Donaustadt: Nur acht Kinderärztinnen und -ärzte mit Kassenvertrag

Hat das Kind schweren Husten und seit Tagen Fieber, wir beim Arzt oder der Ärztin meist erst einmal die Lunge abgehört.
Daniela Zaknun ist seit "100 Jahren" Kinderärztin, wie sie selbst sagt. Seit 2014 betreibt sie die "Kids are Us"-Kinderarztpraxis und Tagesklinik im Gesundheitszentrum Med 22 in Wien-Donaustadt.
"Früher hat man hier nur Felder gesehen, wenn man aus dem Fenster geschaut hat", erzählt Zaknun im Gespräch mit dem KURIER. Heute, mehr als zehn Jahre später, ist das anders.
Aufgrund zahlreicher Wohnbauprojekte ist die Donaustadt in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Heute ist sie mit rund 220.000 Einwohnerinnen und Einwohnern der bevölkerungsreichste Bezirk der Stadt, gut 48.000 davon sind unter 19 Jahre alt.
Dennoch ergibt eine Suche nach Kinderärztinnen und -ärzten mit Kassenvertrag im Bezirk nur acht Treffer. Eine dieser Ärztinnen ist Daniela Zaknun. "Laut unserem Vertrag mit der ÖGK sind wir verpflichtet, an vier Tagen pro Woche insgesamt maximal 20 Stunden geöffnet zu haben. Mittlerweile haben wir aber eine 65-Stunden-Woche und an sieben Tagen geöffnet", erzählt sie. Bis zu 100 Patientinnen und Patienten kommen täglich in ihre Praxis, Stehzeiten, sagt Zaknun, gebe es kaum.
Sozialmedizin geht verloren
Die Versorgungssituation ist auch Thema in der Bezirkspolitik. Caroline Hungerländer (ÖVP), Gemeinderätin der Donaustadt, sagt: „Die Bevölkerung der Donaustadt wächst exorbitant aber die Infrastruktur wird nicht im gleichen Maß ausgebaut. Unser Bezirk ist zwar so groß wie eine Stadt und hat ebenso viele Einwohner und trägt sogar ,Stadt' im Namen, aber wir werden nicht wie eine Stadt entwickelt, sondern wie eine Art Wohnbaureservoir. Wir brauchen einen Plan zum Ausbau der ärztlichen Versorgung und der Infrastruktur in der Donaustadt. Nur Wohnungen errichten ist zu wenig.“
Die Mehrbelastung, die sie und ihr Team erleben, betont Zaknun, liege nicht an den Kindern und Jugendlichen: "Wir mögen die Kinder, darum sind wir ja da! Das Problem ist, zum einen, dass es immer schwieriger wird, Personal zu bekommen. Aber auch, dass immer mehr Ärzte in die Privatordination gehen, statt in die Kassenordination." Das Prinzip der Sozialmedizin - "Medizin von allen für alle" - gehe dadurch verloren. "Es ist ethischer einen Kassenvertrag zu haben", sagt sie. "Ein Baby ist ein Baby."
Vielfalt leidet
Doch um allen Kindern gerecht zu werden, brauche es vor allem eines: Zeit. Und bei 100 Patienten in zehn Stunden blieben pro Kind nur wenige Minuten. "Natürlich gehen dann die, die es sich leisten können zum Privatarzt, der an einem Nachmittag nur fünf Patienten behandelt", sagt Zaknun. Damit gehe aber die Vielfalt der Patienten verloren - und für all jene, die sich keinen Wahlarzttermin leisten können, stehen viel zu wenige Kassenordinationen zur Verfügung. Gleichzeitig steige aber die Wahlarztdichte, so Zaknun.
Das ist nicht nur ein Problem der Donaustadt: Die Zahl der Kassenärzte in Wien ist derzeit auf einem historischen Tiefstand. Derzeit gibt es 1.546 Kassenärzte, 2010 waren es noch 1.745. Gleichzeitig ist die Einwohnerzahl auf über zwei Millionen gestiegen. Unterm Strich bedeutet das: Für die Wiener Bevölkerung stehen um 26 Prozent weniger Kassenärzte zur Verfügung als noch vor 15 Jahren.
Zurück zur Donaustadt: Bis 2038 ist hier laut Stadt Wien mit einem weiteren Bevölkerungswachstum von 17 Prozent zu rechnen. Wenn sich also nichts ändert, wird sich die Versorgungssituation weiter verschärfen. Zaknuns Wunsch an die Gesundheitspolitik ist klar: "Die Kassenverträge sollten die Situation abbilden, Kassenärzte sollten den Wahlärzten gleichgestellt werden." Muss der Beruf "Vertragsarzt" attraktiver werden? Nein, sagt Zaknun. "Der Beruf ist superattraktiv. Aber wir gehören respektiert."
Klarheit: Die wichtigsten Begriffe
Die Donaustadt ist mit 102,3 km² Wiens flächenmäßig größter Bezirk. 2024 lebten 220.794 Menschen in der Donaustadt. Der Bezirk ist aber nicht nur beliebte Wohngegend, sondern auch ein beliebtes Erholungsgebiet: So verlaufen etwa Teile der Donauinsel durch die Donaustadt, auch das Erholungsgebiet Lobau befindet sich im 22. Bezirk. Nicht zu übersehen sind die Hochhäuser der Donaucity und der DC Tower. Bezirksvorsteher ist Ernst Nevrivy (SPÖ).
ÖVP steht für Österreichische Volkspartei. Gegründet wurde sie 1945 in Wien als Nachfolgepartei der Christlichsozialen Partei. Die Parteifarbe der ÖVP ist Türkis (das frühere Schwarz wird aber auch noch verwendet). Sie vertritt das bürgerliche, konservative Spektrum und gilt traditionell als der Wirtschaft, den Bauern und der römisch-katholischen Kirche nahestehend – sie wird daher als Mitte-rechts-Partei eingeordnet. Von 1996 bis 2001 war die Wiener ÖVP Teil der Stadtregierung, stellte bisher aber nie den Bürgermeister. Parteichef in Wien ist aktuell Karl Mahrer.
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