Schießerei: "Reichsbürger" verletzte Polizisten schwer

Am Tatort in Mittelfranken .
Vier Polizisten werden in Mittelfranken durch Schüsse verletzt - Polizei vermeldete fälschlicherweise Tod eines Polizisten und korrigierte dies später.

Nach den Schüssen eines "Reichsbürgers" auf Polizisten in Mittelfranken schwebt ein Beamter weiter in akuter Lebensgefahr. Das teilte eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken am Mittwochabend mit und entschuldige sich für eine vorige falsche Information. Zuvor hatte die Polizei den Tod des Beamten mitgeteilt.

Hinweis: Wir entschuldigen uns für die Falschmeldung. Unter Berufung auf Polizeiinformationen meldete auch Kurier.at in einer früheren Version des Artikels den Tod des Polizeibeamten.

Der 49-jährige Wolfgang P. hatte gegen 6.30 Uhr, als die Beamten in sein Haus eindrangen, das Feuer auf diese eröffnet. Wolfang P. ist ein Jäger, der 31 Lang- und Kurzwaffen zunächst legal besaß. Von den Behörden wurde er aber nicht mehr als zuverlässig eingestuft. Deshalb sollten ihm seine Waffen entzogen werden. Zuvor hatten die Behörden seinen Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte als ungültig erklärt.

Ein 31 Jahre alter SEK-Beamter erlitt bei der Schießerei einen Durchschuss am Oberarm, zwei weitere Polizisten (beide 37) wurden durch Glassplitter verletzt. Der Täter wurde festgenommen. Die Behörden hatten am Mittwoch zu Mittag mitgeteilt, gegen den Schützen werde wegen versuchten Mordes ermittelt. Am Donnerstag soll er einem Ermittlungsrichter zur Klärung der Haftfrage vorgeführt werden.

Der Tatverdächtige eröffnete den Angaben zufolge durch eine geschlossene Tür das Feuer auf die Polizisten. Wieviele Schüsse er abgab, war zunächst unklar. Alleine der 32-jährige Beamte sei aber dreimal getroffen worden. Anders als zunächst von der Polizei gemeldet, blieb der Tatverdächtige selbst unverletzt. Er habe eine Schutzweste getragen.

"Bisher nicht gekannte Eskalation"

"Ich bin entsetzt über den Fall", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Es sei eine "bisher so in Bayern nicht gekannte Eskalation". Bayern will nun allen Anhängern der Gruppierung den Waffenbesitz untersagen. "Wer die deutsche Rechtsordnung ablehnt, der bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen", erklärte Herrmann.

Die "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Stattdessen behaupten sie, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Häufig legen sie dabei die Grenzen von 1937 zugrunde. Daher sprechen sie dem Grundgesetz, Behörden und Gerichten die Legitimität ab und akzeptieren auch amtliche Bescheide nicht. "Darunter sind Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher, aber auch Rechtsextremisten", sagte ein Sprecher des bayerischen Verfassungsschutzes.

Auch der Tatverdächtige Wolfang P. ist Anhänger dieser Haltung, wie die Behörden mitteilten. Er habe sich im Juli bei seiner Gemeinde abgemeldet, obwohl er weiter in seinem Haus wohnte und habe auch keine Kfz-Steuer mehr gezahlt, weil die "Reichsbürger" das Steuersystem nicht akzeptieren.

Zwischenfälle mit "Reichsbürgern"

Bereits in jüngerer Zeit war es zu Zwischenfällen mit "Reichsbürgern" gekommen. Ende August schoss ein 41-Jähriger in Sachsen-Anhalt ebenfalls auf Polizisten. Ebenfalls im August verweigerte in Baden-Württemberg ein 60-Jähriger eine Verkehrskontrolle und verletzte einen Polizisten, als er mit seinem Auto einfach wegfuhr.

Herrmann sagte, die Gefährlichkeit der "Reichsbürger" müsse nach diesem Vorfall höher als bisher eingeschätzt werden. Der Verfassungsschutz solle genau überwachen, "welche Umtriebe hier stattfinden". Es sollten "alle präventiven und repressiven Maßnahmen", die möglich seien, angewandt werden.

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke warf der Bundesregierung vor, die Gefahr der Gruppe bisher unterschätzt zu haben. Mit dem Vorfall in Georgensgmünd müsse das vorbei sein. "Damit dürfte die viel zu lange von Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung gepflegte Mär, wonach es sich bei den sogenannten Reichsbürgern vor allem um Querulanten und Spinner handelt, widerlegt sein", sagte Jelpke der Nachrichtenagentur AFP.

Die Grünen-Innenexpertin Irelne Mihalic sagte, es könne nicht sein, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die "Reichsbürger" noch immer nicht auf den Schirm nehme.

30 bis 40 Personen aus der Reichsbürgerszene sind nach Angaben des bayerischen Verfassungsschutzes derzeit dem Rechtsextremismus zuzuordnen. „Unsere Beobachtung betrifft insbesondere die Gruppe der Exilregierung Deutsches Reich“, teilte ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz am Mittwoch in München mit. „Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch.“

In den vergangenen Jahren hätten die Behörden vermehrt Aktivitäten der „Reichsbürger“ beobachtet, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, das Rechtssystem nicht anerkennen und den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen. Die Bewegung habe keine Organisationsstruktur und keinen Vorsitz. „Der Kreis derer, die sich den Reichsbürgern irgendwie zugehörig fühlen, ist in der letzten Zeit deutlich gewachsen“, sagte der Sprecher. „Darunter sind Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher, aber auch Rechtsextremisten.“

„Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sehen wir ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein gesellschaftliches Umfeld hinein, das bislang nicht in diesen Strukturen organisiert war“, teilte der Sprecher weiter mit. Zu solchen Kreisen, die dem Rechtsextremismus ideologisch nahe stehen, zähle auch die Reichsbürgerszene. „Insofern ist es nicht auszuschließen, dass Personen aus dieser Szene auch Radikalisierungsprozesse durchlaufen.“

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