"Alt-Wien"-Prozess: Betreiber habe "Steuerzahler getäuscht"

Kinder spielen im Kindergarten
WKStA-Anklägerin rechnete mit dem Gründer des Kindergarten-Imperiums ab. Erste Hinweise auf getürkte Buchhaltung und Privatentnahmen gab es bereits 2013, Stadt stoppte Förderung aber erst 2016.

Am Mittwoch hat im Wiener Landesgericht der Prozess gegen den ehemaligen Betreiber der "Alt-Wien"-Kindergärten begonnen, der sich bis zur Pleite seines Vereins im Sommer 2016 von der Stadt Wien Subventionen in Höhe von 36 Mio. Euro erschwindelt haben soll.

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"Er hat sich zu Unrecht mit Steuergeld bereichert", stellte Oberstaatsanwältin Veronika Standfest fest. Der nunmehr 82-Jährige habe dabei mit "Buchungstricks", Scheinrechnungen und falschen Jahresabrechnungen operiert.

Die Anklägerin gestaltete ihr Eröffnungsplädoyer als Abrechnung mit den aus Sicht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) seit 2009 auf Täuschung, Verschleierung und Betrug ausgerichteten Geschäften des 82-Jährigen, einem ausgebildeten Mittelschullehrer, der 1966 den Verein "Alt-Wien" gegründet hatte und mit den Jahren ein großes Unternehmen aufbaute.

Verein betreute über 2.000 Kinder

Zuletzt betreute der Verein an 33 Standorten über 2.000 Kinder, wobei gegenüber der Stadt Wien Gemeinnützigkeit vorgegeben wurde, was sich insofern bezahlt machte, als dafür eine so genannte Vollförderung gewährt wurde. "In Wahrheit war der Verein auf Gewinnerzielung und Vermögensvermehrung ausgerichtet", sagte die Staatsanwältin. Die Stadt Wien bzw. der Steuerzahler sei dadurch getäuscht und um die verfahrensgegenständlichen 36 Mio. Euro betrogen worden.

Davon habe der Hauptangeklagte wiederum 16 Mio. Euro für rein private Zwecke abgezweigt und widmungswidrig verwendet, weswegen ihm neben schwerem Betrug auch Untreue angekreidet wird.

Mit den 16 Mio. Euro soll der Kindergarten-Betreiber sich, seiner - mittlerweile verstorbenen - Frau und seinen vier Kindern ein Leben in Wohlstand finanziert haben, wobei er die Organe des Vereins ausschließlich mit Mitgliedern der eigenen Familie besetzte.

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Für seine vier Kinder erwarb der Kindergarten-Betreiber etwa um 3,5 Mio. Euro etwa sieben Liegenschaften, errichtete darauf Zinshäuser, sanierte und renovierte bestehende Immobilien, finanzierte einer Tochter einen Reitstall samt Reitschule, seinem Sohn eine Ballettschule und tätigte Barentnahmen in Höhe von 2,2 Mio. Euro, "die nicht dem Betrieb der Kindergärten zugeordnet werden können", wie die Anklägerin anmerkte.

Der Mann habe außerdem ein Faible für teure Autos gehabt, von Geldern des Vereins seien 500.000 in Kleidung, Zahnarztrechnungen und Hausrat und mehr als 100.000 Euro in Urlaube, Kreuzfahrten und Konzert- und Theaterkarten geflossen.

Erste Hinweise bereits 2013

Erste Hinweise auf Ungereimtheiten in der Buchhaltung traten bereits 2013 bei einer Überprüfung der Stadt Wien zutage. Daraufhin wurde ein Wirtschaftsprüfer beigezogen, der die Unregelmäßigkeiten bestätigte und außerdem den Verdacht auf Privatentnahmen äußerte.

Ein Förder-Stopp wurde allerdings erst im August 2016 von der MA 10 verhängt, woraufhin die "Alt-Wien"-Kindergärten Konkurs anmeldeten. 773 Kinder standen damals auf der Straße, ihre Eltern bzw. die Stadt Wien mussten die Kleinen auf die Schnelle in anderweitigen Betreuungsplätzen unterbringen.

Der Hauptangeklagte bekannte sich zu sämtlichen wider in erhobenen Vorwürfen "nicht schuldig". Er sah sich bzw. seinen Verein vielmehr als Opfer der Stadt Wien, die sein Unternehmen am Ende nicht mehr unterstützt hätte: "Das Aus war von langer Hand vorbereitet." Damit hätten sich "50 Jahre harte Arbeit in Luft aufgelöst".

Er sei "in mehr als bescheidenen Verhältnissen" aufgewachsen, habe zunächst als Mittelschullehrer gearbeitet und dann mit seiner Frau den Verein "Alt-Wien" aufgebaut, wobei die für den Betrieb erforderlichen Mittel zunächst von seiner Schwiegermutter stammten, schilderte der 82-Jährige. Woher sie das viele Geld hatte, habe er nicht gewusst. "Die Oma" habe sich dafür Jahrzehnte später "ein wenig Dankbarkeit erhofft", der Verein habe daher "diese Schulden der Großmutter, die das Ganze aufgebaut und finanziert hat, zurückbezahlt".

Michael Vallender, der Verteidiger des Hauptangeklagten, betonte, sein Mandant habe keine Untreue-Handlungen gesetzt und dessen Verein sei sehr wohl gemeinnützig gewesen. Was die Buchhaltung betrifft, "können Fehler passiert sein", räumte Vallender ein. Absichtlich seien diese aber nicht passiert, bestritt der Verteidiger die Darstellung der Anklägerin, die dem 82-Jährigen "ganz bewusstes Manipulieren der Buchhaltung" vorgehalten hatte.

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Mitangeklagt sind die vier erwachsenen Kinder des Hauptangeklagten, die im Wissen um die aus kriminellen Machenschaften stammenden Gelder sich einen luxuriösen Lebensstil gegönnt haben sollen. Die WKStA unterstellt ihnen Geldwäscherei. Die Rechtsvertreter der Mitangeklagten im Alter zwischen 43 und 56 Jahren wiesen das zurück.

Vater war "Patriarch"

"Bei Zuwendungen der Eltern nahmen sie nicht an, dass das aus strafbaren Handlungen stammt", führte Verteidiger Stefan Stoiber aus, der eine Tochter vertritt. Lukas Kollmann, der Verteidiger der anderen drei Kinder, merkte an, deren Vater sei ein "Patriarch" gewesen, der seinen Kindern "Geschenke" gemacht habe. Diese hätten sich diese Großzügigkeit mit "der reichen Oma" erklärt. "Sie haben nicht gewusst, dass die Gelder aus strafbaren Handlungen stammen", sagte Kollmann.

Eine ehemalige Mitarbeiterin des "Alt-Wien"-Betreibers nahm als Sechstangeklagte auf der Anklagebank Platz. Sie soll für Scheinrechnungen in Höhe von rund 174.000 Euro verantwortlich gezeichnet und damit Verschleierungshandlungen gesetzt haben - für die Anklagebehörde hat sie damit Beihilfe zur Untreue begangen. Ihre Verteidigerin Sophie Krennmayr kündigte ein "umfassendes Geständnis" an, ihre Mandantin habe "fingierte Rechnungen erstellt", meinte Krennmayr.

Der Prozess ist vorerst bis Ende Oktober anberaumt, weitere Verhandlungstage im Spätherbst dürften folgen. Für den vormaligen "Alt-Wien"-Chef geht es im Fall einer Verurteilung um bis zu zehn Jahre Haft.

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