Grüne fordern Begegnungszone in der Wallensteinstraße

Fünf grüne Funktionärinnen und Funktionäre posieren mit einem Rendering auf der Wallensteinstraße
Noch im Herbst soll die Bürgerbeteiligung auf Basis eines ersten Vorentwurfs starten. Der Baustart ist für 2024 vorgesehen.

Der Passant kam wie bestellt. Während die Wiener Grünen am Dienstag mit einem Rendering ihrer Vorstellung der anstehenden Umgestaltung der Wallensteinstraße in der Brigittenau vor Ort posierten, kam ein älterer Herr mit einem Einkaufstrolley des Weges, warf einen kurzen Blick auf die Grafik und kommentierte trocken: "A bissl mehr Grün geht noch, oder?"

Wasser auf die Mühlen der Oppositionspartei, fordern sie doch eine umfassende Verkehrsberuhigung inklusive einer Reduktion auf Tempo 30 und einer Begegnungszone, mehr Platz für die aktive Mobilität, also Zufußgehen und Radeln, sowie, selbstredend, deutlich mehr Grün.

"Derzeit hat die Wallensteinstraße keine Aufenthaltsqualität, aber sie hätte Potenzial", sagt Bezirks- und Bundesrätin Elisabeth Kittl. "Wir wollen sie für die Menschen zurückerobern."

Anlass für die jüngste grüne Initiative ist die Ankündigung der neuen Bezirksvorsteherin Christine Dubravac-Widholm (SPÖ), dass nach Jahren der Forderungen und des Stillstands endlich Bewegung in die Umgestaltung der Brigittenauer Verkehrsader kommen soll.

Beteiligungsverfahren im Herbst

Derzeit arbeiten die Dienststellen der Stadt an einem ersten Vorentwurf auf Basis der technischen Möglichkeiten. Noch im Sommer sollte dieser ursprünglich fertig werden, hatte Dubravac-Widholm vor zwei Monaten im KURIER-Interview angekündigt, damit man im Herbst in eine Bürgerbeteiligung gehen könne.

Wann der Entwurf genau vorliegen wird, steht noch nicht fest, der Plan, noch im Herbst - "jedenfalls vor dem Advent" - das Beteiligungsverfahren zu starten, sei aber nach wie vor aufrecht, sagt ein Sprecher der Bezirksvorstehung zum KURIER. "Es wird eine breite Diskussion zu den Vorschlägen geben."

Grüne fordern Begegnungszone in der Wallensteinstraße

Bezirksvorsteherin Christine Dubravac-Widholm (SPÖ) folgte im Juli Hannes Derfler nach, der sich überraschend zurückgezogen hatte

Genau daran zweifelt jedoch die stellvertretende Bezirksvorsteherin Barbara Pickl von den Grünen. Sie hätte sich im Sinne einer Bedarfserhebung die Einbindung der Bevölkerung schon vor dem ersten Entwurf gewünscht. Zudem habe man von der SPÖ gehört, dass zwar die Wiener Linien frühzeitig eingebunden werden sollen, aber keine anderen Player - etwa Behindertenorganisationen oder Gruppen, die sich für aktive Mobilität einsetzen.

Keine Begegnungszone wegen Bim-Verkehr

Die Wiener Linien sind wiederum dafür bekannt, sich in Straßen mit Öffi-Verkehr strikt gegen Temporeduktionen zu wehren. Und auch Dubravac-Widholm sagte bereits im Juli zum KURIER, eine Begegnungszone sei aufgrund des Bim-Verkehrs - künftig werden mit den Linien 5, 12 und 33 drei Straßenbahnlinien durch die Wallensteinstraße fahren - eher unrealistisch.

Die Grünen befürchten darum, dass es statt einer umfassenden Neugestaltung nur eine "Behübschung" geben werde. Plane man nur auf Basis des Bedarfs der Wiener Linien, gehe das auf Kosten des Grünraums, der Temporeduktion und der Aufenthaltsqualität. "Das ist keine klimagerechte Umgestaltung", sagt Pickl.

Argumentiert wird auch mit Zahlen: Im Bezirksvergleich legen die Bewohnerinnen und Bewohner der Brigittenau überdurchschnittlich viele Wege mit Öffis (mehr als 50 Prozent) und dem Fahrrad (knapp zehn Prozent) zurück. Letzteres, obwohl die Wallensteinstraße - Teil des Hauptradwegenetzes - über keine Radinfrastruktur verfügt, nicht einmal über einen (ohnehin unsicheren) Mehrzweckstreifen. Oder wie Mobilitätssprecherin Heidi Sequenz sagt: "Obwohl Radfahren hier lebensgefährlich ist."

Zudem ist das Grätzel eine der größten Hitzeinseln der Stadt und auch die Luftqualität lässt zu wünschen übrig, wie Messungen der Grünen im Jahr 2021 ergaben. So sei der Stickoxid-Wert weit über der Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO gelegen, berichtet Pickl.

Bevölkerung wünscht sich mehr Aufenthaltsqualität

Zudem wähnen die Grünen sowohl die Bezirksbevölkerung als auch die Unternehmerinnen und Unternehmer in der Straße auf ihrer Seite. Bestätigt wird das zum Teil von einer Befragung, die die Neos im Jahr 2021 durchführten. Ganz oben auf der Wunschliste: Mehr Grün, bessere Nahversorgung, Schaffen von Radinfrastruktur, mehr Platz zum Flanieren und eine Temporeduktion.

Zudem schaffte eine Petition der lokalen Bürgerinitiative "Die 20erinnen" vergangenen Herbst die Hürde von 500 Unterschriften und damit den Sprung in den Petitionsausschuss des Gemeinderats.

In der Bezirksvorstehung ist man aufgrund des grünen Vorstoßes hörbar verärgert. An den Plänen und dem Zeitplan sei "nichts Geheimnisvolles", sagt ein Sprecher, das hätten die Grünen sowohl in der Bezirksvertretung hören als auch in Interviews nachlesen können. "Befremdlich" sei es daher, nun auf diese Art und Weise "politisches Kleingeld machen zu wollen". Der "sportliche" Zeitplan sehe vor, den ersten Abschnitt zwischen Friedensbrücke und Wallensteinplatz bereits kommendes Jahr anzugehen.

Temporeduktion und Begegnungszone würden aus den angeführten Gründen nicht gehen, über deutlich mehr Grünraum und auch neue Bäume fahre hingegen "die Eisenbahn drüber", das sei Dubravac-Widholm sehr wichtig - genau so, wie "nicht über die Köpfe der Anrainerinnen und Anrainer hinweg zu entscheiden".

Der eingangs erwähnte Passant hat darin hingegen kein Vertrauen. "Die Roten da, die wollen kein Grün", sagt er, und geht seines Weges.

Kommentare