Betrugsprozess: Kindergarten-Millionen für Pelzmäntel und Kreuzfahrten
Dass der Hauptangeklagte, der 82-jährige Herr W., Lehrer war, merkt man bei seiner Verhandlung im Landesgericht für Strafsachen in Wien am Mittwoch schnell. „Im Schreiben des Sachverständigen ist ein Rechtschreibfehler“, moniert er.
Zur Sache tut dies allerdings nichts. Der Sachverständige hatte die Aufgabe, die Buchhaltung des Mannes zu prüfen. Herr W. soll als Betreiber der „Alt-Wien“-Kindergärten Subventionen der Stadt Wien in Höhe von 36 Millionen Euro erschwindelt haben. 16 Millionen davon sollen laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) für private Zwecke abgezweigt worden sein.
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Zuletzt hatte Herr W. mit seinem Verein 33 Kindergarten-Standorte und 2.276 Kinder in ganz Wien betreut. Im Jahr 2016 standen diese plötzlich ohne Kindergarten-Platz da.
Der 82-jährige ehemalige Vereinsvorstand steht in der Sache nicht allein vor Gericht. Mitangeklagt sind auch seine vier Kinder im Alter von 43 bis 56 Jahren und eine Mitarbeiterin.
Geld für Pelzmäntel und Kreuzfahrten abgezweigt
Das mutmaßlich veruntreute Geld soll laut Oberstaatsanwältin Veronika Standfest zu guten Teilen in den Lebensstil der Familie geflossen sein. Unter anderem in Wohnungen, Zinshäuser, einen Reitstall, Einbauküchen, einen Pelzmantel, Verkehrsstrafen, Opernaufführungen, eine Kreuzfahrt oder einen Urlaub im mondänen St. Moritz.
Finanziert, so die Annahme der Anklägerin, durch zu Unrecht bezogene Subventionen der Stadt Wien. „Dafür wurden Scheinrechnungen und falsche Jahresabrechnungen erstellt.“ Der Hauptangeklagte habe eine penible Buchhaltung geführt und sich auch ein profundes Wissen angeeignet. „Er hat gewusst, was er tut. Das waren keine Fehler.“ 41 Kartons mit möglichem Beweismaterial und 200.000 eMails wurden gesichtet.
Doch dem widersprechen der Hauptangeklagte und seine Kinder, die sich nicht schuldig bekennen. Einzig Sophie Krennmayr, Verteidigerin der ehemaligen Mitarbeiterin, kündigt ein Geständnis ihrer Mandantin an. „Sie hat fingierte Rechnungen erstellt und möchte sich für ihre Taten entschuldigen.“
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Der Hauptangeklagte beruft sich darauf, dass die nötige Gemeinnützigkeit der Kindergärten immer da gewesen sei. Lukas Kollmann, Anwalt der Kinder wiederum betont, dass seine Mandanten nie gewusst hätten, dass die teuren Geschenke durch Geld von möglichen Straftaten finanziert worden seien. „Der Vater war ein Patriarch, der mit seiner Frau das Unternehmen geführt hat.“
Angeklagter kommt aus "bescheidenen Verhältnissen"
Der Hauptangeklagte Herr W. selbst hat eine schriftliche Stellungnahme vorbereitet, die er der Richterin und den Schöffen vorliest. Er berichtet von den bescheidenen Verhältnissen, in denen er aufgewachsen sei. Dass man nur durch den bedingungslosen Einsatz der gesamten Familie die Kindergärten so erfolgreich gemacht habe. Aber auch, dass sein Kindergarten-Verein ein Opfer der Stadt Wien geworden sei. „Das Aus von Alt-Wien war von langer Hand vorbereitet“, erklärt er. Und: „Mit einem Schlag haben sich 50 Jahre harte Arbeit in Luft aufgelöst.“ Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Der Prozess dürfte sich über mehrere Monate ziehen. Bis Ende Oktober sind vorerst vier Verhandlungstermine ausgeschrieben. Der nächste morgen, Freitag. Dann soll auch die ehemalige Mitarbeiterin befragt werden, die laut ihrer Rechtsanwältin ein umfangreiches Geständnis ablegen will.
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