Flüchtlinge wollen nicht ins Kloster

Flüchtlinge wollen nicht ins Kloster
Die Flüchtlinge in der Votivkirche lehnen das von der Kirche angebotene Ausweichquartier ab.

Das Tauwetter hat den Schnee rund um die Votivkirche schmelzen lassen, in der Kirche selbst ist es weiterhin bitterkalt. Seit mehr als einem Monat harren hier knapp 40 Asylwerber in der Kälte aus, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

Kardinal Christoph Schönborn erneuerte zuletzt seine Aufforderung, die Flüchtlinge mögen in ein Ersatzquartier umziehen. In einem nahen Kloster gebe es genügend warme Räume für die Flüchtlinge. Nach wie vor schließt der Kardinal eine Räumung aus, auch für Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ist das derzeit kein Thema. „Ich würde mir aber wünschen, dass die Asylwerber in Quartiere übersiedeln, wo wir sie betreuen können. Schließlich versäumen einige von ihnen auch gerade Berufungsfristen.“

Symbol

Doch die Asylwerber wollen ihre symbolträchtige Bleibe nicht verlassen. „Hier sind wir sicher“, sagt Khan Adalat, einer der Sprecher der Flüchtlinge. Er fürchtet, dass mit einem Auszug aus der Kirche auch die Aktion aus dem Rampenlicht verschwindet. „Es geht uns nicht um eine warme Stube und etwas zu essen. Wir wollen eine Lösung“, sagt Adalat. Mehr als 60 Prozent der Männer in der Kirche haben keinen legalen Aufenthaltsstatus, könnten jederzeit abgeschoben werden. Könnten – denn mit Pakistan etwa besteht kein derartiges Abkommen.

„Wir vertrauen dem Kardinal, aber nicht den Politikern“, sagt Adalat. Als Beweis zieht er einen Brief der niederösterreichischen Landesregierung aus seiner Mappe. „Aufgrund eines nicht genehmigten Wohnungswechsels wird die Grundversorgung Ihnen gegenüber eingestellt“, steht darin. „Ich habe meine Wohnung nicht gewechselt, ich kämpfe hier in der Kirche für mein Recht.“

Den Vorwurf, sie seien von Aktivisten gelenkt, weist Adalat zurück. Eine Teilnahme an Demos gegen den Akademikerball schließt er aus. „Wir wollen keine Unruhe, wir konzentrieren uns auf uns.“

Anna Ayala besucht die Flüchtlinge seit Dezember. Sie unterstützt sie mit Lebensmitteln, warmer Kleidung, aber auch mit Anteilnahme. Sie hat miterlebt, wie die Flüchtlinge durch den Hungerstreik immer schwächer wurden. „Ich hoffe, dass sie das Angebot bald annehmen“, sagt Ayala.

Wie lange sie noch in der Kirche bleiben, will Adalat nicht sagen. „Ich weiß es nicht. 10 Tage, 10 Monate, wenn es sein muss, 10 Jahre.“

Solidarisch mit den Asylwerbern in der Votivkirche erklären sich auch die Organisatoren des Flüchtlingsballs, der am 8. Februar im Wiener Rathaus über die Bühne geht. Im Rahmen der Balleröffnung will man ihnen die Möglichkeit bieten, einmal mehr auf ihre Anliegen hinzuweisen. Der Erlös der Veranstaltung kommt dem Integrationshaus zugute. Damit werden Rechtsberatungen für Asylwerber sowie die psychosoziale Betreuung traumatisierter Flüchtlingskinder finanziert.

Flüchtlinge wollen nicht ins Kloster
Wiener Flüchtlingsball, honorarfrei
Mit einem klassischen Ball ist der Flüchtlingsball kaum zu vergleichen. Zum einen gibt es keinen Dresscode – das Motto lautet schlicht: „Bekleidung beliebig, aber erwünscht.“ Zum anderen sind Walzerklänge eher die Ausnahme. In den diversen Sälen des Rathauses sorgen Bands wie Bongo Botrako mit einem Mix aus Rumba, Reggae und Punk, oder die Gypsy-KomboBudapest Barfür Stimmung. Zudem werden zehn Prozent des Kartenkontingents – rund 300 Stück – traditionell an Flüchtlinge verschenkt. Der KURIER verlost 2 x 2 Eintrittskarten.

19. Flüchtlingsball, 8.2., Einlass: 20 Uhr, Beginn: 21 Uhr. VVK: 45 €, AK 48 €. www.integrationshaus.at. KURIER-Verlosung am Donnerstag, 31.1., von 15 bis 15:30 Uhr unter (01)52100/2640. Für die ersten Anrufer liegen Karten bereit. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Barablöse ist nicht möglich. Gilt nur für Verbraucher im Sinne des KSchG.

Die Art, wie sich Kardinal Christoph Schönborn zur Votivkirche geäußert hat, hat Respekt verdient. Er verurteilte all jene, „die die Not der Flüchtlinge missbrauchen“. Gleichzeitig stellte er aber klar, „voll und ganz“ hinter den Flüchtlingen, die „keine Verbrecher sind“, zu stehen. Die Botschaft, die über die Votivkirche hinaus wirkt: Menschen auf der Flucht genießen den Schutz der Kirche. Der Verweis auf Evangelium und Nächstenliebe mag oft hohl klingen. Hier wird er mit Leben erfüllt.

Denn die Botschaft ist nicht selbstverständlich. Das Kirchenvolk ist in der Frage nicht geeint. Doch anders als die Politik, die den Wähler fürchtet, scheut der Kardinal nicht davor, Position zu beziehen. Er hat den Flüchtlingen bewiesen, dass sie ihm vertrauen können. Sie wären gut beraten, würden sie sein Angebot einer neuen Bleibe annehmen – sie könnten es erhobenen Hauptes tun. Sie haben eine Debatte über das Asylwesen angeschoben, der sich die Politik so leicht nicht wieder entziehen kann. Doch auch ihnen muss klar sein, dass Gesetze nicht in der Kirche, sondern im Parlament geändert werden.

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