Tödliches Sex-Date: Angeklagter muss trotz Freispruchs in Haft

Tödliches Sex-Date: Angeklagter muss trotz Freispruchs in Haft
Die Geschworenen entschieden, dass der Angeklagte nicht für den Tod eines 43-Jährigen verantwortlich ist. Wegen Missbrauchs einer wehrlosen Person und Raubes erhielt der Mann sieben Jahre Haft.

Alles, woran sich Christian W. noch erinnern kann, ist ein Vodka-Orange, den er am 5. Juni 2021 mit dem Angeklagten gemeinsam getrunken hat. "Willst du mich ohnmächtig machen?", fragte W. noch. "Nur geil", soll der 52-Jährige geantwortet haben, bevor sein mutmaßliches Opfer das Bewusstsein verlor.

Christian W. ist einer der zahlreichen Männer, mit denen sich der 52-Jährige zu Chemsex - geschlechtliche Handlungen unter der Wirkung von zuvor konsumierten chemischen Drogen -getroffen hat. Am heutigen Montag sagt W. als Zeuge am Wiener Landesgericht aus.

Der Mann, mit dem er sich in jener Nacht am 5. Juni getroffen hat, muss sich gleich wegen mehrerer Delikte verantworten: Der Mann wird beschuldigt, in der Nacht auf den 1. Oktober 2021 einen 43 Jahre alten Mann mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und letzten Endes getötet zu haben, indem er ihm eine Überdosis Liquid Ecstasy intravenös verabreichte. 

Die Staatsanwaltschaft ist in ihrer Anklage davon überzeugt, dass bei dem Delikt eine Tötungsabsicht vorliegt. Der Angeklagte habe dem Opfer in seiner Wohnung in Penzing in Vergewaltigungsabsicht Liquid Ecstasy verabreicht sowie Mephedron (eine synthetische Substanz aus der Stoffgruppe der Cathinone, Anm.) in den linken Arm gespritzt und ihn damit "sofort ausgeknockt". Die anschließenden Missbrauchshandlungen am Wehrlosen habe der Angeklagte gefilmt.

Schwester des Opfers brach zusammen

Diese Videos wurden am Montag auch den Geschworenen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gezeigt. Auch die Schwester des Opfers war anwesend. Als die sichergestellten Videos abgespielt wurden, brach die Frau in Tränen aus und musste von Angehörigen beruhigt werden. 

Zurück zum Tathergang: Nachdem der 52-Jährige seine Tat gefilmt hatte, ist er laut Anklage in die Wohnung des Opfers gefahren und hat dort einen Flachbildfernseher mitgenommen. Er bestellte sich ein Taxi, um mit dem Diebesgut zurück in seine eigene Wohnung zu fahren.

"Ein freundlicher Mann"

Auch der Taxi-Fahrer war als Zeuge einvernommen worden. "An den Mann erinnere ich mich noch gut. In meiner Karriere als Taxifahrer habe ich nämlich erst zweimal einen Fahrgast mit Fernseher transportiert", gab der Mann zu Protokoll. Er habe außerdem nicht den Eindruck gehabt, dass sich der Mann in einem rauschähnlichen Zustand befunden hätte.

Im Gegenteil. "Der Mann war ruhig und freundlich und hat mir sogar Trinkgeld gegeben", sagte der Mann aus. Er habe ihm dann noch geholfen, den Fernseher bis an den Gehsteig vor seiner Wohnung zu tragen. Zurück in der Wohnung, soll sich der 52-Jährige laut Anklage noch einmal an seinem wehrlosen Opfer vergangen haben. 

Dann vergingen drei Wochen. Erst danach wurde die Leiche in der Wohnung gefunden.

Der 52-Jährige bekannte sich auch am Montag als "nicht schuldig". Er blieb bei seiner Aussage, dass der 43-Jährige ihn auf einer schwulen Dating-Plattform angeschrieben und sich mit ihm zum Zweck von Chemsex treffen wollte. Der Mann sei "schon beeinträchtigt" bei ihm erschienen und habe sich dann in seiner Wohnung weiter an bei ihm vorrätigen Drogen bedient und sei dann eingeschlafen. Um 6 Uhr habe er bemerkt, dass dieser tot war, als er mit ihm wieder intim werden wollte.

Die Suche nach "Liebe" 

"Ich habe gar keinen Drogensex gesucht, sondern Liebe, Zuneigung und Geborgenheit", sagte der Angeklagte an die Geschworenen gewandt. Die Leiche habe er dann in einer Bettzeuglade verstaut, weil er für eine Festnahme nicht bereit war.

Eingewickelt in zehn Müllsäcke und zwei Bettdecken wurde der Leichnam schließlich aufgefunden. "Der Körper war bereits fäulnisbedeckt und von Maden befallen, die Oberhaut löste sich ab", schilderte Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp. Das große Problem bei der Obduktion der Leiche sei deren Zustand gewesen. "Durch die Fäulnis und dem damit einhergehenden Wasserverlust konnte nicht mehr festgestellt werden, wie hoch die Konzentration der Substanzen war, die das Opfer zum Tatzeitpunkt eingenommen hatte", ergänzte Klupp.

In seinem medizinischen Gutachten hielt Klupp außerdem fest, dass das Opfer während des Filmens der mutmaßlichen Tat noch am Leben gewesen sei. "Hätte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt medizinische Hilfe gerufen, dann hätte das Ableben des Mannes wohl verhindert werden können", betont der Gerichtsmediziner. 

"Zurechnungsfähig"

Um grundlegend die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zu beantworten, wurde ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben. Gerichtspsychiater Peter Hofmann attestierte dem mehrfach vorbestraften Angeklagten darin zwar eine schwere Persönlichkeitsstörung samt sexueller Devianz bis hin zur Nekrophilie, die durch den jahrelangen Drogenkonsum auch begünstigt wurde, eine Schuldunzurechnungsfähigkeit liege nicht vor. Der Psychiater plädierte aber dennoch dafür aus, den Beschuldigten in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, da ein hohes Risiko betreffend Tatwiederholung vorliege.

Der am Montag weiterverhandelte Fall war auch nicht der erste Vorfall dieser Art: Im vorangegangenen Mai hatte die Polizei in der Wohnung des Angeklagten die Leiche eines Mannes gefunden. Das wurde damals als bedenklicher Todesfall eingestuft, im Zuge der weiteren Erhebungen stellte sich heraus, dass dieser sich ebenfalls mit dem 52-Jährigen zum Chemsex getroffen haben dürfte. Die Verteidigung (Kanzlei Astrid Wagner) bestritt jedenfalls eine Tötungsabsicht ihres Mandanten.

In Anstalt eingewiesen

Um kurz nach 15 Uhr kam am Montag das Urteil: Die Geschworenen sprachen den 52-Jährigen vom inkriminierten Vorwurf der Vergewaltigung mit Todesfolge einstimmig frei. Der 13-fach vorbestrafte Mann wurde von den Geschworenen stattdessen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen Person (§ 205 StGB) und des schweren Raubes für schuldig befunden und zu sieben Jahren Haft verurteilt. Zudem wurde er in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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