Alarmierend: Nur 40 Prozent der Kinderärzte haben Kassenvertrag

60 Prozent der niedergelassenen Kinderärzte haben keinen Kassenvertrag.
Kindergesundheit wird in Österreich immer noch stiefmütterlich behandelt, wie auch ein Blick in die Statistik zeigt. Für 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche gibt es gerade einmal 300 niedergelassene Kinderärzte und -ärztinnen mit Kassenvertrag, was bedeutet, dass nur 40 Prozent einen Kassenvertrag haben.
In Wien bedeutet das, dass mittlerweile jede zweite Praxis keine neuen Patienten mehr aufnimmt und man im Schnitt drei Monate auf einen Termin bei einer Facharztpraxis wartet.
Das SOS-Kinderdorf fordert einen Notfallplan für die Kinder- und Jugendgesundheit in Österreich und stellt sechs Forderungen an die Regierung.
- Prävention: Birgit Schatz, Kinderrechtsbeauftragte von SOS-Kinderdorf, fordert, dass junge Menschen, aktiv unterstützt werden, psychisch und physisch gesund zu bleiben. Hier seien alle Politikbereiche gefragt, allen voran die Bildung, aber auch Raumplanung, der Gesundheitsbereich oder die Verkehrspolitik.
- Beteiligung: Laut Kinderrechtskonvention haben Kinder das Recht mitzubestimmen, wo ihnen das möglich ist. Sie wissen zum Beispiel sehr gut, welche Umgebung sie benötigen, um gesund aufzuwachsen. Mitspracherecht fordert Schatz auch in den Krankenhäusern.
- Kindgerechte Kommunikation: Man kann Dinge so erklären, dass die Kinder und Jugendlichen sie auch verstehen, das gilt insbesondere in Spitälern und Arztpraxen. "Wir müssen das medizinische Personal und alle, die mit jungen Menschen zu tun haben, in diesem Bereich schulen", sagt Schatz.
- Kindgerechte Spitäler: Zu einem kindgerechten Gesundheitssystem gehöre auch, die Krankenhäuser familienfreundlicher zu gestalten. Als Positivbeispiel nennt Schatz hier das St. Anna-Kinderspital.
- Medizinische Versorgungslücke schließen: "Für eine flächendeckende und leistbare Versorgung braucht es mehr Fachärzte und -ärtzinnen mit Kassenvertrag", fordert Schatz. Nicht nur in der Kinderheilkunde, sondern auch in anderen Fächern, die sich auf Kinder spezialisiert haben, etwa Zahnärzte oder Orthopäden. Aber auch bei Therapeuten ist der Mangel an leistbaren Therapien eklatant. Darauf weist Christoph Schneidergruber hin, der die Kinder- und Jugend-Ambulatorien in Kärnten leitet. Dort sind Psychiater, Psychotherapeuten, Psychologen, Ergo- und Logopäden angestellt. "Derzeit betreuen wir 700 junge Menschen, aber der Bedarf ist doppelt so groß." Die langen Wartezeiten seien fatal, weil so Langzeitfolgen riskiert werden. "Niemand würde bei einem Brand tatenlos zuschauen und in Kauf nehmen, dass es zum Flächenbrand kommt", merkt Schneidergruber an. Beim Thema Kindergesundheit riskiere man genau das.
Gesundheitsdaten: Ohne Zahlen kann man nicht planen, doch wenn es um Kindergesundheit geht, fehlen diese. "Die Zahlen über die Fachärzte haben wir aus Beantwortungen parlamentarischer Anfragen und Angaben der Ärztekammer", sagt Schneidergruber. "Um planen zu können, müsste man aber auch wissen, wie es um die Gesundheit der Kinder bestellt ist - und dazu gibt es keine Zahlen."
Derzeit sei es oft eine Frage der finanziellen Mittel in den Familien, ob ein Kind die nötige Therapie bekommt, weil Eltern auf Wahlärzte oder private Therapeuten zurückgreifen. Laut SOS-Kinderdorf ein "unhaltbarer Zustand". SOS-Kinderdorf hat deshalb eine Petition gestartet, die eine Gesundheitsversorgung aller Kinder sicherstellt. . Rund 5.000 Menschen haben bereits unterschrieben: www.sos-kinderdorf.at/petition.
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