Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad

Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad
Das Wiener Wahrzeichen feiert heuer seinen 125. Geburtstag und erfindet sich zu diesem Anlass einmal mehr neu. Warum das nötig ist

"Am Anfang überkommt einen so ein Gefühl, wie es Seeleute im ersten Stadium haben. Ein paar Schritte in dem geräumigen Waggon, der zwanzig Sitzplätze hat, und das Gefühl ist überwunden. Es war nicht einmal unangenehm, dieses Gefühl aufsteigender Schwäche, das besiegt wird, wenn man den festen Boden unter den Füßen fühlt."

Diese Zeilen in der Arbeiter-Zeitung lassen es erahnen: Ganz wohl dürfte den Teilnehmern der Jungfernfahrt des Riesenrads am 3. Juli 1897 nicht gewesen sein. Kein Wunder: Die Konstruktion war damals eine der ersten und größten ihrer Art in Europa – und eine Fahrt damit wohl der Inbegriff eines Adrenalinkicks.

Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad

Errichtung des Riesenrads

Ähnlich lautende Berichte werden vermutlich auch diese Woche erscheinen. Wieder geht es um eine Jungfernfahrt. Und wieder wird Adrenalin im Spiel sein. Voraussichtlich ab Freitag kann man nämlich nicht nur in den 15 Waggons, sondern auch auf einer Glasplatte – der „Plattform 9“ – stehend Riesenrad fahren. Man hat dabei freie Sicht nach unten, gesichert ist man lediglich mit einem Seil.

Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad

Das ist definitiv nur etwas für starke Nerven. Und ein neues Kapitel in der mittlerweile 125-jährigen Geschichte des Riesenrads. Damit wird dieses – einmal mehr – neu erfunden. Denn eine gemächliche Panoroma-Fahrt alleine, die ist schon längst nicht mehr genug: Um neben den anderen, immer wilderen Attraktionen im Prater zu bestehen, braucht das Riesenrad gelegentlich einen neuen Dreh.

Nora Lamac, Geschäftsführerin des Riesenrads, formuliert es so: „Alles wird schneller und adrenaliniger. Nichts kickt uns mehr so richtig.“ Zwar müsse das Riesenrad da nicht zwangsweise mithalten: Der Umstand, dass es eines der Wiener Wahrzeichen ist, sei immerhin ein Alleinstellungsmerkmal. Aber: Die Zielgruppe für Spielereien wie die „Plattform 9“ sei bereits vor Ort. „Und je mehr Besucher wir ansprechen, desto besser.“

Zusatzangebote

Billig ist eine Fahrt mit der neuen Attraktion nicht: Das rund 15-minütige Abenteuer schlägt mit 89 Euro zu Buche. Dieser saftige Preis ist ein Brückenschlag in die Geschichte: Überlieferungen zufolge sollen Fahrten im Verhältnis zu den Löhnen einst sehr teuer gewesen sein. Dem Riesenrad haftete daher etwas Luxuriöses an. Auch deshalb wurde es zum Anziehungspunkt.

Lange verließ man sich auf die Strahlkraft des Riesenrads alleine. Erst 2002 – also vor 20 Jahren – kamen die ersten Zusatzangebote. Das Kassahäuschen wurde um Restaurant, Museum, Souvenir-Shop und Fotostation ergänzt. Kurzum: Das Riesenrad wurde stärker als Touristenattraktion aufgezogen.

Um den Wienern ebenfalls mehr zu bieten, funktionierte man fünf Waggons in Speise-Waggons um: In diesen kann man zum Beispiel frühstücken oder zum Dinieren bei Kerzenlicht einkehren. Im Lauf der Jahre machte man auch Konzerte, Hochzeiten und PR-Events möglich.

Mit der „Plattform 9“ hofft Lamac nun wieder verstärkt Wiener Publikum anzulocken. „Die Leute identifizieren sich zwar sehr stark mit dem Riesenrad. Viele fahren aber nur einmal in ihrem Leben, andere nie damit.“ Dieser Gruppe will man einen Anreiz bieten.

Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad

Geschäftsführerin Nora Lamac

Bei Neuerungen sei jedenfalls Behutsamkeit gefragt: „Die Plattform stört nicht in der Optik, das war uns wichtig“, sagt Lamac. Und tatsächlich: Von unten fällt die Konstruktion nicht auf.

Auferstehung

Mit welchen Kick man wohl in 20 Jahren Besucher locken werde? Lamac hat eine klare Vorstellung: mit Augmented Reality („erweiterte Realität“). Über Spezial-Brillen könnten Betrachtern des Riesenrads historische Ereignisse gezeigt werden – etwa der Brand im Jahr 1944.

Ein neuer Dreh für das Wiener Riesenrad

Das schwer beschädigte Riesenrad 1944

Zum heurigen Jubiläum verlässt man sich, was das Erleben von Geschichte betrifft, jedoch auf Bewährtes. Ab 25. Juni werden Schauspieler eine Woche lang rund um das Riesenrad in die Rolle historischer Persönlichkeiten schlüpfen. Aus deren Perspektive erzählen sie den Besuchern die Geschehnisse nach.

Manchmal geht es eben auch ganz ohne Adrenalin.

Kommentare