"Bitte warten": Corona-Krise verschärft Kritik am Einwanderungsamt

"Bitte warten": Corona-Krise verschärft Kritik am Einwanderungsamt
Verfahren konnten im Frühling nicht abgeschlossen werden. Generell ortet die Volksanwaltschaft weiter Missstände in der MA 35.

Erst war telefonisch niemand erreichbar, dann gingen die Unterlagen verloren und mussten noch mal geschickt werden und schließlich wurde die Spanierin Cristina C. völlig umsonst, wie sie meint, ins Amt bestellt.

Seit drei Monaten wartet die junge Mutter auf die Ausstellung einer simplen „Anmeldebescheinigung“ vonseiten der Magistratsabteilung für Einwanderung und Staatsbürgerschaft (MA 35). Ein Dokument, das EU-Bürger brauchen, die sich in Österreich niederlassen, und über das laut der Behörde in zwei Drittel aller Fälle innerhalb eines Tages entschieden wird.

Blöd für C., denn ohne die Bescheinigung kann sie weder Kindergeld noch Familienbeihilfe beantragen. Versichert hat sich die Mutter eines drei Monaten alten Sohnes nun selbst. Denn auch für den Versicherungsschutz in der Karenz ist das Dokument notwendig.
 

Der Ärger ist groß. Nicht einmal so sehr, was die Wartezeit, mehr aber, was das chaotische Vorgehen bei der MA 35 betrifft. „Ich sehe nicht ganz ein, warum über Wochen niemand abhebt“, sagt ihr Partner Johannes P.

Home Office und Corona

C. und ihr Partner sind mit ihrem Ärger nicht alleine. Erst im Februar hatten Neos lange Wartezeiten und noch längere Verfahrensdauern aufgezeigt. Mit der Corona-Krise scheinen sich die Missstände noch verschärft zu haben. Bei der MA 35 etwa wird betont, dass das Amt zwischen 16. März und 15. Mai geschlossen werden musste. Zwar wurden die postalisch oder per Mail zugeschickten Unterlagen bearbeitet, aber das sei im Homeoffice nur eingeschränkt möglich gewesen, erklärt der stellvertretende Leiter Dominik Haider.

"Bitte warten": Corona-Krise verschärft Kritik am Einwanderungsamt

Im Februar dokumentierten Neos lange Schlangen vor dem Einwanderungsamt im Meidling

Entscheidungen hätten aber nicht gefällt werden können. Denn dafür muss man laut Gesetz persönlich vorstellig werden. Um den Rückstau aufzuarbeiten, werden nun sechs zusätzliche Mitarbeiter in der Abteilung eingesetzt.

Jahrelang Probleme 

Ob das ausreicht, ist aber fraglich. Seit Jahren zeigen Stadtrechnungshof und vor allem die Volksanwaltschaft Missstände bei der Behörde auf. Letztere kritisiert in ihrem aktuellen Bericht erneut die unangemessen langen Verfahrensdauern. Im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts etwa habe es im Vorjahr 159 Beschwerden gegeben. 109 davon waren berechtigt.

In einem Fall etwa wartete eine Person mehr als fünf Jahre auf eine Entscheidung im Staatsbürgerschaftsverfahren. Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Frist von sechs Monaten. „Nicht nachvollziehbar bleibt, dass trotz jahrelanger Kritik und Aufzeigen dieser Missstände keine Maßnahmen zur Abhilfe des Problems gesetzt werden“, heißt es in dem Bericht.

"Dass es besser geworden ist, kann ich von meinem Empfinden her nicht sagen", sagt auch Martina Cerny, Geschäftsbereichsleiterin von Volksanwalt Walter Rosenkranz. Im Gegenteil. "Im Jahr 2020 haben uns bisher etwa 90 Beschwerden über die Dauer von Staatsbürgerschaftsverfahren erreicht, die Tendenz ist also steigend." 2016 und 2017 habe es rund 180, zuletzt etwa 160 Beschwerden pro Jahr gegeben.

Zwar habe die MA 35 im Jahr 2012 die eigene Behörde evaluiert, "doch aus unserer Sicht hat das nichts gebracht."

"Organisatorische Mängel"

Bei den Niederlassungsverfahren verzeichnete die Volksanwaltschaft im Vorjahr sogar einen Anstieg der Beschwerden um 100 Prozent. Auch hier: zu lange Verfahrensdauer. Akten würden liegen bleiben, Unterlagen unnötigerweise doppelt gefordert und Menschen stundenlange Wartezeiten zugemutet. Die Volksanwaltschaft spricht von organisatorischen Mängeln, die mit den „Grundsätzen einer guten Verwaltung“ nicht vereinbar seien.

Zumindest in diesem Bereich will die MA 35 mittlerweile tätig geworden sein. Nachdem es Anfang des Jahres viel mehr Anträge für Anmeldebescheinigungen gegeben hatte, wurde das Personal um elf Mitarbeiter aufgestockt. Das berichtete der damalige Leiter und nunmehrige Direktor des Stadtrechnungshofs, Werner Sedlak, im Februar. Und seit Mai ist es möglich, online Termine zu reservieren.

„Das hat dazu geführt, dass es praktisch keine Wartezeiten bei persönlicher Vorsprache im EWR-Referat (für den  Europäischen Wirtschaftsraum) mehr gibt“, sagt Interims-Leiter Haider.

Im August soll ein zweiter Standort für EWR-Bürger zusätzlich zu jenem in Meidling eröffnen. Auch mehr Personal für den Telefondienst gibt es nun.

Frau C. hat das nicht bemerkt.

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