Deutschland: Marihuana künftig auf Rezept

Internationale Drogenpolitik - der Mensch steht im Vordergrund
Die Regelung gilt nur für Schwerkranke. Der Eigenanbau bleibt weiterhin verboten.

Marihuana auf Rezept: Schwerkranke Menschen können in Deutschland künftig auf Kassenkosten Cannabisprodukte als Medizin erhalten, wenn ihnen nicht anders geholfen werden kann. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag einstimmig eine entsprechende Gesetzesnovelle. Der Eigenanbau von Cannabis bleibt in Deutschland aber verboten.

Mit der Neuregelung, die im März in Kraft tritt, wird es schwer erkrankten Patienten unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, getrocknete Cannabisblüten und Cannabisextrakte auf ärztliche Verschreibung in Apotheken zu erhalten. In Ausnahmefällen sollen Patienten auch Anspruch auf im Ausland zugelassene Fertigarzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon erhalten.

In Österreich sind Cannabisprodukte wie Marihuana nicht für die medizinische Behandlung freigegeben. Es gibt ausschließlich zugelassene Medikamente mit den Inhaltsstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und/oder Cannabidiol (CBD).

"Großer Schritt"

Abgeordnete aller Fraktionen im Bundestag lobten die neue Gesetzesregelung einhellig als großen Schritt in der Versorgung schwerkranker Menschen. Der Grünen-Abgeordnete Harald Terpe sagte, nach mehr als einem Jahrzehnt der Auseinandersetzungen über Cannabis als Medizin gehe für viele Patienten ein "Leidensweg" zu Ende.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hob vor allem die Verbesserung für Menschen in der Palliativversorgung hervor. Mit dem Gesetz wurde geregelt, dass ein Antrag auf Cannabis zu medizinischen Zwecken im Palliativbereich binnen drei Tagen genehmigt werden muss. Der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland (BVSD) sprach von einer "sinnvollen" Regelung, die einer Reihe von Patienten Erleichterung verschaffen könne.

Geplant ist ein staatlich kontrollierter Anbau in Deutschland durch eine Cannabisagentur. Bis dieses gewährleistet ist, soll die Versorgung mit Medizinalhanf durch Importe gewährleistet werden. Selbst anbauen dürfen Patienten Cannabis weiterhin nicht. Der Gesetzgeber begründet dies mit der "Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten".

Begleitstudie angekündigt

Eine Begleitstudie soll weitere Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis gewinnen. Dazu übermitteln die Ärzte künftig Daten etwa zu Diagnose, Therapie, Dosis und Nebenwirkungen anonymisiert an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Cannabis wird in der Medizin bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt, zum Beispiel gegen Übelkeit und zur Appetitsteigerung bei Krebs- und Aids-Patienten, bei Rheuma sowie bei spastischen Schmerzen bei Multipler Sklerose. Einigen Substanzen wird eine krampflösende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben.

Verschiedene Anwendungsbereiche

Eine exakte Definition der Krankheitsbilder gibt es im neuen Gesetz nicht. Cannabis kann helfen gegen Spastiken bei Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen bei Neuropathie, Rheuma oder Krebs. Es wirkt auch bei Appetitlosigkeit wegen Aids, Krebs oder Alzheimer oder bei Übelkeit nach Chemotherapien. Ein Arzt kann es auf Kosten der Krankenkassen verschreiben, wenn eine - laut Gesetz - "nicht ganz entfernt liegende Aussicht" auf eine positive Wirkung besteht. Die Patienten müssen - anonym - ihre Therapiedaten zur weiteren Erforschung der Cannabiswirkung zur Verfügung stellen.

Bisher haben bereits 1.020 Patienten eine Sondergenehmigung für Cannabis vom deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erhalten. In der Regel müssen sie die Kosten aber selbst tragen. Zwei Patienten wurde zudem die Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis erteilt. Mediziner schätzen, dass die Patientenzahlen zwar nach oben gehen werden, aber es im Ganzen doch Einzelfälle bleiben.

Die beim BfArM angesiedelte Cannabisagentur regeln, sie soll das Cannabis dann kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Ein BfArM-Sprecher sagte, die Einrichtung der Agentur werde schon vorbereitet. "Ziel ist es, dass die Cannabisagentur ohne Verzögerung ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn das Gesetz in Kraft tritt." Das soll im März sein.

Cannabis kann abhängig machen, in seltenen Fällen in eine Psychose führen. Außerdem können trockener Mund, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit auftreten. Vieles über medizinische Wirkungen ist noch nicht erforscht.

Kommentare