Eine Tonne für (fast) alles: In Wien ändert sich die Mülltrennung
Mülltrennen will gelernt sein. Glas zu Glas, Karton zu Karton und der Joghurtbecher in den Restmüll. Zumindest war das in Wien bisher so. Ab 1. Jänner aber wird die sogenannte Leichtverpackungssammlung österreichweit vereinheitlicht. Für die Wienerinnen und Wiener bedeutet das eine Umstellung – Mülltrennen muss neu erlernt werden.
In der gelben Tonne beziehungsweise im gelben Sack landen künftig nämlich nicht mehr nur Plastikflaschen, Getränkekartons und Dosen, sondern auch alle Kunststoffverpackungen. Der Joghurtbecher also ebenso.
Während Wien, Niederösterreich, Kärnten, Salzburg und einige Bezirke Oberösterreichs bereits Anfang 2023 mit der Umsetzung der „Verpackungsverordnung“ beginnen, warten die restlichen Bundesländer auf die gesetzliche Verpflichtung, die erst 2025 in Kraft tritt.
Mülltrennungs-Wirrwarr
Für die Kunden aber bringe diese Vereinheitlichung eine deutliche Erleichterung, heißt es von der Wiener Müllabfuhr (MA 48). Einerseits müsse allgemein weniger getrennt werden, andererseits beuge man dem Wirrwarr rund um die Mülltrennungsarten in den unterschiedlichen Bundesländern vor.
Restmüll
Österreichs Haushalte produzieren jährlich fast 1,5 Millionen Tonnen Restmüll, rund 165 Kilogramm pro Person, heißt es vom Verband Österreichische Entsorgungsbetriebe (VOEB). Vorarlberg ist demnach mit 72 Kilogramm Restmüll pro Person und Jahr Österreichs Musterland, Schlusslicht ist Wien mit 280 Kilo
Falsch getrennt
Laut einer Erhebung der Montanuni Leoben landen jährlich eine halbe Million Tonnen Wertstoffe durch falsches Trennen im Restmüll
20 Prozent
Der Anteil der Kunststoffverpackungen soll laut ARA durch die Vereinheitlichung der gelben Tonne im Recycling um so viel steigen
Gelbe Tonne
In Wien sind 18.300 gelbe Tonnen an 2.200 Standorten von der Umstellung betroffen. Dazu kommen rund 45.000 Haushalte, die mit dem gelben Sack ausgestattet sind
Rund 18.300 gelbe Tonnen auf 2.200 öffentlichen und privaten Standorten sind in Wien von der Umstellung betroffen. Neue Tonnen wird es deshalb aber nicht geben. Das ist der MA 48 zu kostspielig – und sei nicht wirklich ressourcenschonend. Stattdessen habe man sich für einen Zusatzaufkleber entschieden, der auf den bestehenden Tonnen angebracht wird und die neue Trennungsmethode erklären soll. Wie das Pickerl genau aussehen soll, will die MA 48 derzeit aber noch nicht verraten. Da sei man noch in Abstimmung, sagt Sprecherin Nicole Puzsar. „Er wird aber in jedem Fall vor Neujahr präsentiert.“ Angebracht werden die Aufkleber dagegen erst im Laufe des Jahres: „Bei diesen kalten Jänner-Temperaturen halten sie nicht“, sagt Puzsar.
Die Vereinheitlichung bringt aber nicht nur Vorteile: Im Bereich der gelben Tonnen rechne man mit „deutlichen Müll-Mehrmengen“, sagt Puzsar. „Gewichtsmäßig wird es bestimmt überschaubar sein, allerdings wird das Volumen steigen.“ Wie groß die Mengen tatsächlich sein werden, wisse man nicht. „Das hängt davon ab, wie viele Menschen sich an der neuen Sammlung beteiligen werden.“
Mehr Recyceln durch weniger Trennen. Was für geübte Mülltrenner zunächst paradox klingen mag, macht der derzeitige Stand der Technik möglich. Seit einiger Zeit gibt es laut dem Sammel- und Verwertungsunternehmen ARA (Altstoff Recycling Austria) deutliche Fortschritte bei der Recyclingfähigkeit unterschiedlicher Verpackungsmaterialien sowie bei den Technologien der Sortieranlagen.
Getrennt wird also nicht mehr vom Konsumenten händisch zu Hause, sondern in den automatisierten Sortieranlagen. Die verschiedenen Materialien auf dem Förderband werden anhand von Nahinfrarot erkannt und mittels Druckluft ausgeblasen und voneinander getrennt.
Dass die Leichtverpackungssammlung mit Jahresbeginn österreichweit vereinheitlicht wird, sei nicht nur für die Kunden von Vorteil, sondern vereinfache auch das Recycling, sagt Simone de Raaij, Pressesprecherin der ARA.
20 Prozent mehr Müll
Allerdings werde dadurch auch eine deutlich größere Müllmenge in den Sortieranlagen landen. „Wir rechnen für 2023 mit einem Sammelplus von 20 Prozent bei den Kunststoffverpackungen“, sagt de Raaij. Aufgrund dessen habe sich die ARA – die die Sortierung und das Recycling bisher nur koordiniert – dazu entschieden, ihre erste eigene Sortieranlage im oberösterreichischen Ennshafen zu bauen.
Die 15 bereits bestehenden Sortieranlagen würden jeweils Sortierkapazitäten von 1.000 bis 30.000 Tonnen jährlich erreichen, sagt de Raaij. Die Sortieranlage in Oberösterreich dagegen soll allein schon 100.000 Tonnen jährlich verarbeiten können.
Die Anlage sei derzeit noch in Planung. Sobald die neue „Verpackungsverordnung“ 2025 in Kraft tritt, soll sie aber fertig sein, sagt de Raaij.
Mehr Tonnen soll es deshalb aber nicht geben. Stattdessen verdichtet die MA 48 ihre Abholintervalle, um Überfüllungen zu vermeiden. „Es gibt nicht überall genügend Platz für mehr Tonnen, weshalb wir künftig die Abholung an den Bedarf anpassen“, sagt Puzsar. Wie genau die neuen Intervalle aussehen werden, werde sich aber erst im Jänner zeigen, wenn eben feststeht, wie viele Menschen sich an der neuen Mülltrennung beteiligen.
Gelber Sack
In Niederösterreich dagegen, wo zahlreiche Haushalte mit dem gelben Sack ausgestattet sind, werden sich künftig 13 statt zehn Säcke auf den gratis zur Verfügung stehenden Rollen befinden.
Zusätzlich zu den 300.000 Tonnen an bisher gesammelten Leichtverpackungen sollen damit weitere 7.000 Tonnen zusammengetragen werden, heißt es von den Umweltverbänden.
Von langer Dauer wird die Vereinheitlichung der gelben Tonne aber nicht sein: 2025 soll ein österreichweites Pfandsystem auf Kunststoffgetränkeflaschen und Getränkedosen eingeführt werden. Spätestens dann wird es neue Tonnen brauchen, sagt Puzsar. Und die Menschen werden sich wieder umstellen müssen. Mülltrennen will eben gelernt sein.
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