Grüner Politiker Senol Akkilic wechselt zur SPÖ
Senol Akkilic wechselt von den Grünen zur SPÖ. Das gab SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler Freitagmorgen bekannt: "Das ist ein Freudentag für uns. Ich verstehe zwar nicht ganz, wie die Grünen auf seine Expertise und Erfahrung verzichten können, aber ich freue mich umso mehr, Senol Akkilic als Integrationsexperten gewonnen zu haben." Reaktion der Grünen: Fassungslosigkeit. "Die SPÖ klammert sich um jeden Preis an ihre Macht. Das war die tiefste Schublade, die es in der Politik gibt", sagte die Grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Freitg bei einer Pressekonferenz. "Diese Aktion lässt uns fassungslos zurück."
Damit sei die Chance, ein neues Wahlrecht zu bekommen, vertan, sagte Vassilakou. "Wir werden intern beraten, wie es nun weitergehen soll." Die Vertrauensbasis zur SPÖ sei allerdings "massiv gestört". Die Worte "Koalitionsbruch" oder "Koalitionsende" kamen ihr jedoch nicht über die Lippen.
Senol Akkilic, Abgeordneter im Wiener Landtag und Gemeinderat, teilte Freitagmorgen per Mail seinen Austritt aus der grünen Partei und dem grünen Rathausklub mit. Er war 1985 den Wiener Grünen beigetreten. Seit 2010 war er Mitglied im Wiener Landtag. Bei der SPÖ wird er nach der Wahl fix einen Listenplatz im Gemeinderat als Integrationssprecher bekommen. Bei den Grünen hätte er diese Möglichkeit nicht mehr bekommen.
Änderungen blockieren
Mit dem Neuzugang hält die SPÖ im Gemeinderat mit 50 Mandaten die Hälfte der Sitze. Damit kann die Partei Änderungen in der Geschäftsführung blockieren. Wie berichtet, wollten die Grünen gemeinsam mit der Opposition ein neues Wahlrecht beschließen, das kleinen Parteien mehr Mandate bringen soll.
Bürgermeister Michael Häupl lud bereits ein paar Stunden nach Bekanntwerden der Personalrochade die Grünen zu weiteren Gesprächen bezüglich einer Wahlrtechtsreform ein. "Heute ist der 27. März und nicht der 1. April, das kann wohl nur ein Aprilscherz sein", meinte Vassilakou zum Angebot Häupls.
"Akkilic hat bis zum gestrigen Tag alle Beschlüsse des Klubs zu diesem Thema mitgetragen". Maria Vassilakou
Niedermühlbichler ergänzte: „Von ,unterster Schublade' kann überhaupt nicht die Rede sein oder gar von einem undemokratischen Vorgehen. Es waren die Wiener Grünen, die den Konsens des Landtages durch Geschäftsordnungstricksereien zerstören wollten. Die Grünen wollten hier einen Tabubruch begehen: Die SPÖ hat immer, auch zu Zeiten der absoluten Mehrheit, darauf geachtet, dass die Spielregeln, also die Geschäftsordnung, von allen Parteien gemeinsam beschlossen werden. Das war stets unausgesprochener demokratiepolitischer Konsens. Wir hoffen, dass die Grünen zur Vernunft kommen und ihren Antrag zurückziehen."
"Zweifelhaftes Demokrativerständnis"
David Ellensohn, Klubobmann der Wiener Grünen, zeigt sich von aktuellen Ereignissen betroffen: „Heute erleben wir die tiefste Stunde des Wiener Landtages. Wir werden Zeugen des zweifelhaften Demokratieverständnisses der SPÖ. Sie darf ihre alten Privilegien weiterhin behalten, weil es heute kein neues, faires Wahlrecht für Wien geben wird. Wir nehmen den überraschenden Überlauf von Senol Akkilic zur SPÖ zur Kenntnis. Diesen Schritt muss er mit seinem Gewissen ausmachen. Ob es das wert war, ein faires Wahlrecht für Wien, vor dem alle Menschen gleich sind, scheitern zu lassen, wird er selbst beantworten müssen."
