Gewalt an Schulen: Suspendierungen greifen nicht mehr

Auf Disziplin wird in der Plankenmaisstraße großer Wert gelegt. Das bekommen Unruhestifter zu spüren
Der KURIER besuchte Wiens Schule mit den meisten Suspendierungen. Der Ausschluss vom Unterricht erzielt aber kaum Wirkung.

278-mal wurden Schüler im Schuljahr 2017/18 in Wien nach Gewaltdelikten vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen, 258-mal wurde Anzeige erstattet. 42 Suspendierungen entfielen auf die bevölkerungsreiche Donaustadt (siehe Grafik) – davon 16 auf die zehn Neuen Mittelschulen des Bezirks. Und davon wiederum 9 allein auf die NMS Plankenmaisstraße.

In einem sind sich Pädagogen allerdings einig: Suspendierungen ändern am Problem nichts. „Das ist ein Mittel aus einer anderen Zeit“, meint Bildungsdirektor Heinrich Himmer – der auf einen effizienteren Ersatz hofft.

Gewalt an Schulen: Suspendierungen greifen nicht mehr

"Respekt-Kultur"

Im ersten Moment käme man nicht darauf, dass in der NMS Plankenmaisstraße die meisten Suspendierungen aller Wiener Schulen verhängt wurden. Beim KURIER-Lokalaugenschein fliegen hier keineswegs die Fetzen. Im Gegenteil: Wer die Donaustädter Schule mit Öko- und Gesundheitsschwerpunkt betritt, bemerkt als erstes die künstlerisch gestalteten Wänden. Im Garten pflanzen die Schüler Kräuter und Gemüse, im Hof regen überdimensionale Brettspiele auf dem Boden zur Bewegung an und in den Klassen wird der Müll getrennt.

In der NMS mit 340 Schülern und 40 Prozent Migrantenanteil findet mutmaßlich nicht mehr Gewalt statt als in anderen Schulen mit vergleichbaren Herausforderungen. Die zuletzt hohe Zahl an Suspendierungen verdeutliche viel mehr, dass man gewillt sei, die „Respekt-Kultur“ unbedingt aufrechtzuerhalten, betont Direktorin Elisabeth Bock.

Gewalt an Schulen: Suspendierungen greifen nicht mehr

NMS-Direktorin Elisabeth Bock.

„Bei uns ist es ruhig und sauber, wir sagen ,Bitte’, ,Danke’ und Grüß Gott’ – und wenn wir bei Gefahr im Verzug als letztes Mittel jemanden suspendieren, wollen wir den anderen Schülern und auch den Eltern damit vor Augen führen, wie wichtig uns das ist“, sagt sie. Letztlich handle es sich aber um Beruhigungsversuche, darum „kurzfristig die Luft aus einem Konflikt rauszulassen“. Bei den suspendierten Schülern zeige die Maßnahme in der Regel keine Wirkung.

Das traf auch auf jene sechs Jugendlichen zu, die die neun Suspendierungen betrafen. Auf jenen 14-Jährigen, der Klassenkollegen bedrohte, Lehrer verbal sexuell belästigte, in sozialen Medien mit der Ermordung von Mitschülern drohte und schließlich die Fäuste sprechen ließ. Er wurde letztlich der Schule verwiesen. Und auch die 12-Jährige, die ihre Klassenkollegen ordinärst beschimpfte, sich wiederholt während des Unterrichts in und außerhalb der Schule versteckte und einen Lehrer trat, zeigte nach dem Verweis vom Unterricht keine Verhaltensänderung.

„Solche Vorfälle geschehen ja nicht aus heiterem Himmel“, erklärt Bock. „So etwas hat immer eine Vorgeschichte, die irgendwann eskaliert. Oft ist vorher schon das Jugendamt involviert.“

Die Herausforderungen, mit denen man in der NMS Plankenmaisstraße konfrontiert ist, sind dieselben wie an etlichen anderen Wiener Schulen: Die Kinder kommen zum Teil aus bildungsfernen, sozial schwachen Familien. Armut ist ebenso ein Thema wie sprachliche Defizite. Um solche Standorte zu unterstützen, führt die Stadt mit dem nächsten Schuljahr den Chancenindex ein. Schulen mit größeren Herausforderungen erhalten dann mehr Mittel.

Alternativen gesucht

Die Stadt Wien versah Suspendierungen zuletzt zwar mit zusätzlichen Auflagen. So muss jeder betroffene Schüler den Schulstoff nachholen und auch Gespräche mit Schulpsychologen sind nunmehr verpflichtend vorgeschrieben.

Gemeinsam mit dem Unterrichtsministerium möchte Bildungsdirektor Himmer aber effizientere Alternativen erarbeiten. Denkbar seien Time-out-Klassen, in die auffällige Schüler kurzfristig abkommandiert werden könnten, mehr Sozialarbeiter oder Präventionsprogramme in Kooperation mit der Polizei.

Soforthilfe für Lehrpersonal

Die Anzeigenstatistik an den rund 700 Wiener Schulen mit insgesamt 230.000 Schülern entspricht im Wesentlichen jener der Suspendierungen. Im Schuljahr 2017/18 wurden 258 Gewaltdelikte  angezeigt. Die Mehrheit der mutmaßlichen Unruhestifter ist zwischen 12 und 15 Jahre alt. Am häufigsten wurde in NMS Anzeige erstattet – in 138 Fällen. Wie bei den Suspendierungen schneidet die Donaustadt auch bei den Anzeigen (32) am schlechtesten ab. Für Lehrer wurde in der Bildungsdirektion eine Soforthilfe-Hotline installiert: 01/52525-77777.

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