Wäre es nach ihm gegangen, hätte er den kommenden Samstag ohne Feier verstreichen lassen, übt sich Erich Hohenberger in professionellem Understatement. „Auf Drängen meiner Freunde“ lädt er nun aber doch zu einem „Tag der offenen Tür“ im Bezirksamt – mit Punsch, Maroni und Schmalzbroten.
Am 14. Dezember ist es 30 Jahre her, dass der heute 71-Jährige zum SPÖ-Bezirksvorsteher der Landstraße angelobt wurde. Damit ist Hohenberger aktuell mit Abstand der längstdienende Bezirkschef Wiens. Historisch gesehen wird er nur von Döblings ÖVP-Legende Adi Tiller übertroffen. Als Hohenberger 1989 sein Amt antrat, existierte die DDR noch, in Wien war Helmut Zilk Bürgermeister und in der Landstraße wurde gerade der erste Abschnitt der U3 gebaut.
So bodenständig wie das Festbüffet ist auch der Polit-Stil des Langzeit-Bezirkschefs. „Statt Fachreden zu schwingen, muss man Schmäh führen mit den Menschen“, erzählt er dem KURIER während eines Besuchs im Pensionistenhaus Maria Jacobi, wo er der Bewohnerin Gabriele Friedl zu ihrem 105. Geburtstag gratuliert.
Viele der Bewohner erkennen ihn auf den Gängen, und grüßen freundlich. „Meine Fans“, sagt Hohenberger in seinem tief wienerisch gefärbten Idiom.
Gerne betont er, wie ihm die Rolle des volksnahen Bezirkskaisers auf den Leib geschnitten ist, vorgegeben war sie ihm aber nicht. Es war der damalige SPÖ-Handelsminister Josef Staribacher, der 1983 den Banker aus der Zentralsparkasse in die Politik holte. Bereits zuvor durfte Hohenberger Bundeskanzler Bruno Kreisky bei einer Wahlkampf-Tour quer durch Österreich begleiten. „Eigentlich wollte er es, dass ich in die Politik einsteige.“
Der „Sonnenkönig“ wurde sein politisches Vorbild. „Er hatte einfach ein Gespür für die Menschen, wie man es heute nicht mehr findet.“
Einer, der mit allen kann
Hohenberger selbst sei ein ausgesprochen konsensbemühter und pragmatischer Politiker, betonen Wegbegleiter: „Er bindet alle Parteien ein, obwohl er das angesichts der Kräfteverhältnisse in der Bezirksvertretung gar nicht müsste“, schildert der Landstraßer SPÖ-Obmann Kai Jan Krainer. Vom U-Bahn-Bau bis zur Neugestaltung von Wien Mitte (auf die der Bezirkschef im Gegensatz zu vielen Architekturkritikern besonders stolz ist) – unter Hohenberger habe sich der Bezirk enorm weiterentwickelt. „Obwohl er eher zur Autofahrer-Fraktion zählt, gibt es heute sogar deutlich mehr Radwege“, schildert Krainer.
Manchmal fast zu Tode umarmt, bleibt für die Opposition oft nur wenig Platz, sich in der Landstraße zu profilieren. „Aber sein konsens-orientiertes Vorgehen ist gut für den Bezirk“, räumt auch ÖVP-Klubobmann Georg Keri ein. Er vermisst bei Hohenberger allerdings eine gewisse Innovationsfreudigkeit, wenn es um Themen wie Klimaschutz oder Stadtbegrünung geht. „Er ist vom Typ her eher ein Bewahrer“, sagt Keri.
Lieber als mit der Opposition legt sich Hohenberger scheinbar mit den eigenen Genossen im Rathaus an. Vor allem, wenn es um „seine“ Rudolfstiftung geht. Wie berichtet, kursieren aktuell wieder Pläne, das Spital in der Juchgasse deutlich zu verkleinern. „Da kämpf’ ich wie ein Löwe dagegen“, stellt Hohenberger klar.
Sein Einsatz für die „Stiftung“ hat nicht nur bezirkspatriotische Gründe: 2003 erlitt er nach einer Hanta-Virus-Infektion ein Multiorganversagen und lag vier Wochen lang auf der Intensivstation der Rudolfstiftung. Zu deren damaligem Ärztlichen Direktor Wilhelm Marhold (später Chef des Krankenanstaltenverbunds) verbindet ihn bis heute eine enge Freundschaft. 2009 spendete ihm seine Frau Monika eine Niere.
Die Krankheit war kein Grund, aus dem Amt auszuscheiden. Wobei: „Die Politik ist nur ein notwendiges Übel. Mein Lebenselixier ist der Fußball“, sagt er. Heute noch trifft er sich jeden Mittwoch mit Freunden auf ein Kickerl beim Rennweger SV, dessen Präsident er lange war. Und ein Kickerl wird sich vielleicht auch am 24. Dezember ausgehen, wenn er wie jedes Jahr als Weihnachtsmann verkleidet die Polizisten und Feuerwehrleute im Bezirk besucht.
Vorher beschenkt Hohenberger aber wieder rund 60 bedürftige Kinder aus dem Bezirk. „Das macht heute keiner mehr“, sagt er mit einer Mischung aus Stolz und Bitterkeit, mit der er auch auf seine eigene Partei blickt: „Statt sich dauernd über die Medien oder per Mails etwas auszurichten, sollte man sich einfach wieder zusammensetzen und miteinander reden.“ Er ist aber überzeugt: „Die SPÖ wird sich erfangen und wieder eine staatstragende Partei sein.“
Erbfolge
Selbst will Hohenberger auf alle Fälle noch die Bezirkswahl im kommenden Jahr (die sechste in seiner Amtszeit) schlagen, und danach noch zwei, drei Jahre weitermachen, „wenn es die Gesundheit zulässt“. Den Namen will er noch nicht verraten, aber er weiß schon, wer sein Nachfolger wird: „Das habe ich in der Sparkasse gelernt: Mit solchen Entscheidungen wartet man nicht bis zum letzten Moment.“
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