Fall "Horror-Hans": Freispruch für Justizwachebeamten

Der Justizwachebeamte wurde freigesprochen.
Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten in der Verhandlung am Wiener Landesgericht Amtsmissbrauch unterstellt.

Ein Justizwachebeamter, der seit fast 30 Jahren in der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt Dienst versieht, ist von der Staatsanwaltschaft St. Pölten vor den Kadi gezerrt worden, weil er sich im Vollzugsinformationssystem des Bundes ein aktuelles Foto eines hochgefährlichen Justizflüchtlings ansah. Der 49-Jährige, der bei der Ergreifung des Mannes helfen wollte, wurde am Freitag freigesprochen.

Die Staatsanwältin hatte dem Angeklagten in der Verhandlung am Wiener Landesgericht Amtsmissbrauch unterstellt. Er hätte in bewusster Schädigungsabsicht seine Neugierde befriedigt, indem er das unter den Datenschutz fallende Foto betrachtete, nachdem er erfahren hatte, dass "Horror-Hans" geflüchtet war, meinte die Anklägerin.

Unter diesem Namen firmierte justizintern ein psychisch Kranker, der im Juli 2011 als zurechnungsunfähiger und brandgefährlicher Gewalttäter in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wurde. Der paranoid Schizophrene hatte wenige Monate zuvor in der JA Josefstadt eine dort beschäftigte Psychiaterin als Geisel nehmen wollen, indem er die junge Ärztin mit selbst gebastelten Stichwaffen bedrohte. Als ihr ein Wachebeamter zu Hilfe kam, stach der Häftling den Mann und verletzte diesen lebensgefährlich.

"Er hat alles richtig gemacht"

Im Juni 2016 bekam der Angeklagte mit, dass "Horror-Hans" aus einer Einrichtung in der Steiermark, in die er zwischenzeitlich verlegt worden war, entwichen war. "Ich bewege mich sehr viel im öffentlichen Raum, bin viel in der Natur unterwegs", erläuterte der 49-Jährige einem Schöffensenat (Vorsitz: Magdalena Krausam). Er kannte "Horror-Hans" persönlich und habe sich deshalb dessen aktuelles Äußeres einprägen wollen, um ihn im Fall einer zufälligen Begegnung wiedererkennen zu können. "Ich hätte dann die Exekutive verständigt und den Notruf gewählt", sagte der Justizwachebeamte.

"Er kann Waschmittelwerbung machen, so lupenrein ist seine Weste. Er hat alles richtig gemacht", lobte Verteidiger Nikolaus Rast diese Einstellung. Sein Mandant hätte in ausschließlich dienstlichem Interesse gehandelt: "Er zeigt Einsatz, ist motiviert. Und dafür sitzt er nun hier. Ist es das, was die Staatsanwaltschaft St. Pölten will? Dienst nach Vorschrift oder Ich-mach-gar-nix-mehr?"

Staatsanwältin erbat Bedenkzeit

"Ich sehe es als ureigenste Aufgabe der Justizwache, an der Suche nach einem Geflüchteten mitzuwirken. Entweder durch Identifizierung oder Anhaltung", stellte Peter Hofkirchner, der stellvertretende Leiter der JA Josefstadt fest, im Zeugenstand fest. Er wurde als informierter Vertreter der JA vernommen. Das Gericht schloss sich dieser Sichtweise am Ende an. "Sie durften davon ausgehen, dass dienstliches Interesse vorliegt", meinte die Vorsitzende unter Hinweis auf Hofkirchners Ausführungen zum Angeklagten. Dem Angeklagten sei es rein ums Anschauen des Fotos gegangen, das er nicht ausgedruckt und weitergegeben hätte.

Der Freispruch ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwältin erbat Bedenkzeit. Ein zweiter Justizwachebeamter, der ebenfalls das Foto von "Horror-Hans" aufgerufen hatte, war bereits am vergangenen Mittwoch in erster Instanz freigesprochen worden.

Fall "Horror Hans": Justizwachebeamter vor Gericht

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