Unfälle: Vierjährige erschossen zwei Menschen
Am Donnerstag soll ein neuer Anlauf zur Verschärfung der Waffengesetze in den US-Senat kommen, und für emotionalen Zündstoff ist gesorgt. Zwei tragischen Unfälle in den letzten Tagen sind geradezu beispielhaft auf die leichte Verfügbarkeit von Schusswaffen in den USA zurückzuführen: In beiden Fällen waren geladene Waffen einfach so herumgelegen, unbeaufsichtigt und in Griffweite von zwei Vierjährigen. Beide erschossen einen Menschen.
Am späten Dienstagnachmittag erlag der sechsjährige Brandon in im Krankenhaus von Neptune im Osten New Jerseys seinen schweren Verletzungen. Der vierjährige Spielkamerad hatte ihm beim Spielen im elterlichen Garten mit einem Gewehr in den Kopf geschossen. Der Junge war ins Haus gegangen, hatte dort ein Kleinkaliber-Gewehr gefunden und herausgetragen. Der Polizei zufolge stand er rund 14 Meter von seinem Opfer entfernt, als der Schuss fiel. Noch ist unklar, ob das Kind den Abzug bewusst gedrückt oder der Schuss sich anderweitig gelöst hat. Die Eltern des Vierjährigen waren zum Zeitpunkt des Unfalls daheim, die aufgeschreckte Mutter alarmierte die Rettungskräfte. Die Staatsanwaltschaft von Atlantic County prüft nun, ob Klage erhoben wird – und wenn ja, gegen wen.
Dies war die bereits zweite vermeidbare Tragödie binnen Kurzem: Am Samstag war die Frau des Hilfssheriffs von Wilson County in Tennessee ebenfalls von einem Vierjährigen erschossen worden. Während einer Grillparty war sie mit dem Kind ins Schlafzimmer ihres Hauses in Lebanon gegangen, wo ihr Mann gerade einem Verwandten seine Waffen zeigte. Plötzlich griff sich der Kleine eine scharfe Pistole vom Bett und feuerte auf die 48-Jährige. Die Frau starb noch am Unglücksort. Eine Polizeisprecherin sagte, dass es sich wohl um einen Unfall handle.
USA: Land der Schusswaffen
Amoklauf mit Stichwaffe
Bei einem anderen Vorfall hat ein 21-jähriger Student an einem College in Texas am Dienstag 14 Kommilitonen aus bislang unbekannten Gründen teilweise schwer verletzt. Kurz nach 11 Uhr vormittags war vom Lone Star College in der Stadt Cypress ein Notruf eingegangen. Es hieß, ein Mann laufe über den Campus und „sticht auf Menschen ein“. Die Universität gab darauf sofort Alarm und forderte die Studenten auf, sich an einem sicherem Ort zu verstecken. Der Angreifer konnte schließlich festgenommen werden, nachdem ihn zwei Studenten niedergerungen hatten.
Waffendebatte
Jetzt soll in der kleineren Kammer des Kongresses, dem Senat, ein neuer Anlauf unternommen werden. Laut New York Times haben mehrere republikanische Abgeordnete versichert, dass sie nicht versuchen werden, durch Endlosreden („Filibuster“) zu verhindern, dass das Thema überhaupt zur Abstimmung gelangt. Eine "Light"-Version könnte im demokratisch dominierten Senat tatsächlich beschlossen werden, nachdem sich eine Einigung über einen abgeschwächten Gesetzesvorschlag anbahnte. Eine Beschlussfassung im Repräsentantenhaus, in dem die Republikaner über die Mehrheit verfügen, gilt freilich als unwahrscheinlich.
„Heilige Kuh“
Auslöser der Waffendebatte war ein Amoklauf am 14. Dezember des Vorjahres in Newtown in Connecticut: Dort hatte der Täter mit einem halbautomatischen Sturmgewehr 20 Kinder und sechs Erwachsene niedergestreckt. Nach einer Zählung des Online-Magazins Slate kamen seitdem fast 3300 Menschen durch Schusswaffen ums Leben. „Jeden Tag, den wir warten, etwas dagegen zu tun, wird noch mehr Mitbürgern das Leben durch eine Kugel aus einer Waffe gestohlen“, mahnte Obama angesichts dieser erschreckenden Statistik. Connecticut zeigt auch, dass ein Wandel prinzipiell möglich ist: Der Bundesstaat hat in der vergangenen Woche als Reaktion auf den Amoklauf eines der schärfsten Waffengesetze in den USA verabschiedet. So wurde der Verkauf von Magazinen für besonders viele Patronen verboten, das Verkaufsverbot für Sturmgewehre ausgeweitet und die Überprüfungen von Waffenkäufern verschärft.
