"Reichsbürger" schießt Polizisten nieder

Der 49-jährige Täter eröffnete sofort das Feuer und verletzte vier Polizisten zum Teil schwer.

Ein Anhänger der rechtsgerichteten "Reichsbürger" hat bei einer Waffenrazzia im fränkischen Georgensgmünd auf Polizisten eines Sondereinsatzkommandos (SEK) geschossen. Dabei verletzte er einen 32 Jahre alten Beamten lebensgefährlich, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch im fränkischen Roth vor Journalisten mitteilte.

Noch drei weitere Polizisten erlitten Verletzungen. Herrmann kündigte ein schärferes Vorgehen gegen die Bewegung in Bayern an.

Das SEK wollte in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt Roth die Waffen des Mannes sicherstellen. Da der 49-jährige Jäger und Sportschütze sich seit Wochen den Behörden verweigert habe und Mitarbeitern keinen Zutritt zur Kontrolle seiner Waffen gestattet habe, sei ihm wegen Unzuverlässigkeit der Waffenschein entzogen worden. Bei der Razzia sollten seine über 30 Waffen sichergestellt werden.

Lebensgefährlich verletzt

Wie Herrmann und der mittelfränkische Polizeipräsident Johann Rast mitteilten, eröffnete der Tatverdächtige nach dem Eindringen der Polizei in sein Haus das Feuer auf die Beamten. Bei einem Polizisten drang eine Kugel durch die Schutzweste in den Körper ein. Herrmann sagte, der Mann sei direkt operiert worden. Sein Zustand sei "eher stabil, aber nach wie vor lebensgefährlich".

Ein 31 Jahre alter Polizist habe einen Durchschuss im Oberarm erlitten, zwei 37 Jahre alte Polizisten leichte Verletzungen durch Glassplitter. Die Staatsanwaltschaft beantragte einen Haftbefehl wegen versuchten Mordes, die Entscheidung über die Eröffnung soll am Donnerstag fallen.

Der Tatverdächtige eröffnete den Angaben zufolge durch eine geschlossene Tür das Feuer auf die Polizisten. Wieviele Schüsse er abgab, war zunächst unklar. Alleine der lebensgefährlich verletzte Beamte sei aber dreimal getroffen worden. Anders als zunächst von der Polizei gemeldet blieb der Tatverdächtige selbst unverletzt. Er habe eine Schutzweste getragen.

Zwischenfälle mit "Reichsbürgern"

Bereits in jüngerer Zeit war es zu Zwischenfällen mit "Reichsbürgern" gekommen. Ende August schoss ein 41-Jähriger in Sachsen-Anhalt ebenfalls auf Polizisten. Ebenfalls im August verweigerte in Baden-Württemberg ein 60-Jähriger eine Verkehrskontrolle und verletzte einen Polizisten, als er mit seinem Auto einfach wegfuhr.

Die "Reichsbürger" lehnen die Bundesrepublik ab. Sie gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen von 1937 noch existiert. Auch der Tatverdächtige aus Georgensgmünd ist Anhänger dieser Haltung, wie die Behörden mitteilten. Er habe sich im Juli bei seiner Gemeinde abgemeldet, obwohl er weiter in seinem Haus wohnte und habe auch keine Kfz-Steuer mehr gezahlt, weil die "Reichsbürger" das Steuersystem nicht akzeptieren.

Gefahr falsch eingeschätzt

Herrmann sagte, die Gefährlichkeit der "Reichsbürger" müsse nach diesem Vorfall höher als bisher eingeschätzt werden. Der Verfassungsschutz solle genau überwachen, "welche Umtriebe hier stattfinden". Es sollten "alle präventiven und repressiven Maßnahmen", die möglich seien, angewandt werden.

Die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke warf der Bundesregierung vor, die Gefahr der Gruppe bisher unterschätzt zu haben. Mit dem Vorfall in Georgensgmünd müsse das vorbei sein. "Damit dürfte die viel zu lange von Sicherheitsbehörden und der Bundesregierung gepflegte Mär, wonach es sich bei den sogenannten Reichsbürgern vor allem um Querulanten und Spinner handelt, widerlegt sein", sagte Jelpke der Nachrichtenagentur AFP.

Die Grünen-Innenexpertin Irelne Mihalic sagte, es könne nicht sein, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die "Reichsbürger" noch immer nicht auf den Schirm nehme.

"Reichsbürger" klar "rechtsextrem"

30 bis 40 Personen aus der Reichsbürgerszene sind nach Angaben des bayerischen Verfassungsschutzes derzeit dem Rechtsextremismus zuzuordnen. „Unsere Beobachtung betrifft insbesondere die Gruppe der Exilregierung Deutsches Reich“, teilte ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz am Mittwoch in München mit. „Ihre Ideologie ist völkisch und antisemitisch. Das ist klar rechtsextremistisch.“

In den vergangenen Jahren hätten die Behörden vermehrt Aktivitäten der „Reichsbürger“ beobachtet, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland bestreiten, das Rechtssystem nicht anerkennen und den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen. Die Bewegung habe keine Organisationsstruktur und keinen Vorsitz. „Der Kreis derer, die sich den Reichsbürgern irgendwie zugehörig fühlen, ist in der letzten Zeit deutlich gewachsen“, sagte der Sprecher. „Darunter sind Querulanten, Spinner, Verschwörungstheoretiker und Geschäftemacher, aber auch Rechtsextremisten.“

„Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise sehen wir ein Ausfransen der rechtsextremistischen Szene in ein gesellschaftliches Umfeld hinein, das bislang nicht in diesen Strukturen organisiert war“, teilte der Sprecher weiter mit. Zu solchen Kreisen, die dem Rechtsextremismus ideologisch nahe stehen, zähle auch die Reichsbürgerszene. „Insofern ist es nicht auszuschließen, dass Personen aus dieser Szene auch Radikalisierungsprozesse durchlaufen.“

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