Johann Gudenus, Wiener FPÖ-Klubomann wiederum glaubt an ein Manöver der Grünen, die nun vorgeben, der Motor für ein neues, faires Wahlrecht in Wien sein zu wollen: "Zahlreiche Initiativanträge wurden von uns eingebracht, ebenso oft haben die Grünen dagegen gestimmt. Ein Schelm, wer bei diesem von langer Hand geplanten Coup, das Wahlrecht zu verhindern, an einen Zufall denken könnte. „Den Herrschaften von den Grünen ist nicht mehr zu glauben! All ihre Ankündigungen sind die Luft nicht wert, die dabei verbraucht wird“, sagt Gudenus.
Wiener ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka kann diese politische Veränderung nicht nachvollziehen: "Dass ein Abgeordneter eine Stunde vor einer wichtigen Abstimmung die Partei wechselt ist doch ein wenig überraschend. Der SPÖ ist wohl jedes Mittel Recht, um an der Macht zu bleiben. Die Stadt gehört dringend demokratisch entlüftet."
Wiener Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger kann dieses Manöver nicht fassen: "Dieser Taschenspielertrick beschädigt das Ansehen der Demokratie. Und die Verlierer sind die Bürger."
Vor 36 Jahren kam Senol Akkilic als Gastarbeiterkind von der Türkei nach Österreich.
Er arbeitete für den Integrationsfonds, war Jugendarbeiter für den Verein Wiener Jugendzentren und studierte nebenbei Politikwissenschaften an der Universität Wien.
1994 trat er den Wiener Grünen bei. Von 2001 bis 2004 war er Bezirksrat in Favoriten. 2010 wurde er als Landtagsabgeordneter angelobt und übernahm gleichzeitig die Funktion des Bereichssprechers für Integration und Jugend im grünen Rathausklub.
Seit 2011 ist er zudem stellvertretender Vorsitzender bei wienXtra, einem Stadtprogramm zur Förderung von Kindern, Jugendlichen und Familien, Obfrau-Stellvetreter beim Verein Wiener Jugendzentren und stellvertretender Vorsitzender beim Verein "Rettet das Kind".
Wien bekommt kein faires Wahlrecht. Die SPÖ hat am Freitag einen Überraschungscoup gelandet. Vor der Abstimmung zur Wahlrechtsreform präsentierte die Häupl-Partei den Grünen Integrationssprecher Senol Akkilic als neues Mitglied im SPÖ-Klub. Ohne den Grünen Überläufer hat Blau-Grün-Schwarz keine Mehrheit mehr, um das für die SPÖ mehrheitsfreundliche Wahlrecht zu kippen.
Das ist natürlich Wahlkampf brutal. Michael Häupl, dem die Grünen in den vergangenen Monaten massiv zugesetzt hatten, musste jetzt die letzten politischen Register ziehen, um den Startvorteil für die SPÖ vor der Landtagswahl ins Ziel zu retten. Ja, dabei geht es um Machterhalt. Und hätten sich Opposition und Häupls Grüner Koalitionspartner gegen die SPÖ durchgesetzt, wäre das Häupl im April bei seiner Wiederwahl als Wiener SPÖ-Obmann nicht gut bekommen.
Auch wenn sich die Bürgermeister-Partei gerade noch im Rahmen der demokratischen Spielregeln bewegt, ist die Aktion mit dem Grünen Überläufer grenzwertig. Eines ist mit der Aktion auch gewiss. Häupl ist die Nachrede in den Geschichtsbüchern unwichtig. Er hat das vor ihm aus der Taufe gehobene rot-grüne Regierungsprojekt in Wien jetzt de facto beendet. Ab sofort gehen die Regierungspartner getrennte Wege. Und das könnte auch nach der Wahl so bleiben.
Kommentare