Geräumtes Stadtstraßen-Protestcamp: Die Pyramide ist gefallen
Das Areal, auf dem das Protestcamp gegen den Bau der Stadtstraße bis gestern aufgebaut war, ist klein. Trotzdem gab es bei der Räumung Dienstagfrüh viele unterschiedliche Schauplätze.
Da gab es die Aktivisten, die Hand in Hand Lieder sangen – gegenüber von Polizisten in voller Montur, die Helme für den Ernstfall griffbereit. Andere waren auf Bäume und auf einen Kran geklettert, um ein Zeichen gegen die drohende Abholzung zu setzen.
Wieder andere, vielleicht 20 Menschen, saßen auf dem Boden, um „so lange wie möglich zu blockieren“, wie sie sagten. Trotz Kampfgeists hielt sich das Aggressionspotenzial aber in Grenzen, es wurden lieber vorgeschnittene Apfelspalten untereinander ausgeteilt.
Zum Nachsehen: So lief die Räumung des Camps
In der Früh war bekannt geworden, was die Aktivisten seit Tagen gefürchtet hatten: Die Stadt hatte die Polizei beauftragt, die Besetzung bei der Hausfeldstraße aufzulösen. Parallel zur Räumung wurden auch Bäume entlang der Stadtstraßen-Trasse gefällt. Insgesamt müssen laut UVP-Bescheid 380 Bäume weichen (siehe auch Kommentar unten).
Via Social Media wurden sofort nach Bekanntgabe der drohenden Räumung Sympathisanten aufgefordert, zum Protestcamp zu kommen, um dieses „unräumbar“ zu machen.
Der Konflikt zwischen der Stadt, unter Federführung von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ), und den Klimaschützern hatte sich in den vergangenen Wochen immer mehr zugespitzt. Beide Seiten beteuerten immer wieder, gesprächsbereit zu sein, einen Konsens fand man aber nie.
Die Stadt drohte den Besetzern mit Klagen, sollten sie nicht weichen. Bisheriger Tiefpunkt rund um das Protestcamp war ein noch ungeklärter mutmaßlicher Brandanschlag Ende Dezember.
Gesperrte Öffi-Stationen
Bis 10 Uhr waren dem Unterstützungsaufruf der Aktivisten noch nicht viele gefolgt. Das lag vermutlich auch an der erschwerten Anreise. Die nahe U2-Station Hausfeldstraße wurde nicht mehr angefahren, andere Öffis wurden umgeleitet. „Damit ein Zustrom von Aktivisten verhindert werden kann, wurden Straßen gesperrt“, sagte ein Polizeisprecher zum KURIER.
Im Laufe des Vormittags füllte sich das Areal. Die meisten Leute mischten sich aber nicht direkt unter die Besetzer, sondern sammelten sich auf einem eigens ausgewiesenen Platz. Dort durfte man sich nämlich legal aufhalten. „Wer bereit ist, sich verhaften zu lassen, soll zum Megafon kommen“, wurde durchgesagt. Etwa 40 Leute folgten dem Aufruf, ihnen wurden Zettel mit Rechtshilfenummern ausgeteilt.
Während auf der einen Seite weiter händchenhaltend gesungen wurde, versuchten auf der anderen Seite Aktivisten, die Gitter und Sperren zu durchbrechen. Dabei wurden einige von den Polizisten am Boden fixiert, auch Pfefferspray wurde eingesetzt.
Trasse und Eckdaten
Die 3,2 Kilometer lange, insgesamt vierspurige und teils als Tunnel geführte Stadtstraße soll im Osten die Seestadt an die Tangente anbinden. Richtung Westen hätte sie die Verbindung zum gestoppten Lobautunnel sein sollen. 2015 beschloss der Gemeinderat ihren Bau einstimmig. Kostenpunkt: 460 Millionen Euro
Die Positionen
Projektgegner lehnen die Stadtstraße aus Klimaschutzgründen ab und bezweifeln ihre Notwendigkeit. Die Stadt argumentiert, dass es das Projekt zur Erschließung der Seestadt brauche und laut UVP Voraussetzung für den Bau unzähliger Wohnungen ist
Die Lieder wurden immer öfter von „Du bist nicht allein“-Sprechchören unterbrochen, um die fixierten Aktivisten anzufeuern. Und auch jene zwei, die sich im Herzstück des Protestcamps, der auffälligen Pyramide in der Mitte, verschanzt hatten.
Nicht das Ende
Laut Polizei hatten sie sich an einem Betonrohr in der Erde angekettet. Tatsächlich dauerte es mehrere Stunden, die Ketten zu lösen. Dies gelang schließlich, ohne die beiden zu verletzen, wie die Polizei mitteilte. Damit war die Pyramide Geschichte: ein Bagger demolierte sie. Insgesamt wurden 48 Personen festgenommen.
Ein Schlussstrich dürfte die Räumung jedenfalls nicht sein. Die Aktivisten kündigten noch am Dienstag weitere Protestaktionen an – unter anderem vor der SPÖ-Zentrale am Abend. Der Kampfspruch dazu: „Autos machen Lärm, wir machen Musik. Macht die Öffis kostenlos und Party on the Street“.
Simas Hand bleibe ausgestreckt, ließ sie wissen, um „über den Klimaschutz zu sprechen“. Von einer gemeinsamen Party – schon gar nicht auf der Stadtstraße – ist aber nicht auszugehen.
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