohnung gewesen sein will, habe dann entschieden: "Wir nehmen sie mit." Es sei klar gewesen, dass besagter Bekannter auf Sex aus war.
"Die Dame hat sich überhaupt nicht geäußert. Sie hat sich eingehängt", beschrieb der 31-Jährige, wie die Frau weggebracht wurde. Per Straßenbahn fuhren die vier Iraker mit der Deutschen in die Leopoldstadt. Den Angaben des 31-Jährigen zufolge hatten dort zunächst drei Männer hintereinander mit ihr Sex. "Er kam heraus, war fröhlich, hat gesungen und getanzt", beschrieb der 31-Jährige die Reaktion eines von ihnen nach dem Verlassen des Zimmers, in dem sich die Betroffene befand.
"Was ich genau mit ihr gemacht habe, darüber will ich nicht reden"
"Ich war der Vierte", gab der 31-Jährige weiter zu Protokoll. Er habe "keine Gewalt angewendet. Was ich genau mit ihr gemacht habe, darüber will ich nicht reden." Nach einer kurzen Pause stellte der Mann fest: "Die Tat ist nicht nur in Österreich, sondern auch im Irak verboten und ehrenrührig. Ich bereue die Tat zutiefst. Wenn ich nicht betrunken gewesen wäre, hätte ich es nicht gemacht." Darauf begann der 31-Jährige zu schluchzen: "Ich schäme mich sehr stark. Auch vor meiner Familie."
Die 28-jährige Frau war nach Wien gekommen, um gemeinsam mit einer hier lebenden Freundin Silvester zu feiern. Am 31. Dezember machten sie sich gegen 23.00 Uhr auf den Weg zum Silvesterpfad, wo sie den Jahreswechsel begingen. Stunden später begegneten vier Angeklagte, die ebenfalls in der Innenstadt feierten, der angeschlagenen Frau vor einem Lokal - sie war nicht mehr ansprechbar, da sie einem Gutachten zufolge zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Promille Alkohol im Blut gehabt haben dürfte.
Diesen Umstand nutzten die Iraker aus, indem sie das hilflose Opfer in die Wohnung brachten, wo sich weitere fünf Männer aufhielten. "Ein grausamer Entschluss", stellte Staatsanwältin Karina Fehringer fest. Es sei den Männern von Anfang an um Sex gegangen.
Schreckstarre
Der Anklage zufolge fielen im kleineren Raum der Zwei-Zimmer-Wohnung alle neun anwesenden Männer im Alter zwischen 22 und 48 Jahren - acht sind miteinander verwandt oder verschwägert - nacheinander über die Frau her und missbrauchten sie. Die Betroffene war laut Staatsanwältin in einem "bewusstlosen, schreckstarren Zustand" und daher außerstande, sich zu Wehr zu setzen. "Sie erwacht in einem fremden Zimmer. Sie liegt in einem Doppelbett, über sie gebeugt ein Mann, den sie noch nie vorher gesehen hat", beschrieb Fehringer das Grauen, das die 28-Jährige über sich ergehen lassen musste.
Selfies mit Opfer
Sämtliche Männer - darunter ein 22-Jähriger und sein verheirateter Vater - sollen ungeschützt und teilweise mehrmals mit der jungen Frau verkehrt haben. Ein 31-Jähriger - verheiratet und Vater eines minderjährigen Kindes an - fertigte von sich und der verschreckten, aufgelösten 28-Jährigen mit seinem Smartphone auch noch ein Selfie an, ehe er sie zur Straßenbahn brachte. An der Haltestelle wurden weitere Selfies gemacht.
Die 28-Jährige, die schließlich in einen Bus einstieg, fiel anderen Fahrgästen auf, weil sie weinte und sich in einem bedauernswerten Zustand befand. Sie brachten sie in ein Hotel am Schwedenplatz, wo der Portier die Polizei verständigte. Die Männer konnten in weiterer Folge dank einer Ortungs-App ausgeforscht werden. Indem man feststellte, wo das Handy der Frau im gegenständlichen Zeitraum eingeloggt war, ließ sich rekonstruieren, in welcher Wohnung sich die inkriminierten Handlungen abgespielt haben dürften. Von den verdächtigen Männern wurden Mundhöhlenabstriche genommen. In vier Fällen passten diese zu sichergestellten Spermaspuren, in zwei weiteren Fällen zu Speichelspuren.
In stationärer Behandlung
Die junge Deutsche musste im August in stationäre Behandlung in eine psychiatrische Klinik aufgenommen werden, nachdem sich bei ihr eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hatte. Die Frau leidet an Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen, Schuld - und Schamgefühlen. Ein von der Justiz eingeholtes Gutachten hat ergeben, dass diese Folgen einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen sind.
"Wenn Sie sich fragen, wie es ihr heute geht: sehr schlecht", wandte sich der Rechtsvertreter der 28-jährigen, Lian Kanzler (Kanzlei Plaz), direkt an die im Gerichtssaal anwesenden Medienvertreter. Schuld daran sei nicht zuletzt ein am vergangenen Wochenende in der Kronen Zeitung erschienener Artikel, in dem ohne ihr Wissen oder gar Einverständnis identifizierend über die Frau berichtet wurde. "Sie hat einen Zusammenbruch erlitten und musste medikamentös behandelt werden", betonte Kanzler, der in dem Verfahren die Interessen der Betroffenen vertritt.
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