Wieden: Betonierte Coolness

Wieden: Betonierte Coolness
Wer sich gerne vorwiegend im Grünen aufhält, ist auf der Wieden falsch. Wer Wert auf Kulinarik und Kultur legt, könnte hier aber sehr glücklich werden.

Das Wichtigste gleich vorweg: Wer sich nicht auf ewig den Unmut der Einheimischen zuziehen will, sagt „auf der Wieden“ und keinesfalls „in Wieden“.

Das hängt laut Philipp Maurer vom Bezirksmuseum mit dem ursprünglichen Namen des Gebiets zusammen: „Widum“ bedeutete so viel wie „gewidmetes Gut“. Und die Wieden befand sich von 1137 bis 1723 zum Großteil im Besitz des Domstifts von Sankt Stephan. Mit einer Weide habe die Namensgebung hingegen nichts zu tun, sagt Maurer – obwohl sich der Baum auf dem Bezirkswappen befindet.

Also.

Wer heute durch die Wieden spaziert, kann sich wohl kaum mehr vorstellen, dass hier einmal Landwirtschaft und Weinbau dominierten. Doch bis vor 200 Jahren war Wiens älteste Vorstadt noch ziemlich grün.

Zeitenwende

Das änderte sich im 18. und 19. Jahrhundert radikal. Im Zuge der Errichtung einiger Adelspaläste kam es zu einem starken Bevölkerungswachstum, das mit einem rasanten Rückgang der Grünflächen einherging.

Wieden: Betonierte Coolness
Wieden: Betonierte Coolness

Der Karlsplatz einst und jetzt

Der Verkehrsknoten hat sich kaum gewandelt. Die Bim fährt noch, die Pferdefuhrwerke nicht mehr.

Auch der Wienfluss musste im Zuge dieser intensiven Phase der Stadtentwicklung sein natürliches Bett aufgeben und wurde eingehaust.

An die gute, alte Zeit, als hier noch die Mühlen klapperten, erinnern zumindest noch manche Straßennamen wie die Schleifmühlgasse, die Heumühlgasse oder der Bärenmühldurchgang.

Älteste Vorstadt
Die erste urkundliche Erwähnung der Wieden datiert auf das Jahr 1137. Genau 600 Jahre später, 1737, wurde das bedeutendste Bauwerk des Bezirks geweiht: die Karlskirche.

Keine Rekorde
Die Wieden ist der viertkleinste Bezirk, vor Neubau, Mariahilf und der Josefstadt. In Sachen Bevölkerung lässt die Wieden  auch noch die Innere Stadt hinter sich.

Einfache Anreise
Drei U-Bahn-Linien binden den Bezirk an die übrige Stadt an. Der Hauptbahnhof, der an die Wieden anschließt, ist wichtiger Knotenpunkt.

Grüne Oasen muss man hingegen intensiver suchen. Heute ist die Wieden einer der am dichtesten besiedelten Bezirke der Stadt – und einer der am stärksten zubetonierten: 17,7 Hektar Grünfläche weist die Wieden auf – das sind gerade einmal zehn Prozent der Bezirksfläche. Nur in Margareten, Mariahilf, Neubau und der Josefstadt muss man noch länger nach Ruhe im Grünen suchen.

Jung und begehrt

Gleichzeitig ist die Wieden aber auch einer der begehrtesten Wohnbezirke, besonders unter Jungen. Nicht zuletzt dank der am Karlsplatz beheimateten Technischen Universität stellen die 25- bis 29-Jährigen die größte Bevölkerungsgruppe im Bezirk.

Angenehme Nebenerscheinung dessen ist das vielfältige Angebot für die jüngere Zielgruppe. Besonders gastronomisch bleiben auf der Wieden keine Wünsche offen: Küchen aller Herren Länder findet man hier genauso zuverlässig wie das richtige Beisl zur passenden Stimmung.

Wieden: Betonierte Coolness

Die Margaretenstraße: Tolle Läden, viel (Rad)Verkehr

Auch kulturell kommt man im kleinen vierten Bezirk voll auf seine Kosten. Ob Kunst im Wien Museum oder in der Kunsthalle, ob Arthouse-Filme im „Schikaneder“ oder Konzerte heimischer Künstlerinnen und Künstler bei freiem Eintritt im Rahmen des jährlichen Popfests am Karlsplatz (Corona-Jahre ausgenommen) – fad muss einem hier nicht werden.

Teures Pflaster

Die Nähe dieses Angebots hat jedoch ihren Preis – im eigentlichen Wortsinn. Einer Auswertung der Immobilienplattform „Willhaben“ zufolge, waren die durchschnittlichen Mietpreise 2019 nur in der Inneren Stadt noch höher als auf der Wieden. Bei den Kaufpreisen sieht es ähnlich aus.

„Was uns im Vergleich zu anderen Innenstadtbezirken auszeichnet, ist der höhere Anteil an Gemeindebauten“, sagt Bezirksvorsteherin Lea Halbwidl (SPÖ). Das sorge für eine gute soziale Durchmischung.

Freilich muss man nicht auf der Wieden wohnen, um das vielfältige Angebot des Bezirks nutzen zu können. Dass das in Zeiten wie diesen nicht nur Anklang findet, lässt sich dann nicht ganz vermeiden. So sorgte der Karlsplatz im Sommer für Schlagzeilen, weil sich häufig Gruppen zum Feiern auf der großen Fläche trafen. Dort gibt es ja auch ein bisschen Grün.

Kommentare