Die Vergessenen der Katastrophe
Die Opfer der Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe trauen niemandem mehr. 320.000 Menschen, die vor zwei Jahren ihr Hab und Gut verloren haben, wurden über alle Provinzen des Landes verteilt in Behelfswohnungen untergebracht.Viele wurden von Notquartier zu Notquartier weitergereicht und sind bis heute nirgendwo angekommen.
Die japanische Gesellschaft meidet die „verstrahlten Parias“ von Fukushima. Aus Angst vor Ansteckung oder „weil sie Unglück bringen“. Dabei gibt es offiziell in der Fukushima-Provinz keine Strahlenkranken. Drei Jugendliche, die an Schilddrüsenkrebs erkrankten und an die Öffentlichkeit gingen, mussten sich anhören, dass ihre Erkrankungen mit dem Super-GAU nichts zu tun hätten. Denn auch die Weltgesundheitsbehörde schätzt das Krebsrisiko in den betroffenen Orten nur als leicht erhöht ein. Doch das glaubt kein Japaner.
Die vom Schicksal so schwer Gezeichneten bekommen keine guten Jobs und fühlen sich wie Ausgestoßene, denn die Mehrheit der Bevölkerung will an die Katastrophe nicht erinnert werden und endlich zur Tagesordnung übergehen.
19.000 Tote
Am Montag, dem zweiten Jahrestag von 3/11, dem 11. März 2011, wurde um 14.46 Uhr Ortszeit zwar im ganzen Land der rund 19.000 Todesopfer gedacht, doch die Aufräumarbeiten an der verwüsteten Ostküste kommen nur äußerst schleppend voran. Es fehlt an Arbeitskräften und an Ausrüstung.
Die Regierung in Tokio hat viel versprochen und aus Sicht der betroffenen Bevölkerung wenig gehalten. Ganze Landstriche sind verwaist, viele Schulen noch immer nicht wiederaufgebaut, zerstörte Firmengebäude und Schutthalden bestimmen das Bild. Für den Neuanfang fehlt den meisten Opfern die Kraft und das Geld.
12.000 € Entschädigung
Der Atomkraftbetreiber Tepco findet Familien, die alles verloren haben, unter dem Titel „Vorschuss auf eine mögliche Entschädigung“ mit umgerechnet 12.000 € ab. Anders als versprochen, gilt nur noch der Verkehrswert einer Immobilie. Aber viele müssen für ihre jetzt wertlosen Häuser noch Kredite abbezahlen. Manche dürfen auf ihren Grundstücken Container aufstellen, andere nicht. Weil die Behörden Entscheidungen verschleppen oder über Zuständigkeiten streiten, geht nichts weiter. Und da man in Japan traditionell nicht gerne über private Sorgen spricht, bleiben die Opfer isoliert.
„Die Strahlenevakuierten werden von Tag zu Tag depressiver“, sagt Hirooki Yabe, ein Psychiater an der Universität Fukushima. Es macht sich Resignation breit. Wer kann, zieht weg und besorgt sich ein neues Autokennzeichen, damit niemand weiß, woher er kommt.
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