Des Bürgermeisters neue Hosenträger

Des Bürgermeisters neue Hosenträger
Michael Ludwig trägt sie oft und gerne. Ist das authentisch oder reine Inszenierung?

15.  Oktober 2018: Der Bürgermeister zeigt, wie  man eine Herzdruckmassage durchführt.

19. Oktober 2018: Der Bürgermeister spielt bei der Game City im Wiener Rathaus eine Runde Gran Turismo.

27. März 2019: Der Bürgermeister liest Schülerinnen und Schülern im Rathaus Sagen vor.

Was das für eine eigenartige Aufzählung von Terminen des Bürgermeisters ist? Bei allen trug Michael Ludwig Hosenträger. Einmal die roten, einmal die mit dem blauen Streifen am Rand und einmal die blau-beigen.

Und wie der KURIER erfuhr, hat Thomas Wurzer, einer der letzten Hosenträgerschneider Wiens (Manufaktur Karlinger), demnächst einen Termin im Büro des Stadtchefs. Hausbesuche macht der Schneider normalerweise nicht. „Aber wenn der Bürgermeister anruft, dann schaue ich da natürlich hin“, sagt Wurzer.

Des Bürgermeisters neue Hosenträger

Thomas Wurzer ist einer von Wiens letzten Hosenträgerschneidern.

Was Wurzer nicht weiß: Michael Ludwig hat längst von ihm handgefertigte Hosenträger. Seine Frau Irmtraud hat ihm welche geschenkt.

Dass Politiker Hosenträger tragen, kommt selten vor. Der Gürtel ist meist die erste Wahl zum Anzug. „Politiker, die Hosenträger tragen, heben sich von anderen Politikern ab“, sagt der Schneider. Hosenträger seien markant, ein Erkennungsmerkmal.

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Ein Arbeiter

Früher hatten Hosenträger ausschließlich einen praktischen Grund: Sie sollten verhindern, dass die Hose hinunterrutscht. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Menschen kein Geld, um sich neue Hosen zu kaufen. Man nahm die alten und fixierte sie mit Trägern. Auch bei Arbeitshosen wurde das so gehandhabt.

Heute sind Hosenträger vor allem ein modisches Statement: Männer tragen sie beim Poltern und beim Heiraten. Kaum eine Bar kommt ohne Kellner mit Hosenträgern aus, kaum ein Barber-Shop ohne bärtigen Stylist mit Hosenträgern.

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Auch der Bürgermeister trägt sie oft und gerne. Sogar auf Plakaten ist er damit abgelichtet. Von Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) hat Ludwig zu Weihnachten Hosenträger geschenkt bekommen – in rot-grünem Karo-Muster. 

Sein Faible für Hosenträger hat zwei Gründe, erzählt er dem KURIER: „Der erste Grund ist, dass der Kabarettist Bernhard Ludwig in seinem Programm ,Anleitung zum Herzinfarkt‘ gesagt hat; Wenn man einen Infarkt bekommen möchte, möge man einen Tipp beherzigen: Immer Gürtel tragen und am besten ganz eng.“

Der zweite Grund ist profaner: Für Männer in Spitzenpositionen sind Hosenträger (genauso wie Krawatten) die einzige Möglichkeit, ein farbliches Statement zu setzen.

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Einer von uns

Aber auch Inszenierung hat damit zu tun. Stilexpertin Elisabeth Motsch sagt: Wenn Ludwig Hosenträger trägt, wirke er „bodenständig“. Politiker könnten so auch eine Botschaft senden. „Der Bürgermeister etwa signalisiert damit: Ich bin einer von euch. Ich will mich nicht von euch abheben.“

Und er zeige damit auch, dass er sich „nicht die Hosen runterziehen“ lasse. Schneider Wurzer formuliert es so: „Ein Mensch, der Hosenträger trägt, zeigt, dass er alles im Griff hat.“

Politische Inszenierung über Mode gab es immer. Bestes Beispiel: Jörg Haider. Er war der erste, der unter seinem Sakko T-Shirt trug. Für fast jeden Termin zog er sich um. Bei der Blasmusik trug er den braunen Kärntner Anzug, in der Disco war er stylisch. Bei Christian Kern und Sebastian Kurz waren es die modischen Slim-Fit-Anzüge.

Dass Kurz (anfangs) keine Krawatte trug, wurde ebenso thematisiert, wie bei der Angelobung Werner Koglers als Vizekanzler. „Das sind Statements, die bewusst gesetzt werden“, sagt Heidi Glück. Und sie muss es wissen. Glück war die Sprecherin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Dieser trug jahrelang Mascherl, bis sie gegen ihn verwendet wurde.

Kurz vor dem Abschluss des Lissabon-Vertrags erschien in der französischen Le Monde ein durchgestrichenes schwarz-blaues Mascherl. Es war der letzte Tag, an dem Schüssel Masche trug.

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Schüssel und Haider unterzeichneten die Präambel für ein schwarz-blaues Koalitionsprogramm

Zu den Hosenträgern von Michael Ludwig sagt Glück: „Die kauft man ihm ab.“ Ludwig zeige, dass er „näher bei den Leuten ist.“

Und ja, auch Michael Ludwig gibt zu, dass die Hosenträger auch ein bisschen was von Inszenierung haben. „Sie sind ein leicht subversives Zeichen gegen die Slim-Fit-Anzüge.“

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