Die Schulen zweiter Klasse

Die Schulen zweiter Klasse
In Wien gibt es 222 Containerklassen an 46 Schulen. Aus einer temporären Lösung wurde längst eine Dauereinrichtung.

Rafael denkt lange nach, ehe er antwortet. Der 14-Jährige hat im Laufe seiner kurzen Schulkarriere schon mehrere Klassen von innen gesehen. „Mit dem Container hab ich kein Problem“, sagt er dann. Im Gegenteil: „Es hat für uns auch Vorteile“, ergänzt Klassenkameradin Tatjana. „Wir können in jeder größeren Pause in den Hof. Kinder aus dem Stammhaus dürfen das nicht, weil die Zeit zu knapp ist.“ Es ist Dienstagvormittag. Der Geschichtsunterricht ist gerade aus und die Biologiestunde hat in der überraschend hellen, aber doch recht beengten Klasse noch nicht begonnen.

Die Kooperative Mittelschule Enkplatz ist eine von 46 Schulstandorten in ganz Wien, die über einen oder mehrere der insgesamt 222 Containerklassen verfügt. Es sind Klassen, um die nun seit Tagen nicht zum ersten Mal helle Aufregung herrscht.

Georg Kudrna und Magdalena Haberler von der Schülerunion schlagen Alarm. Sie berichten von Schulen zweiter Klasse. „Wir haben nichts dagegen, wenn die Stadt wegen Umbauten Containerklassen aufstellt“, sagt Kudrna. „Aber aus einer temporären Lösung wurde längst eine Dauereinrichtung.“

Der Blick ins Archiv zeigt, dass die Stadt seit den 70er- Jahren Container auf Sportplätzen und Pausenhöfen aufstellt, um schwankender Schülerströme Herr zu werden. Mittlerweile gibt es vier Standorte, die ausschließlich aus Containern bestehen. Zwei von ihnen werden bald durch neue Gebäude ersetzt.

Breite Front

„Es ist nicht okay, dass das Schulalltag ist. Im Sommer oft zu heiß und im Winter mancherorts zu kalt“, sagt Haberler. Nicht nur ÖVP und FPÖ haben sich der Kritik der Schülerunion längst angeschlossen; im KURIER lässt auch der grüne Koalitionspartner Kritik an der roten Containerpolitik aufkommen: „Das ist schon das Ergebnis eines Planungsversäumnisses“, sagt die grüne Bildungssprecherin Martina Wurzer. „Das kann nur eine temporäre Lösung sein. Unser Ziel muss lauten, dass vorausschauende Bildungspolitik in zehn Jahren mobile Klassen obsolet macht.“

Ein nur schwacher Trost sei es auch, wenn sich Schüler und Lehrer so wie am Enkplatz mit den Boxen aus Stahl oder zunehmend auch Holz abgefunden haben. Denn selbst ein KURIER-Rundruf bei Direktoren und Schulsprechern zeichnet ein tendenziell gleichgültiges bis positives Bild. Der Tenor lautet: „Wir Schüler haben uns daran gewöhnt“ oder „als Direktor bin ich dankbar um den zusätzlichen Raum“.

Stadtrat kontert

Im Büro von Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) heißt es: „Ohne mobile Klassen wäre es unmöglich, dass 98 Prozent der Eltern ihr Kind in eine Wunschschule geben.“ Containerklassen seien auch kein Ersatz für Neubauten oder Sanierungen. „In fünf neue Campusstandorte wurden und werden 194 Millionen Euro investiert. In Sanierungen fließen jährlich 50 Millionen.“

Anders als Vorgängerin Grete Laska, verkauft Oxonitsch die Containerklassen auch nicht mehr nur als „temporäre Lösung“. „Temporär ist ein dehnbarer Begriff“, sagt er. „Es gibt Standorte, wo mobile Klassen kurzfristig zum Einsatz kommen. Andernorts stehen sie auch auf Wunsch der Schulen länger.“ Das dürfte in absehbarer Zeit so bleiben. Der Forderung der FPÖ, ab 2013 keine Containerklassen mehr aufzustellen, will er nicht nachgeben. „Die Technologie wird sich immer wieder ändern“, sagt Oxonitsch, „mobile Klassen werden aber bleiben, um flexibel agieren zu können.“

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