Heeres-Experte: "Leistungsschau zeichnet falsches Bild der Leistungsfähigkeit"
Nach der Absage der traditionellen Leistungsschau des Bundesheers am Nationalfeiertag gibt es Kritik an den Sparplänen des neuen Verteidigungsministers. So will etwa FPÖ-Chef Norbert Hofer die ersatzlose Streichung nicht ohne weiteres hinnehmen. "Diese Veranstaltung ist Teil der österreichischen Identität. Wir werden uns daher im Parlament dafür einsetzen, dass der Bund kurzfristig Mittel bereitstellt, um die Leistungsschau 2019 durchzuführen", sagte er. Gleichzeitig nahm er den früheren FPÖ-Verteidigungsminister Mario Kunasek, der für das aktuelle Budget verantwortlich zeichnet, in Schutz indem er sich bei ihm dafür bedankte, dass er in seiner Amtszeit "wie ein Löwe" für eine gute finanzielle Ausstattung des Bundesheers gekämpft habe.
Warum eigentlich, Gerald Karner
Kunasek wiederum meint im Gespräch mit dem KURIER zur Causa: "Ich verstehe die Kommunikationsstrategie des neuen Ministers nicht. Dauernd zu erzählen, was alles nicht geht, wird nicht die Moral im Bundesheer heben. Die Leistungsschau am Nationalfeiertag ist ein fixer Bestandteil des Budgets und gibt es seit 20 Jahren. Dieses Vorgehen erinnert an Zeiten von Gerald Klug.“
Auch kämen die Probleme nicht überraschend: Schon unter seiner Zeit als Minister habe der Generalstab eine Broschüre erstellt, in der der Notstand des Bundesheeres erstmals genau ermittelt wurde, sagt Kunasek. Trotzdem hat der FPÖ-Politiker auch Verständnis für die Situation seines Nachfolgers Thomas Starlinger: „Dass die finanzielle Situation brenzlig ist, weil momentan keine Entscheidungen in der Regierung gefällt werden, verstehe ich. Ich habe mit Norbert Hofer schon gesprochen, dass es im Parlament einen Antrag gibt, die knapp 2,6 Milliarden Euro, die Bundesfinanzrahmengesetz für 2020 vorgesehen sind, zur Auszahlung zu bringen. Das nimmt zumindest den finanziellen Druck raus“.
"Fragwürdige Entscheidung"
ÖVP und SPÖ schieben sich indes gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Für ÖVP-Verteidigungssprecher Michael Hammer ist die Absage der Leistungsschau am Nationalfeiertag „eine nicht nachvollziehbare und fragwürdige Entscheidung. Es kann nicht sein, dass der Minister die Leistung der Truppe vor der Bevölkerung versteckt“, sagt Hammer zum KURIER. „Die Leistungsschau hat lange Tradition. Dieses Vorgehen ist eines Ministers unwürdig.“ Die Absage werde jedenfalls nicht akzeptiert: „Wir werden uns um eine Lösung bemühen, wie schon bei der Heeresschule.“
Schuld an der Budgemisere des Heeres sind aus seiner Sicht „jene Parteien, die die Bundesregierung per Misstrauensvotum gestürzt haben: SPÖ und FPÖ sind verantwortlich“. Das Geld fehle, weil das Budget 2019 fortgeschrieben werden müsse. Im Finanzrahmen 2020 sei ohnehin ausreichend Budget vorgesehen gewesen, sagt Hammer.
Bei dieser Aussage muss sein SPÖ-Pendent, Rudolf Plessl, nur lachen: „Wir haben schon 2018 betont, dass das Budget zu gering ist“, sagt er zum KURIER. „Jetzt haben sich unsere Befürchtungen bewahrheitet.“ Verantwortlich für die jetzige Situation sei einzig „die schwarz-blaue Regierung“, sagt Plessl. „ÖVP und FPÖ haben es nicht geschafft, die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten.“
Plessl zeigt ein gewisses Verständnis für die Entscheidung Starlingers, die Leistungsschau abzusagen. „Aber es wäre besser gewesen, zuerst mit den Wehrsprechern der Parteien zu reden.“ Auch Hammer hat kein Verständnis dafür, „dass wir aus den Medien über solche Maßnahmen erfahren“.
Einig sind sich die Wehrsprecher von SPÖ und ÖVP, dass trotz Spardruck im Heer nicht an den Auslandseinsätzen gerüttelt werden soll: „Da geht es um unsere eigene Sicherheit – etwa am Balkan – und um die Reputation Österreichs“, sagt Hammer. Er sieht jetzt den Verteidigungsminister gefordert: Dieser solle einen Situationsbericht vorlegen, damit das Parlament ein entsprechendes Maßnahmenbündel beschließen könne.
"Nicht mal mehr Pickerl für LKWs"
Auch für Neos-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos ist die Absage der Leistungsschau „grundsätzlich schade, aber nicht verwunderlich“, wie er zum KURIER sagt. „Die Budgetlage des Bundesheeres ist eine Katastrophe. Der Verteidigungsminister kann nicht einmal mehr die Pickerl für die LKWs bezahlen.“ Angesichts dieser Situation sei es „logisch, dass Dinge rausfallen“.
Dass die FPÖ nun „mit Sonderbudgets die Fehler der letzten Jahre zustopfen will“, sei der falsche Weg, sagt Hoyos. Es brauche eine nachhaltige Finanzierung. Die Entscheidung Starlingers zeige, „wie dramatisch der Zustand ist“, sagt Hoyos. „Die Mittelparteien ÖVP, SPÖ und FPÖ haben in den vergangenen Jahrzehnten das Bundesheer heruntergewirtschaftet.“ Sinnvolle, nachhaltige Reformen habe es nicht gegeben.Darum sieht der Neos-Politiker auch „nicht mehr viel Sparpotenzial beim Bundesheer“.
