„Wenn alle Qualifikationen gleich sind, dann stehen wir dort, wo die Stadt als Arbeitgeberin fungiert, für eine bestmögliche repräsentative Abbildung der Gesellschaft ein. Wir sehen Mehrsprachigkeit als Chance, um mit und für Communitys zur arbeiten“, meint die grüne Vizebürgermeisterin, Birgit Hebein.
Für Gördü wäre das „eine Gegenreaktion zur aktuellen Benachteiligung am Arbeitsmarkt“. Die Gleichberechtigung, die es „theoretisch“ ja bereits gebe, bringe da nicht viel. In dieselbe Kerbe schlägt Dino Schosche von den „Neuen Österreichischen Organisationen“ – einem Netzwerk, das im Integrationsbereich tätig ist. Wenn die Stadt in ihren Abteilungen vielfältiger aufgestellt sein wolle, bedürfe es dafür Quoten.
„Nur die Qualifikation zählt“
Das sehen freilich nicht alle so. Bei der FPÖ spricht man von „Inländerdiskriminierung“. Und Heinz-Christian Strache verschlug es überhaupt gleich die Sprache. Er postete den grünen Vorstoß in sozialen Medien „ohne Worte“.
Kritik kommt aber auch von der Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG). „Die verlangte Bevorzugung von Migranten bei Jobvergaben der Gemeinde Wien grenzt an Verrat an der eigenen Bevölkerung“, meint FCG-Wien-Vorsitzender Thomas Rasch.
Bei der SPÖ will man alle Bewerber um Jobs bei der Stadt gleich behandeln, „nur die Qualifikation zählt“ – heißt es.
Seit 1918 dürfen Frauen in Österreich wählen. 101 Jahre später – 2019 – wurde erstmals eine Bundeskanzlerin in Österreich angelobt. Und 2020 hat erstmals eine Bundesregierung in Österreich auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis geachtet.
40,75 Prozent der Wiener Bevölkerung haben Migrationshintergrund. Ein Drittel der Wiener Bevölkerung darf nicht wählen, weil das Wahlrecht an die Staatsbürgerschaft geknüpft ist. Das sind Menschen, die zum Teil viele Jahre hier leben, sich integrieren sollen, hier etwas leisten, aber nicht an demokratischen Prozessen teilnehmen dürfen. Eine Quote ist ein Instrument, um Ungerechtigkeiten zu beseitigen und um ein Gleichgewicht herzustellen.
Es stimmt schon, eine Quote ist nie das gelindere Mittel. Sie ist die Brechstange. Aber sie wird nur deshalb eingesetzt, weil es Unternehmen, Regierungen und Vorstände viele (viele!) Jahre zuvor nicht geschafft haben, die gesellschaftliche Realität in ihren Gremien abzubilden. Dass im Wiener Magistrat künftig Migrantinnen und Migranten bei gleicher Qualifikation den Vorzug bekommen sollen, ist daher nicht nur sinnvoll, sondern längst überfällig. Wir sehen ja, wie lange das mit den Frauen gedauert hat. Und noch immer dauert.
Contra: Martin Gebhart
Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann müssen Quoten her. So sehen es all jene, die gerne die Gesellschaft verändern würden, aber an der Realität scheitern. Sie sehen das Heil in Zahlen-Verordnungen, in einer Bevölkerung, für die die Plätze auf einem Reißbrett vergeben werden müssten. Das kann nicht gut gehen und ist es bis jetzt auch nicht. Die berühmte Frauenquote ist das beste Beispiel dafür.
Sie hat die Hierarchie letztendlich nicht wirklich weiblicher gemacht, dafür aber für viel, viel Krampf gesorgt. Dass die Frauen mittlerweile eine andere, dominantere Rolle spielen, dafür haben andere Rahmenbedingungen gesorgt.
Wer eine Quotenregelung für Migranten im Öffentlichen Dienst fordert, beschreitet den gleichen Holzweg. Bei der Polizei sucht man händeringend nach Migranten, um in allen Bevölkerungsgruppen verankert zu sein. Da war keine Quote notwendig. Wirklich gelungen ist es bis jetzt noch nicht.
Ähnlich ist wohl die Situation beim Öffentlichen Dienst. Die Gesellschaft verändert sich, der Anteil der Migranten wird größer – und das führt zur Notwendigkeit, auch diese in der Verwaltung einzusetzen. Das wird in Zukunft Realität sein, ohne dass mit einer Quote nachgeholfen werden muss. Es dauert halt noch.
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