Autofahren in der Stadt wird out

Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg sei vor allem die Frage, wie gut die Werke ausgelastet sind, erklärt Dudenhöffer. "Es ist nicht so, dass ein Autobauer mit hohen Gewinnen die Kunden über den Tisch zieht“, so der Experte.
In Metropolen wie Wien, Berlin oder New York geht der Motorisierungsgrad zurück. Kommt das Auto aus der Mode?

Wo sind die Autos geblieben“, titelte der KURIER am Samstag. Taxler, Polizei, aber auch Autofahrerlobbys und schließlich die Wiener selbst wundern sich: Warum stehen wir dieser Tage bloß so selten im Stau auf Tangente, Gürtel und Co.? Ist die „staufreie“ Stadt etwa eine erste, frühe Frucht rot-grüner Ankündigungspolitik? Wohl kaum. Die Gründe liegen tiefer. Einiges spricht dafür, dass sich im Stillen seit Jahren ein struktureller Wandel vollzieht. Ein Wandel, der im traditionell verkehrsschwachen Monat Jänner nun möglicherweise offensichtlicher zutage tritt.

„Egal, ob in Zürich, Berlin, New York oder eben in Wien: Der Motorisierungsgrad geht in all diesen Metropolen seit Jahren deutlich zurück“, sagt Harald Frey, Verkehrsexperte an der Technischen Universität Wien. In der Bundeshauptstadt kommen heute auf 1000 Einwohner noch 400 Autos. In Zürich sind es nur noch 350. Tendenz seit zehn Jahren fallend. Ähnlich, wenn auch in abgeschwächter Form, ist die Situation in Städten wie Graz (470) oder Innsbruck (440). Nur in den ländlichen Regionen weist der Trend in die gegenteilige Richtung (siehe Bundesländertrend).

„Noch vor 30 Jahren hatten Menschen in reicheren Städten mehr Autos als die ärmere Bevölkerung am Land“, sagt Frey. „Doch das Gesetz, dass mit dem Wirtschaftswachstum die Motorisierung steigt, ist heute obsolet.“ Heute würden vor allem noch jene mit dem Auto fahren, die große Distanzen zurücklegen müssen und für die das Öffi-Angebot nicht ausreicht. „In den Städten wird’s aber enger. Den Leuten wird klar, dass sie den Raum anders nutzen müssen.“

Doch letztlich ist es wohl weniger der Klimawandel oder der Polit-Zeitgeist, der die Menschen häufiger auf ein Auto verzichten lässt, als viel mehr steigende Spritpreise und bauliche Maßnahmen in der Stadt.

So führte vor allem auch die Ausdehnung des Parkpickerls zu einem Rückgang des Motorisierungsgrads. „Seit 2002 zogen 9000 Menschen in die Bezirke 4 bis 8“, sagt Frey. „Gleichzeitig ging die Zahl der Pkw dort um 3000 Stück zurück.“ In Bezirken ohne Pickerl blieb die Zahl der Autos konstant oder stieg leicht (Grafik).

Handy statt Auto

Autofahren in der Stadt wird out

Auch ein zweiter Trend ist spürbar, der für die Zukunft prägend sein könnte. „Das Auto hat für junge Leute an Strahlkraft verloren“, sagt Philipp Ikrath vom Wiener Institut für Jugendkulturforschung. „Wobei auch dieser Trend in der Stadt stärker ausgeprägt ist als am Land. Auch gebildete Jugendliche verzichten eher aufs Auto als schlechter Ausgebildete.“ Aber für alle gelte: Teure Smartphones und Laptops würden zunehmend wichtiger als noch teurere Pferdestärken.

Kommt das Auto also 100 Jahre, nachdem die ersten Modelle bei Henry Ford vom Fließband gingen, langsam aus der Mode? „So einfach ist das nicht“, sagt Frey. „Wien wächst.“ Und mit der Bevölkerung steigt auch die Zahl der Autos auf den Straßen – wenn auch die Zuwachsraten immer geringer ausfallen (siehe Grafik). In Wien wurden im Vorjahr 72.600 Autos zugelassen (2010: 69.000). Insgesamt sind nun 669.000 Autos im Bestand. „Witzigerweise hat gerade die Krise zu dem Anstieg geführt“, sagt Peter Laimer von der Statistik Austria. „Die Leute trauten offenbar den Banken nicht und investierten.“ Frey sagt: „Wir brauchen mehr Maßnahmen, um das Verkehrsproblem besser in den Griff zu bekommen.“ Andernfalls würde der Trend der letzten Jahre schnell in sein Gegenteil verkehrt.

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