Das Hauptproblem aus seiner Sicht: „Das Heer hat eine Personalquote von 80 bis 90 Prozent – das haben sonst vielleicht Reinigungsfirmen.“ Nötige Materialbeschaffungen, die seit Jahren im Raum stünden, seien aufgeschoben worden. „Wir müssen uns entscheiden“, sagt Hoyos, „wollen wir das Bundesheer so erhalten oder endlich wieder auf Vordermann bringen?“ Dann seien Investitionen dringend nötig.Jetzt müssen die Karten auf den Tisch gelegt werden: Wie ist der Zustand des Heeres wirklich?
"Eine große Schrottausstellung“
Explizitere Worte findet Peter Pilz von der Liste Jetzt: „Das Bundesheer braucht eine Sofort-Hilfe.“, sagte er dem KURIER. „Das wird mindestens 50 Millionen Euro und mehr kosten.“ Das Geld soll aber nicht in die Leistungsschau am Wiener Heldenplatz fließen: Diese ist für Pilz „eine große Schrottausstellung“. Es brauche stattdessen Sofort-Maßnahmen wie den Ankauf neuer LKWs, vor allem für den Katastrophenschutz.
Als Gegenleistung müsste das Bundesheer die sofortige Einstellung des Eurofighter-Betriebs veranlassen. „Damit sparen wir uns 70 Millionen Betriebskosten im Jahr“, sagt Pilz.
Budgetprobleme waren absehbar
Für Militärexperte Gerald Karner war der Stritt Starlingers übrigens weniger fragwürdig als überfällig: "Auf die Leistungsschau sollte schon seit geraumer Zeit verzichtet werden - ebenso auf die Airpower“, sagt Karner zum KURIER, „denn da wird einfach ein falsches Bild der Leistungsfähigkeit gezeichnet.“ Die Leistung der Soldaten sei gut - das zeige sich auch jedes Jahr bei internationalen Militärwettbewerben -, „aber das Gerät ist bald nicht mehr einsatzbereit“.
Die Budgetprobleme des Heeres waren aus Sicht Karners absehbar: „Das Bundesheer hat jetzt seit 15 Jahren strukturell gespart, mehr geht nicht. Was jetzt läuft, sind Notmaßnahmen im Sinne von Weglassen von allem, was nicht unmittelbar der Ausbildung oder dem konkreten Einsatz dient.“ Gemeint sind Kooperationen, Veranstaltungen, Publikationen etc.. „Dies sichert allerdings nur das kurzfristige Überleben, nicht den Bestand“, so der Militärexperte.
Die Vorgeschichte: Verteidigungsminister Thomas Starlinger hatte bekanntegeben, den Gürtel enger ziehen zu wollen: Laut einem Bericht der Kleinen Zeitung soll die traditionelle Leistungsschau des Bundesheeres am 26. Oktober am Wiener Heldenplatz heuer ersatzlos gestrichen werden.
Hintergrund sind die finanziellen Probleme des Heeres. "Es wird nur die Angelobung und die Kranzniederlegung geben", bestätigt Ministeriumssprecher Oberst Michael Bauer gegenüber dem KURIER die Maßnahme. "Wir sind finanziell am Ende und es wird weitere sichtbare Einsparungen geben." Insgesamt muss das Heer noch heuer 47 Millionen Euro aus dem laufenden Betrieb einsparen, um die Personalkosten abzudecken.
Um was es sich dabei konkret handelt, werde man in den kommenden Tagen bekannt geben. Die Absage der Leistungsschau bringe dem Bundesheer jedenfalls Einsparungen von zwei Millionen Euro.
Finanzminister Eduard Müller hat Verteidigungsminister Thomas Starlinger bereits zu einer Aussprache bezüglich des Heeresbudgets eingeladen. Das Treffen findet am Freitag statt und soll dazu dienen, "die aktuelle Budget-Situation zu besprechen und die Hebung von Effizienzen in der Landesverteidigung zu analysieren", teilte das Finanzministerium mit.
"Kosten übersteigen Budget"
Minister Starlinger rechtfertigt gegenüber der Kleinen Zeitung den Schritt: "Die Kosten für das Personal und den Betrieb übersteigen das vorhandene Budget. Wir müssen daher alles, was nicht unmittelbar der Ausbildung der Soldaten und somit der Sicherheit der Bevölkerung dient, einsparen."
Die große Präsentation des Bundesheeres mit seinen Soldaten und diversen Waffengattungen gibt es nun seit knapp 25 Jahren. Anfangs war die Leistungsschau nicht unumstritten, doch in den letzten Jahren hat sie sich zu einem echten Publikumsmagneten entwickelt.
Im Vorjahr kamen etwa Hunderttausende Besucher, um an sieben Standorten rund um den Heldenplatz militärisches Gerät wie Panzer oder Hubschrauber zu erkunden. Besonders groß war der Andrang beim größten Hubschrauber des Bundesheeres: Vor dem auf der Wiese neben dem Burgtor geparkten "Black Hawk" bildeten sich lange Schlangen, vor allem Kinder wollten einen Blick ins Innere des bis zu 25 Personen fassenden Fluggeräts werfen.
Zuletzt sorgten weitere Sparpläne für Aufsehen: Betroffen von Überlegungen im Zuge eines "Kassasturzes" war die Airpower in der Steiermark (die Anfang September nun doch stattfindet) sowie die Sicherheitsschule in Wiener Neustadt (die ihren Betrieb doch aufnehmen wird).
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