Zu Beginn war man darauf angewiesen, dass die Winter kalt genug ausfielen. Die Saison 1872/’73 etwa ging mit gerade einmal drei Schleiftagen als kürzeste in die Vereinsgeschichte ein. Von „Mitgliedern, denen die Befriedigung der Lauflust höher stand als die Erhaltung ihrer geraden Glieder“, war damals in einer Chronik über Laufversuche auf der wässrigen Fläche zu lesen. Ab 1912 gab es dann eine Kunsteisbahn.
Die Begeisterung der Wiener für Bälle und fürs Schlittschuhlaufen führte in den 1860er-Jahren übrigens zur Kombination beider Leidenschaften: dem Rundtanzen auf dem Eis. Der amerikanische Eiskunstläufer Jackson Haines glitt damals zur Musik einer Militärkapelle über das Eis. Sogar Kaiser Franz Josef soll unter den Zusehern gewesen sein. Bald gab es Tanzveranstaltungen auf dem Eis, die ebenso viele Besucher anzogen wie die legendären Wiener Bälle. Auch heute werden noch Rundtanz-Kurse geboten, und die UNESCO-Kommission hat das Rundtanzen 2018 in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Während es zuvor ein Vergnügen Adeliger war, wurde Eislaufen um die Jahrhundertwende zum populären Breitensport. Doch dann kam der Erste Weltkrieg, der WEV fürchtete um seien Existenz. Die Kunsteisbahn konnte wegen Kohle- und Strommangels nicht betrieben werden. Die goldenen Zwanzigerjahre brachten zwar mit einem Rekord von 10.0000 Vereinsmitgliedern einen Aufschwung, doch bald folgte der Zweite Weltkrieg: Als „jüdisch“ definierte Funktionäre mussten den WEV verlassen, man verlor die Hälfte der Mitglieder. „Bei der 150-Jahr-Feier hatten wir einen Gast, der erzählt hat, wie er als Kind täglich hier eislaufen gegangen ist – plötzlich wurde er nicht mehr hereingelassen“, erzählt WEV-Präsident Meixner.
In den Nachkriegsjahren gelang erneut der Aufschwung, Eiskunstläufer wie Ingrid Wendl und Emmerich Danzer fuhren spektakuläre Erfolge ein. Schließlich wurde die Anlage ganzjährig betrieben – in den 1960er-Jahren gab es etwa im Sommer das legendäre „Catchen am Heumarkt“. „Da haben bärige Männer gekämpft. Was manche Damen in den Ring gerufen haben, darf man heute gar nicht mehr laut sagen“, sagt Meixner und lacht.
Der einzige Dämpfer in jüngerer Zeit war Corona: Im Herbst 2020 war erstmals für mehrere Wochen geschlossen. Doch auch das ging vorüber: Mit 6.000 Quadratmetern hat der WEV einen der größten Kunsteisplätze der Welt. Und er hat viele treue Fans, etwa Otto Schenk, der seit 80 Jahren Mitglied ist („Er sagt sicher noch Eisschleifen statt Eislaufen“, fügt Meixner ein). „Das war mein Schulschwänz-Paradies. Jede Religionsstunde und jede Freistunde haben wir am Eislaufplatz verbracht“, erzählt Schenk. Da habe man geplaudert, geflirtet und sei übers Eis getanzt. Wie auch heute noch. Und auch vielen weiteren unbeschwerten Schleiftagen steht nichts im Weg: Der Pachtvertrag läuft noch bis 2058.
Kommentare