Gerade in ländlichen Regionen gilt das verfassungsmäßige Recht auf Waffenbesitz aber als unantastbar. Mittlerweile sind laut einer Umfrage des TV-Senders CBS nur noch 47 Prozent für schärfere Gesetze, Ende Dezember waren es noch 57 Prozent. So ist es zu erklären, warum zehn Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Tennessee ihre Gesetze seit Newtown sogar gelockert haben. South Dakota erlaubt seinen Lehrern, Schießeisen in die Schule zu bringen. Selbst Obama kann nicht völlig an der ur-amerikanischen Tradition vorbei. „Ich kann verstehen, warum man einige Waffen zur Selbstschutz haben möchte“, erklärte er kürzlich. Ein solches Eingeständnis empfinden Beobachter als Signal, dass er mittlerweile auch das schwächste Gesetz unterschreiben würde – Hauptsache, es gibt überhaupt irgendeines.
Etwa jeder dritte US-Amerikaner hat eine Schusswaffe bei sich im Haus. Mehr als 1,6 Millionen Kinder und Jugendliche leben einer Studie zufolge in Haushalten mit geladenen und ungesicherten Waffen. Im US-Staat New Jersey wurden jetzt zwei Menschen von mit Waffen spielenden Kindern erschossen. Schon mehrfach wurden in den USA Pistolen oder Gewehre in Kinderhand zur tödlichen Gefahr.
April 2011: In Houston (Texas) bringt ein Sechsjähriger eine Pistole mit in seine Schule. Als die Waffe in der Cafeteria der Ross Elementary School zu Boden fällt, löst sich ein Schuss. Der Bub, ein weiterer Sechsjähriger sowie ein fünf Jahre altes Mädchen werden an den Beinen verletzt.
September 2009: Beim Spielen mit einer Pistole erschießt ein Achtjähriger in Vacaville (Kalifornien) versehentlich seine zwei Jahre alte Schwester. Der Bub hantierte mit der geladenen Waffe, bis sich ein Schuss löste und das Mädchen im Kopf traf.
Juli 2009: Beim Warten im Auto findet ein Fünfjähriger in Las Vegas (Nevada) eine Waffe. Er schießt sich damit in den Kopf und stirbt. Nur wenige Tage später wird eine Zweijährige in Las Vegas durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt. Ihr vier Jahre alter Bruder hatte unbemerkt vom Vater mit dessen Waffe versehentlich auf seine Schwester gefeuert.
Juli 2009: In Hamilton (Ohio) tötet sich ein Fünfjähriger selbst. Der Bub hatte in seinem Elternhaus eine geladene Pistole seines Vaters entdeckt und sich in die Lunge geschossen.
Oktober 2008: Beim jährlichen Kürbisschießen eines Schützenvereins in Westfield (Massachusetts) schießt sich ein Achtjähriger versehentlich mit einer Maschinenpistole in den Kopf und stirbt. Zeugenaussagen zufolge hatte er beim Schießen die Gewalt über die Waffe verloren. Um am Wettschießen teilzunehmen, sei keine Waffengenehmigung nötig gewesen, berichtete eine Zeitung.
November 2001: Ein zwölfjähriger Bub erschießt in Kalifornien beim Nachahmen eines Videospiels mit der Waffe des Vaters seinen acht Jahre alten Bruder. Nach US-Medienberichten imitierten die Buben Rollen aus einem Spiel, in dem Helden gegen Terroristen kämpfen.
August 2001: Ein zwei Jahre altes Kleinkind erschießt in Canton (Ohio) beim Spielen seinen Großvater. Der 55-Jährige saß Medienberichten zufolge in seinem Haus in einem Fernsehsessel, als sich der Schuss löste. Die Polizei vermutete, dass der Bub die dem Großvater gehörende geladene Waffe in einem Zeitungsständer fand und damit unbemerkt hinter dem Sessel spielte. Die Kugel durchschlug das Polster und traf den Mann tödlich.
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