Eine Gasse wie eine Wiener Melange

Ledls Lokals ist Kaffeehaus und Buchhandlung in einem
Immer mehr Kreative zieht es in die Reindorfgasse. Seit Montag gibt es ein neues Buchcafé.

Buchcafé Melange. So heißt das neue Geschäft mit den kaffeebraunen, vollgeräumten Regalen und den geschwungenen Sesseln in der Reindorfgasse 42. Neo-Lokalchefin Romana Ledl hat in den vergangenen Wochen ihre gesamte Energie in dieses, ihr erstes Geschäft gesteckt, in dem es am Montag das "Soft Opening" gab.

Die im Lokalnamen angesprochene Melange lässt sich nicht nur als Heißgetränk auf der Theke, sondern auch im übertragenen Sinn finden: Das Geschäft ist eine Mischung aus Kaffeehaus und Buchhandlung, in den Bücherregalen befindet sich ein Mix verschiedener, in Wien gängiger Sprachen (Deutsch, Türkisch, Bosnisch-Serbisch-Kroatisch und Englisch).

Quell und Mafiosi

Für ihre mehrsprachige Kaffeehaus-Buchhandlung wollte Ledl in ein Grätzel ziehen, in dem sie diese Wiener Melange auch auf der Straße finden würde. Als sie auf die Reindorfgasse kam, wusste sie, dass sie hier richtig war.

Zur Jahrtausendwende war die Gasse noch vordergründig Ostbahn-Kurti-Fans und Studenten ein Begriff. Ersteren weil sich dort das legendäre Gasthaus Quell befindet und Ostbahn-Kurti-Erfinder Günther Brödl hier wohnte. Zweiteren wegen der billigsten Pizza in der Pizzeria Mafiosi. Heute zählt die ehemalige Kirchengasse zu den aufstrebendsten Straßenzügen Wiens. Zu verdanken ist das nicht zuletzt dem Architekten Kurt Tanner.

Eine Gasse wie eine Wiener Melange
Grätzl, Kurt Tanner
Als Tanner 2007 seinen Shop "Urban Tool" hier eröffnete, war er "ein Exot", heute zieht es – auch dank der Initiative "einfach 15" – immer mehr kreative Unternehmen ins Grätzel.

Dabei ist Tanner vor 15 Jahren zufällig in die schmale Gasse mit dem schönen Kirchenplatz gekommen – sah das Potenzial, quartierte sich mit seinem Designstudio in der Nummer 36 ein und ist seitdem darum bemüht, das Grätzel zu beleben.

Etwa mit seiner "Werkstatt" in der Nummer 30. Die ist Nähstudio und Käsekochküche, Studiensaal, Festivalzentrale und Upcyclingstube in einem. Sie ist ein Raum, in dem die Anrainer ihre Ideen verwirklichen können.

Feste feiern

Ein Stück bergauf, in der Nummer 39, eröffnete Katja Krüger-Schöller vor drei Jahren ihren Shop "Metaware", ein Geschenkladen für Nerds und Geeks. Es gibt "Doctor Who"-Tassen und vegane Seifen von "Servas Gschäft", ein Nintendo-Monopoly und ein Hipsterquartett. Die Reindorfgasse war ihr vom alljährlichen Reindorfgassenfest ein Begriff gewesen. Für ein eigenes Geschäft kam eigentlich keine andere Lage in Frage: "Weil sich hier gerade viel tut."

Eine Gasse wie eine Wiener Melange
Grätzl, Kurt Tanner
Das Erdgeschoßlokal teilt sie sich mit dem ebenfalls Comic-Begeisterten Richard Pyrker, der eine eigene PR- und Social-Media-Firma führt.

Gemeinsam mit dem Concept Store "Block 44", der sich genau gegenüber befindet, veranstalten sie mittlerweile ihr eigenes jährliches Fest, die "Blockparty", die noch mehr Menschen auf das Grätzel aufmerksam machen soll.

Aufmerksam auf die Gasse ist auch die Universität Wien geworden. Unter dem Titel "Beyond Gentrification" läuft derzeit eine internationale Forschungsstudie. Neben Rudolfsheim werden Stadtteile in Istanbul und Zürich hinsichtlich der Frage "Wie lebt man in einer sich verändernden Nachbarschaft?" untersucht und verglichen. Die Ergebnisse werden demnächst präsentiert.

Was braucht die Reindorfgasse, um sich zu verbessern? Da muss Kurt Tanner muss nicht lange überlegen: "Eine Begegnungszone." Damit sich die Anrainer noch besser vermischen können.

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