Alle Österreicher an Bord in Sicherheit

Zehn Menschen starben bei dem Fährunglück. Das Schicksal eines Salzburgers war vorerst unklar, nun gab es endlich Entwarnung. Ermittlungen gegen Kapitän aufgenommen.

Die erlösende Botschaft kam am Montagnachmittag. Italiens Premierminister Matteo Renzi bestätigte, dass alle Passagiere von der "Norman Atlantic" geborgen werden konnten. Allerdings berichteten italienische Medien (unter Verweis auf griechische) am Nachmittag von nicht korrekten Passagierlisten und 43 Personen, deren Verbleib ungewiss sei. Und der griechische Minister für Handelsschifffahrt, Miltadis Varvitsiotis, erklärte am Montag, dass rund 20 der über 400 Geretteten nicht auf der Passagierliste standen.

Mindestens zehn Menschen jedenfalls haben den Horror auf der Autofähre, die in der Nacht auf Sonntag vor Korfu in Brand geraten war, nicht überlebt. In der Zwischenzeit wurden gegen den Kapitän der Fähre Ermittlungen aufgenommen (Details dazu siehe ganz unten).

Auf Nadeln

Von den fünf Österreichern an Bord sind alle in Sicherheit. Nur vom Salzburger Erwin Schrümpf gab es zunächst kein Lebenszeichen.

Alle Österreicher an Bord in Sicherheit
Erwin Schrümpf Fähre Unglück Passagier
Sein Sohn Manfred Merseburger saß auf Nadeln: "Ich gehe davon aus, dass er unter den Geretteten ist. Leider hat er mich noch nicht angerufen", sagte er am Nachmittag zum KURIER. Der 50-Jährige Vater hatte im Auftrag der Griechenlandhilfe einen Hilfstransport durchgeführt und war auf dem Rückweg nach Österreich, als das Unglück passierte. Gegen 21 Uhr dann die gute Nachricht vom Außenministerium: Auch Schrümpf ist unter den Geretteten, er befand sich auf dem Rettungsschiff "San Giorgio". "Er soll so weit okay sein", sagte Merseburger erleichtert am Abend. Sobald klar ist, wohin der Salzburger nach der Rettung gebracht wurde, will sich sein Sohn zu ihm auf den Weg machen. "Wenn er in einem Spital ist, möchte ich natürlich an seiner Seite sein", sagt er.

Zwei Tiroler waren bereits am Sonntag mit Helikoptern von dem Schiff geflogen worden. Der Albtraum war für sie damit aber noch nicht zu Ende. Mehmet Ali Güyen aus dem Zillertal war zwar unter den ersten Geretteten: "Aber er ist immer noch auf dem Rettungsschiff und hat schreckliche Angst. Er möchte endlich weg vom Wasser", erzählte Haci Güyen, der Bruder des Tirolers, nach einem Telefonat am frühen Morgen.

Todesangst

Das war 24 Stunden nachdem er das erste Mal einen panischen Anruf seines Verwandten vom brennenden Schiff erhalten und die Leitstelle Tirol alarmiert hatte. Mehrere Telefonate folgten, in denen stets Todesangst mitschwang und von chaotischen Zuständen an Bord die Rede war. "Beim ersten Gespräch hat er sich verabschiedet und gesagt, dass er sterben wird", sagt Haci Güyen. Der Kontakt riss schließlich über bange Stunden hinweg ab. Am Nachmittag erhielt die Familie des zweifachen Vaters daheim in Schlitters endlich die Nachricht, dass der 44-Jährige in Sicherheit und unverletzt ist. Letzten Informationen zufolge wurde der Zillertaler am Montagnachmittag schließlich erneut mit einem Helikopter auf ein anderes Schiff gebracht, das ihn aufs griechische Festland bringen sollte.

Güyen und der zweite Tiroler waren mit einem Münchner Busunternehmen auf der Rückreise aus der Türkei. Die Fähre hätte sie vom griechischen Patras ins italienische Ancona bringen sollen. Vier Stunden nach einem Zwischenstopp in Igoumenitsa brach Feuer auf der "Norman Atlantic" aus. 478 Personen waren offiziell auf dem Schiff. Ihre Bergung war durch Wind, meterhohe Wellen und Rauch erschwert worden.

