Geschäftsübergabe: Online-Partnerbörse für Unternehmer
Rein optisch könnten sie Mutter und Tochter sein. Doch Teresa Scheicher und Viveka Slama-Kern sind „nur“ Geschäftspartnerinnen.
Das Besondere an dieser Partnerschaft: Scheicher ist Anfang des Jahres mit dem Papier-Sortiment aus ihrem eigenen Geschäft „Paperbird“ im dritten Bezirk in die alteingesessene Papeterie „CV Design“ in der Wiener Innenstadt gezogen und hat so das Geschäft vor seiner Schließung „gerettet“.
Ihre handgefalteten Papierkraniche haben nun ein neues Zuhause neben den edlen Notizbüchern und Füllfedern aus Skandinavien gefunden, die die gebürtige Schwedin Slama-Kern seit mehr als einem Jahrzehnt hier verkauft. Mit Kalligrafie versehene Glückwunschkarten ergänzen das bestehende Sortiment aus kleinen Mitbringseln und schönen Sachen.
Das Geschäft in der Marc-Aurel-Straße ist ein Paradies für Papierliebhaber.
Fehlende Familienbande
Ein Paradies, um das es wohl vielen Kunden Leid täte, wenn es schließen müsste.
Dass kleine Traditionsgeschäfte wegen der Marktdominanz der Groß- und Online-Händler oder aufgrund fehlender Nachfolger schließen müssen, ist nämlich gar nicht so selten: Zwischen 2003 und 2018 sperrte jedes fünfte Einzelhandelsgeschäft in Österreich zu. Die Bücher- und Papierbranche gilt als besonders betroffen. Das zeigen Untersuchungen der KMU-Forschung Austria.
Während in den 1990er-Jahren noch zwei Drittel aller Betriebe an Familienmitglieder weitergegeben wurde, sind es heute maximal die Hälfte. Auch Slama-Kern hat fünf Kinder. Doch dass eines davon je die Papeterie übernimmt, stand nie zur Debatte: „Ich wollte sie zu nichts zwingen.“
Online-Dating im Trend
Eine Alternative zur Geschäftsweitergabe innerhalb der Familie bietet die Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer Wien: Unternehmer können hier per Inserat nach potenziellen Übernehmern suchen. 55 „Pärchen“ hat die WK Wien im Vorjahr zusammengeführt, 255 Inserate betreut man derzeit. Diese werden anonym geschaltet, um Kundschaft und Mitarbeiter nicht zu verunsichern und die Mitbewerber nicht aufmerksam zu machen.
Die Übernahme eines bestehenden Betriebs ist Claudia Rosenberger vom Gründerservice zufolge auch eine Alternative für Neugründungen: In der Gastronomie sind etwa 90 Prozent aller Neueröffnungen Geschäftsübernahmen. Der Unternehmer kann sich so langsam zurückziehen, „ich muss nicht von einem Tag auf den anderen aufhören und weiß mein Geschäft in vertrauensvollen Händen“, erklärt Slama-Kern ihre Beweggründe.
Scheichers Einzug ist also eine Win-win-win-Situation: Slama-Kern hat mit ihren 64 Jahren eine potenzielle Nachfolgerin gefunden; die 30-Jährige eine neue Möglichkeit zu wachsen; und den Kunden bleibt das kleine Papiergeschäft von nebenan glücklicherweise erhalten.
Liebe auf den ersten Blick
Bei den beiden Unternehmerinnen war es Liebe auf den ersten Blick: Slama-Kern, eine Freundin der Familie, stand Scheicher bereits bei ihrem Schritt in die Selbstständigkeit mit Rat und Tat zur Seite. Nun teilen sich die beiden Unternehmerinnen Miete, Arbeitszeit, Mitarbeiter und Erfahrung.
Voraussichtlich Ende dieses Jahres wird Slama-Kern dann aber endgültig den Schlüssel zum Geschäftslokal von ihrem Schlüsselbund lösen und Scheicher die Firma alleine weiterführen lassen. „Doch falls sie mal einen Handlanger braucht, bin ich jederzeit für sie da“, verspricht sie.
Nachfolgebörse
Der Gründerservice der Wirtschaftskammer bietet eine eigene Plattform für Unternehmer, die einen Nachfolger suchen, und jene, die ein Geschäft übernehmen wollen. Die Online-Plattform ist bundesweit eingerichtet, die Wirtschaftskammer Wien bietet explizite Begleitung bei der Übergabe in Form von Beratung und Mediation an. Die Inserate werden anonym geschaltet, um Kunden und Mitarbeiter nicht zu verunsichern und Marktkonkurrenten nicht aufmerksam zu machen.
Zahlen und Fakten
Derzeit sind 255 Inserate aus Wien online, österreichweit sind es 1.120. Im Vorjahr hat die WK Wien 55 „Matches“ zusammengeführt. Übernahmen in der Gastronomie sind besonders beliebt: 90 Prozent aller Neueröffnungen von Lokalen sind Geschäftsübernahmen.
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