Historischer Tiefstand: Noch nie gab es so wenige Kassenärzte in Wien

Tief durchatmen! Die Zahl der Kassenärzte nimmt in  Wien  dramatisch ab. Nur noch 1.546  gibt es für zwei Millionen Menschen.
Seit 2010 kam es zu einem Rückgang um 26 Prozent bei den Kassenstellen. Die Politik sucht jetzt vor der Wien-Wahl nach Lösungen.

Die Anzahl der Kassenärzte in der Bundeshauptstadt hat einen neuen, historischen Tiefststand erreicht: Derzeit gibt es in Wien nur  noch 1.546 Kassenärzte – 2010 waren es noch 200 Stellen mehr, nämlich  1.745.

Die Dramatik der Entwicklung ergibt sich aber erst aus dem Bevölkerungswachstum in den vergangenen Jahren: Da Wien nunmehr eine Zwei-Millionen-Metropole ist, ist es seither zu einem realen Minus von 26 Prozent an Medizinern (gemessen an der Bevölkerung) gekommen.

Zwangsläufig ergeben  sich dadurch die bekannten Belastungen für die Bevölkerung – wie elendslange Wartezeiten oder gar Absagen für Neupatienten sowie die Flucht ins extra zu bezahlende Wahlarztsystem. Laut Daten der ÖGK (Gesundheitskasse) ist die Lage vor allem in den großen Flächenbezirken prekär: In Favoriten kommen gerade einmal 6,5 Kassenärzte auf 10.000 Bewohner (minus 30 Prozent gegenüber 2010), in der Donaustadt sind es 6,88 Mediziner (minus 20 Prozent). 

Zugleich geht die Schere zum Wahlarztsystem immer weiter auf:  Gab es 2010 „nur“ 3.000 Wahlmediziner, sind es nunmehr schon 4.413 – gemessen an der Einwohnerzahl ein Zuwachs um mehr als ein Fünftel.

ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec hat in SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker einen Schuldigen dafür ausgemacht. „Es gibt für die Wiener Patienten nur Stillstand und Verschlechterung. Dabei wäre der Reformbedarf im Wiener Gesundheitswesen riesig.“

Podiumsdiskussion der Ärztekammer

Der Diagnose des Reformbedarfs  stimmten auch alle Parteienvertreter bei einer Podiumsdiskussion der Wiener Ärztekammer im Josephinum zu. Unter Moderation von KURIER-Herausgeberin  Martina Salomon wurden vor interessiertem Publikum Auswege aus der Negativspirale gesucht. 

Hacker verwies zwar auf die  „österreichweit  kürzesten Wartezeiten“, gab aber  eine „Reihe von Problemstellungen“ zu.  Ein Ansatz sei, ein neues Karrieremodell zu entwickeln, in dem erfahrene Mediziner ihr Wissen an die nächste Generation weitergeben. Sein pinker Koalitionspartner verlangt in der nächsten Legislaturperiode aber endlich Strukturreformen. Und: „Der Druck auf die Ordinationen ist hoch – die Kassenverträge müssen deutlich verbessert und die Gesprächszeiten honoriert werden“, findet Neos-Gesundheitssprecher Stefan Gara.

Versorgungsregion Ost als Lösung?

FPÖ-Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl ist skeptisch, dass die 5,5 Milliarden schwere Investition in die Spitäler-Infrastruktur Früchte tragen wird:  „Dieses Milliardenprogramm ist notwendig, um das Gesundheitssystem zukunftsfit zu machen – die Frage ist, ob die Stadt Wien das auch tatsächlich umsetzen kann.“ 

Grünen-Vertreterin Barbara Huemer sieht indes in einer besseren Zusammenarbeit mit den anderen Bundesländern den Königsweg aus der Misere: „Ich würde mir wünschen, dass wir eine Versorgungsregion Ost schaffen.“

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