Gewaltvorwürfe gegen Polizei: Das ganze Video der umstrittenen Festnahme

Gewaltvorwürfe gegen Polizei: Das ganze Video der umstrittenen Festnahme
Nach der Bluttat in Simmering am Sonntag versuchte ein Mann die Polizeisperre zu durchbrechen. Nun gibt es Gewaltvorwürfe gegen die Polizei.

Am Sonntag war die Simmeringer Hauptstraße Schauplatz einer Bluttat. Ein 34 Jahre alter Iraner soll einen 38-jährigen Landsmann erschossen haben - in Notwehr, wie der Mann betont. Während die Mordermittler mit der Sicherung von Spuren beschäftigt waren, kam es zwei Stunden später zu einem Tumult in der Menge der Schaulustigen, der KURIER beobachtete die Szene.

Ein junger Mann hatte versucht, die Polizeisperre rund um den Tatort zu durchbrechen. Angeblich, weil er zu einem Geldautomaten gehen wollte. Mehrere Polizisten überwältigten den Mann jedoch, wobei dieser verletzt wurde, ebenso wie ein Beamter. Beide Männer mussten im Krankenhaus behandelt werden. 

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Das Video musste aus Urheberrechtsgründen zwischenzeitlich entfernt werden.

 

Weil nach der Bluttat viele Medienvertreter vor Ort waren, wurde die Festnahme des 19 Jahre alten Mannes dokumentiert. Er hatte sich zunächst vor die Polizisten gestellt und laut geschrien, so dass alle Kameras auf ihn gerichtet wurden. Dann rangen ihn zunächst zwei, später mehrere Polizisten zu Boden. Ein Video, aufgenommen von einem Puls24-Kameramann, zeigt, wie bei der Festnahme eines Mannes dessen Kopf mehrfach auf den Boden geschlagen wird. Nachdem Teile der Aufnahmen von mehreren Medien veröffentlich wurden, wurden Gewaltvorwürfe gegen die Polizei laut. 

Beamter weiter im Dienst

Die im Internet kursierenden, geschnittenen und teils verpixelten Aufnahmen seien laut Polizeisprecherin Barbara Gass bereits gesichert und gesichtet worden. „Nun werden alle Informationen zusammengetragen und dann dem zuständigen Gericht übermittelt, wie in jedem anderen Fall auch“. Weil es noch zu früh für eine Beurteilung der Vorwürfe sei, ist der Beamte, der mit den Gewaltvorwürfen konfrontiert wird, weiterhin im Dienst. 

Der 19-Jährige wird nun wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Körperverletzung auf freiem Fuß angezeigt. 

Erst im Februar war es nach einem Schussattentat in Wien-Simmering zu ähnlichen Szenen gekommen. Ex-Fußball-Nationalteamspieler Volkan Karaman war auf offener Straße von einem Freund erschossen worden. Danach richtete der Schütze die Waffe gegen sich selbst. Unter den hunderten Schaulustigen, die sich danach am Tatort versammelten, kam es ebenfalls zu Tumulten und Handgreiflichkeiten. 

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Staatsanwaltschaft ermittelt

Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist ebenfalls ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. „Wir haben mit der Polizei Kontakt aufgenommen“, sagte Sprecherin Nina Bussek der APA. Vor Aufnahme der Ermittlungen will die Staatsanwaltschaft aber den Bericht der Polizei abwarten.

Kritik aus der Politik

Das geschnittene Video des Polizeieinsatzes sorgte auch politisch für Wirbel. „Sobald die Polizei einen Menschen überwältigt hat, darf sie gegen ihn - egal was ihm vorgeworfen wird - keine weitere Gewalt mehr ausüben“, kritisierte der Grüne Sicherheitssprecher Georg Bürstmayr. "Diese Videoaufnahmen sind verstörend, für diese offenkundig überbordende Gewalt ist keinerlei Grund ersichtlich. Zwangsgewalt darf unsere Polizei nur ausüben, wenn und solange das notwendig ist, um einen Widerstand zu überwinden, und selbst dann muss sie stets das gelindeste Mittel wählen.“

Die Grünen kündigten ebenso wie die Neos eine parlamentarische Anfrage an. Neos-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper forderte aus Anlass des Falles erneut, dass die geplante Beschwerdestelle gegen Polizeigewalt nicht im Innenministerium angesiedelt werde. „Dem haben die Grünen aber trotz lauter Kritik von sämtlichen Fachleuten zugestimmt. Sie sollten ihre Zustimmung zu dieser absurden Idee spätestens jetzt zurückziehen“, sagte Krisper.

SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner forderte ebenfalls ein Umdenken der Bundesregierung zur Ermittlungs- und Beschwerdestelle für Polizeigewalt. „Wenn ein Zivilist von mehreren Polizistinnen und Polizisten klar fixiert ist und dann plötzlich sein Kopf gegen den Gehsteig geschlagen wird, dann scheint das eindeutig wie überschießende Gewaltanwendung. Genau für solche Fälle braucht es eine starke und unabhängige Beschwerdestelle, die eben nicht im Innenministerium liegen darf“, so Einwallner. Der Vorfall müsse zu einem Umdenken führen.

Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl ortete im Ö1-Mittagsjournal eine „Überforderung der jungen Beamten in einer aufgeheizten Situation“ und sprach sich für eine bessere Ausbildung aus. Mit dem staatlichen Gewaltmonopol, das Polizisten haben, müsse man aber „mit Augenmaß umgehen“. „Wenn jemand eine Gefahr darstellt, dann muss die Polizei reagieren, aber wenn eine Personen schon am Boden fixiert ist, dann kann dieser Person gegenüber keine Gewalt mehr ausgeübt werden“, kritisierte auch der auf Polizeigewalt spezialisierte Anwalt Clemens Lahner.

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