Berufsverbot über Wiener Gynäkologin verhängt

826 Patientinnen sind von dem Fall betroffen. (Symbolbild)
Ärztin darf ab sofort nicht mehr ordinieren. Eine Patientin schildert ihre Erlebnisse.

Über jene Wiener Frauenärztin, gegen die der Verdacht des schweren gewerbsmäßigen Betrugs besteht, hat jetzt die zuständige Magistratsabteilung 40 ein vorübergehendes Berufsverbot verhängt. Aufgrund von „Gefahr in Verzug“ darf die Ärztin mit sofortiger Wirkung nicht mehr praktizieren. Das Berufsverbot gilt für die Dauer des Strafverfahrens, das bereits gegen die Medizinerin eingeleitet wurde.

Wie berichtet, hat die Ärztin in den vergangenen drei Jahren Krebs-Vorsorgeuntersuchungen (PAP-Abstriche) für 826 Frauen bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) in Rechnung gestellt, ohne dass die nötige Befundung durch einen Pathologen nachweisbar ist. Somit ist nicht auszuschließen, dass sich manche der Frauen hinsichtlich ihres Krebsrisikos in falscher Sicherheit wiegen.

„Es wäre eine Zumutung, wenn die Ärztin noch weiter ordinieren könnte“, freut sich Andrea Maier über die Entscheidung der Behörde. Sie ist eine der 826 Patientinnen, die nach Bekanntwerden des Falls von der WGKK verständigt wurde.

Erfundene Leistungen

Maier war vor wenigen Monaten bei der Ärztin, bloß um eine Überweisung abzuholen. Umso erstaunter ist sie darüber, was sie jetzt bei der WGKK-Hotline erfuhr: Auf der Abrechnung der Kassa scheinen insgesamt acht Leistungen auf, die bei ihrem Besuch erbracht worden sein sollen: Neben einem PAP-Abstrich unter anderem auch ein Menopause-Beratungsgespräch und eine Sekret-Untersuchung. „All das ist nicht gemacht worden und ich hab’ auch nicht darum gebeten“, empört sich Maier.

Dabei hatte sie noch Glück im Unglück: Bereits 2012 wollte sie die Ärztin aufsuchen, um tatsächlich einen PAP-Abstrich durchführen zu lassen. Damals landete sie aber bei der Urlaubsvertretung. „Dort ist alles korrekt abgelaufen.“

Berufsverbot über Wiener Gynäkologin verhängt

Nicht so in der Ordination der jetzt von der WGKK gekündigten Ärztin: Dort wurde manchen Patientinnen laut Kassa mitgeteilt, dass man sich melden werde, sollte mit dem PAP-Befund etwas nicht in Ordnung sein. Nur: Einen tatsächlichen Befund hat es offenbar in keinem der Fälle gegeben. „Das ist skrupellos. Schließlich geht es um eine Krebsdiagnose“, empört sich Maier. Deshalb empfiehlt die WGKK den betroffenen Frauen, die Untersuchung sicherheitshalber nachzuholen.

Neben den falsch abgerechneten PAP-Abstrichen wirft die Kassa der Ärztin noch weitere Unregelmäßigkeiten vor. Gesamtschaden: Bis zu 120.000 Euro.

Ein dauerhaftes Berufsverbot gegen die Ärztin kann nur die Ärztekammer aussprechen. Ihr Disziplinaranwalt behandelt den Fall. Weiters wird die Vertrauenswürdigkeit der Ärztin geprüft.

Der Fall sorgt sogar bei den hartgesottenen Betrugsbekämpfern der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) für Fassungslosigkeit: Eine Wiener Gynäkologin hat in den vergangenen drei Jahren Krebs-Vorsorgeuntersuchungen (PAP-Abstriche) für insgesamt 826 Frauen bei der Kasse in Rechnung gestellt, ohne dass eine nötige Befundung der Abstriche durch einen Pathologen nachweisbar ist. Mit anderen Worten: Hier dürften nicht erbrachte medizinische Leistungen in betrügerischer Absicht verrechnet worden sein.

Und das nicht nur zulasten der WGKK sondern vor allem auch der betroffenen Frauen. Denn manchen von ihnen wurde mitgeteilt, dass sich die Ordination bei ihnen meldet, sollte mit dem Befund etwas nicht in Ordnung sein. Nur: Einen tatsächlichen Befund hat es offenbar in keinem der Fälle gegeben. „Somit ist nicht auszuschließen, dass sich manche der Patientinnen hinsichtlich ihres Risikos für eine Krebserkrankung in falscher Sicherheit wiegen“, sagt Franz Schenkermayr, der in der WGKK die Stabsstelle für Betrugsbekämpfung leitet.

Keine Qualifikation

Die Gynäkologin wurde bereits von der WGKK vorgeladen, um diese Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Doch das gelang ihr nicht: „Zunächst hat die Ärztin uns gegenüber noch behauptet, sie hätte die Befunde selbst gemacht. Doch dafür hat sie gar keine Qualifikation. Auf Nachfrage konnte sie nicht einmal erklären, wie sie die Befundung durchgeführt hat“, erzählt Schenkermayr, der sich an keinen derartigen Fall in letzter Zeit erinnern kann.

Im Sinne der Sicherheit der Frauen reagiert jetzt die WGKK: Die 826 Patientinnen erhalten dieser Tage einen eingeschriebenen Brief. Darin wird ihnen empfohlen, möglichst bald einen Frauenarzt aufzusuchen und sicherheitshalber eine PAP-Untersuchung durchführen zu lassen. Grund für Panik bestehe aber nicht, beruhigt WGKK-Ärztin Andrea McMiller: „Zum Glück ist Gebärmutterhals-Krebs eine Erkrankung, die sich nur sehr langsam entwickelt.“

Rechtliche Schritte

Was nicht heißt, dass die die WGKK nicht mit aller Schärfe gegen die Ärztin vorgeht: Der Vertrag mit der Gynäkologin wird aufgelöst und ein sofortiger Zahlungsstopp verfügt.

Bereits vergangene Woche erstattete die WGKK Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft, in der es unter anderem um schweren gewerbsmäßigen Betrug geht. Wegen Gefahr in Verzug wurde auch die zuständige MA 40 kontaktiert sowie die Ärztekammer informiert.

Neben der möglichen Gesundheitsgefährdung der Patientinnen bleibt auch ein beträchtlicher finanzieller Schaden für die WGKK. Er dürfte sich insgesamt auf bis zu 120.000 Euro belaufen. Denn neben den nicht untersuchten PAP-Abstrichen haben die Prüfer auch bei anderen verrechneten Untersuchungen Unregelmäßigkeiten festgestellt.

Diese traten auch im Rahmen der Tätigkeit der Ärztin als Arbeitsmedizinerin in NÖ und dem Burgenland auf. So wurden zum Beispiel Blutabnahmen fälschlicherweise als Vorsorgeuntersuchungen abgerechnet.

(erschienen am 5. November)

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