Alle Österreicher an Bord in Sicherheit

AT SEA GREECE ITALY FERRY ACCIDENT
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Handout video grab showing car ferry Norman Atlant
Alle Österreicher an Bord in Sicherheit

Passengers stand on the deck as car ferry Norman A
Alle Österreicher an Bord in Sicherheit

Firefighters carry a child from the "Spirit of Pir
Alle Österreicher an Bord in Sicherheit

People wave from aboard the "Spirit of Piraeus " c

Stark unterkühlt

Am Montagvormittag wurde schließlich auch eine Vorarlbergerin gerettet und in ein Krankenhaus bei der süditalienischen Stadt Lecce gebracht. Die Frau aus Dornbirn war stark unterkühlt. "Ich habe mit ihr gesprochen. Sie ist den Umständen entsprechend wohlauf", berichtete Geschäftsträgerin Gerda Vogl, die derzeit die österreichische Botschaft in Rom bis zum Eintreffen des neuen Botschafters leitet, nach der Rettung der Frau. Deren größte Sorge aber galt nicht ihr selbst, sondern ihrem Sohn, der sich noch auf der Fähre befand. Erst Stunden später konnte das Außenministerium in Wien auch da Entwarnung geben: Der junge Mann war glücklich auf dem Rettungsschiff "San Giorgio" eingetroffen.

Vogl war da bereits auf dem Weg nach Brindisi, wo sie am Abend mit Honorarkonsul Mauricio Musolino zusammentreffen wollte. Das Krankenhaus, in dem die Vorarlbergerin behandelt wurde, befindet sich südlich der Hafenstadt. Dort wurden nach dem Unfall Dutzende Verletzte aufgenommen und behandelt.

Ermittlungen gegen Kapitän

Indes hat die Staatsanwaltschaft der süditalienischen Stadt Bari Ermittlungen gegen Schiffskapitän Argilio Giamocomazzi und gegen den Eigentümer der italienischen Reederei Visemar, Carlo Visentini, aufgenommen, die das verunglückte Schiff "Norman Atlantic" besitzt. Der Vorwurf lautet auf fahrlässige Tötung.

Rückendeckung erhielt der Kapitän vom Admiral der italienischen Marine, Giuseppe De Giorgi: "Der Kapitän genießt meinen vollen Respekt, weil er mit größter Kompetenz und Würde seine Arbeit geleistet hat. Er hat als letzter das Schiff verlassen, wie es ein Kapitän tun muss", sagte De Giorgi.

Der Eigentümer der Reederei beteuerte, dass die Fähre erst am 19. Dezember einer Inspektion unterzogen worden war, bei der auch die Brandschutztüren überprüft wurden. Dabei sei eine "leichte Fehlfunktion" aufgefallen, die aber "zur Zufriedenheit der Inspektoren" behoben worden sei, versicherte Visentini.

"Das Schiff war völlig überladen, es war unglaublich voll. Sogar der Kapitän und die Schiffsbesatzung haben sich vor der Abfahrt beschwert. Dahinter stecken wirtschaftliche Interessen", erklärt ein geretteter türkischer Passagier bei seiner Ankunft in Bari. Lkw-Fahrer, die regelmäßig auf der Strecke zwischen den griechischen Hafenstädten Patras und Igoumenitsa Richtung Italien unterwegs waren, berichteten, dass sie sich seit Langem vor einem Unglück fürchteten. Schwere Vorwürfe werden gegen die italienische Reederei Visentini erhoben: Die Sicherheitsmängel an Bord der "Norman Atlantic" seien gravierend gewesen.

Vor zehn Tagen war die Autofähre bei Sicherheitskontrollen durchgefallen. Bei einer Überprüfung am 19. Dezember in der Hafenstadt Patras wurden insgesamt sechs Mängel beanstandet – darunter fehlerhafte Sicherheitssysteme wie etwa Notbeleuchtung. Dazu kommt, dass einige Brandschutztüren nur mangelhaft funktionierten. Aktuell ist noch nicht klar, ob dies eine Rolle bei dem Feuer gespielt hat. Die Fehler wurden von der Sicherheitsbehörde jedoch als nicht so dramatisch eingestuft, dass sie ein Fahrverbot über das fünf Jahre alte Schiff verhängt hätte. Dennoch – so lautete die Auflage – mussten die Mängel so schnell wie möglich repariert werden. Der Chef der Reederei, Carlo Visentini, wies alle Vorwürfe zurück und erklärte, dass die Sicherheitslücken sofort behoben wurden.

Erst im September 2014 wurde das Schiff vom Registro Italiano Navale (RINA), einer Schiffsklassifikationsgesellschaft, generalüberprüft. Dabei gab es keine Einwände, und die "Regelmäßigkeit bei Navigation" wurde bestätigt.

Der Kapitän, der 62-jährige Italiener Argilio Giacomazzi, verließ gestern, Montag, um 14.50 Uhr als Letzter die Fähre. "Er ist ein erfahrener Kapitän, der auf eine 40-jährige Karriere zurückblicken kann", sagte seine Schwester Dorinda Giacomazzi.

Die italienische Marine war bei der Bergungsaktion im Sturm auf hoher See im Dauereinsatz. "Eine Intervention so voller Leidenschaft, Hingabe und Ausdauer hat eine echte Katastrophe verhindert", lobte Premier Matteo Renzi bei seiner Jahresabschlusspressekonferenz die Marina Militare.

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