Die erste Atombombe: Wettlauf ohne Sieger

Vor 70 Jahren explodierte die erste Atombombe, entwickelt von den damals besten Wissenschaftlern der Welt. Wer diese Spitzenforscher waren und was sie antrieb, diese tödliche Waffe zu bauen.

Ein greller Blitz erhellt den Himmel über den Jimenez Mountains in New Mexico. "The Gadget", eine Metallkugel mit Zündkapseln und Drähten versehen, ist eben explodiert. Julius Robert Oppenheimer, groß, hager und einer der brillantesten Physiker seiner Zeit, liegt flach am Boden eines Bunkers, neun Kilometer vom Ground Zero entfernt. Beim Anblick der pilzförmigen Wolke geht ihm ein Vers aus der Bhagavad Gita, der heiligen Schrift der Hindus, durch den Kopf: "Ich wurde zum Tod, dem Zerstörer der Welten." Ihm wird bewusst, dass er den Wettlauf um die erste Atombombe gewonnen hat, ohne ein Sieger zu sein. Das berichtete er 1965, 20 Jahre später, in einer NBC-Dokumentation. Da war Oppenheimer, wissenschaftlicher Leiter des "Manhattan Project"‚ ein geläuterter Mann. Nach den beiden Bomben auf Hiroshima und Nagasaki und Hunderttausenden Toten engagierte er sich gegen den Einsatz von Nuklearwaffen.

Antrieb

Nachdenklich, neugierig und anstrengend – Oppenheimer, geboren in New York als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer, galt als großartiger Lehrer, der viele Spitzenphysiker ausbildete. Was ihn und seine Mitstreiter, darunter viele Nobelpreisträger, antrieb, eine Höllenmaschine zu bauen, ist bis heute unbegreiflich. Georg Steinhauser vom Atominstitut der TU Wien sagt: "Nachdem man erkannte, dass bei der Kernspaltung unfassbar viel Energie freigesetzt wird, wollte man dies nützen. Oppenheimer war sicher vom wissenschaftlichen Ehrgeiz gepackt." Nachsatz: "Die Bombe hätte man nicht vermeiden können."

Angetrieben hat sie vor allem die Angst vor den Nationalsozialisten: Vor ihrer Emigration arbeiteten einige Köpfe des "Manhattan Project" wie Edward Teller, Eugene Wigner und Leó Szilárd Seite an Seite mit ihren deutschen Kollegen Werner Heisenberg, Otto Hahn und Carl von Weizsäcker. Im Exil wollten sie ihnen zuvorkommen. "Sie haben sie für die ihrer Meinung nach ‚gute Seite‘ entwickelt", sagt Steinhauser. Allerdings überschätzten sie die Möglichkeiten der Deutschen: "Die haben nicht annähernd genug Ressourcen hineingesteckt. Hitler setzte auf Raketen-Technologie. Die Amerikaner hatten die besseren Forscher, und sie haben das Projekt mit nie dagewesenem Personal- und Ressourcenaufwand binnen drei Jahren finalisiert. Das ist unglaublich, vor allem, da man Plutonium gerade erst entdeckt hatte." Im Mai 1945 kapitulierte Deutschland, im Juli war die erste Bombe fertig. Währenddessen plagte einige Mitarbeiter das Gewissen.

Warnung oder Tod

Physik-Professor Norman Ramsay schlug vor, die Testwaffe zur Abschreckung vor der Bucht Tokios explodieren zu lassen: "Wer will schon unnütz Menschen sterben lassen, nur um sich selbst besser zu fühlen?" Auch Leó Szilárd, der Einstein überredet hatte, US-Präsident Roosevelt vor der deutschen Entwicklung einer Wunderwaffe zu warnen, versuchte nun, den Einsatz der Bombe zu verhindern: Er verfasste eine Petition, die 155 Wissenschaftler des "Manhattan Projects" unterschrieben. Vergebens. Steinhauser: "Die Amerikaner waren erpicht darauf, die Bombe am lebenden Objekt auszuprobieren. Man sagt, der Trinity-Test war der erste Test, die zwei weiteren waren Hiroshima und Nagasaki. Das ist menschenverachtend, wie es nur sein kann."

Oppenheimer hatte durchaus Zweifel, redete sich ein, die Menschen in Japan würden genug Zeit haben, um Schutz zu suchen. Solche moralischen Bedenken teilte sein Kollege Edward Teller nicht. Er trieb später auch Oppenheimers Entlassung voran, als dieser Kritik äußerte und einen Atomkrieg mit der Sowjetunion verhindern wollte. Teller attestierte ihm "politische Unzuverlässigkeit" - Oppenheimer, einst gefeiert als "Vater der Atombombe", wurde zum Staatsfeind und erst vier Jahre vor seinem Krebstod 1967 rehabilitiert.

Die erste Atombombe: Wettlauf ohne Sieger

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