"Fesches Kistl" eröffnet in Mariahilf: Kreatives auf nur 0,06 Kubikmetern
225 Holzkisten hat Thomas Tichy in den vergangenen Tagen und Wochen an die Wände seines neuen Geschäfts geschraubt – fein säuberlich in Reih und Glied. Manche sind noch leer, aber der außergewöhnliche Wandschmuck füllt sich rasch. Gerade rechtzeitig: Heute, Donnerstag, eröffnet Tichy sein „Fesches Kistl“ in der Gumpendorfer Straße 115 in Mariahilf.
Das Konzept ist nicht unbekannt: Die Kistln im Maß 50 mal 40 mal 30 Zentimeter fungieren als Ausstellungsfläche für Produkte von Kleinstunternehmern. Kunst, Handwerk, Kulinarik – all das findet nach und nach, hübsch drapiert, in den Kisten Platz.
„Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass kleine Produzenten bei den Handelsketten kaum gelistet werden und gegenüber Massenproduzenten immer das Nachsehen haben“, sagt Tichy. „Auch ein eigenes Geschäft, um ihre Waren zu präsentieren, können sie sich oft nicht leisten.“ Da komme er ins Spiel. Erfahrung bringt er mit: Tichy hat jahrelang für Handelsriesen im Vertriebsmanagement gearbeitet.
"Steh auf Upcycling"
Sein Fokus, sagt Tichy, liege nun auf Regionalität. „Und ich stehe auf Upcycling.“ Das beweist er auch bei der eigenen Einrichtung. Statt eines neuen Kassentischs etwa hat sich Tichy eine alte Hobelbank geschnappt, restauriert und umfunktioniert.
Ganz generell soll sein Geschäft zum Verweilen und Stöbern einladen. Es ist in warmes Licht getaucht, es gibt kühle Getränke, frischen Kaffee – und Sitzgelegenheiten. Und auch den einen oder anderen Produzenten, der in den Kistln ausstellt, kann man hier als Kunde künftig vielleicht antreffen. „Sie sollen nicht nur Mieter sein, vielmehr sehe ich sie als Mitbegründer.“
Synergien nutzen
Das sei auch das Besondere an seiner Geschäftsidee, sagt Tichy. Denn ganz neu ist sie im Kern freilich nicht – der Laden „s’Fachl“ in der Josefstadt etwa arbeitet nach einem ähnlichen Konzept.
Wie sich Tichy abheben will? „Die Produzenten sollen bei mir nicht nur Waren abliefern. Ich unterstütze sie beim Marketing, bei der Preisgestaltung, der Präsentation. Und wir wollen Synergien nutzen.“
Die Kistln vermietet Tichy zu einem Eröffnungspreis von einem Euro pro Tag (für eine Mindestdauer von zwölf Wochen). Von allen Verkäufen gehen 15 Prozent an Tichy, der Rest verbleibt beim Aussteller. Für alles, was nicht in eine Kiste passt, hat Tichy Ausstellungstisch, Schmuckwände und Staffeleien.
Zu allem eine Geschichte
Was aber erwartet die Kunden nun? Es gibt Gin (ausgefallen: Banane oder Lavendel) aus der „Bootleggers“-Manufaktur im 9. Bezirk (ab 19 Euro), Weine aus der kleinen „WeinGärtnerei Stefan Lang“ und Olivenöl von „EliTsa“, einer Steirerin mit griechischen Wurzeln, die sich ihren Traum vom eigenen Olivenhain in der alten Heimat erfüllt hat.
Einige Kistln weiter: Aufnahmen von Graffiti aus aller Welt, die ein junger Künstler auf Holzblöcken verewigt; Ohrschmuck aus Harz und getrockneten Blüten; tierische Accessoires aus der Kreativwerkstatt Esca im 8. Bezirk; waschbare Kosmetikpads von „Karin'schnickschnack“, gefertigt unter anderem aus dem Stoff alter Hemden.
Man merkt rasch: Zu fast jedem Kistl kann Tichy eine Geschichte erzählen. Auf die Eröffnung ist er also gut vorbereitet. Kein Wunder: Die Idee vom eigenen Geschäft geistert ihm seit geraumer Zeit durch den Kopf. „Wir haben zwei Jahre lang gesucht, bis wir fündig wurden.“ Corona hat – wenig überraschend – alles noch komplizierter gemacht.
Gut fürs Grätzel
Der Gumpendorfer Straße wird der Neuzugang guttun. Das „Fesche Kistl“ liegt direkt an der Nahtstelle zwischen jenem Teil der Straße, den man gemeinhin als den „guten“ bezeichnen würde, und dem weniger guten: Einige Meter weiter befinden sich die In-Pizzeria „Disco Volante“ und der Traditionsfleischer Ringl, auf dem Kirchenplatz findet der Wochenmarkt statt.
„Ideal“ findet Tichy seinen neuen Standort. Das Ecklokal hat eine durchgängige Glasfront, die freie Sicht auf (fast) alle Kistln ermöglicht. „Schon beim Einräumen haben uns viele Passanten interessiert beobachtet. Das ist wichtig. Je mehr es zu sehen gibt, desto spannender.“
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