Polizist überfahren: Ermittlungen gegen Filmer

Polizist überfahren: Ermittlungen gegen Filmer
Nach Veröffentlichung des Videos durch den KURIER wird der Polizeieinsatz nun auch in Ungarn diskutiert.

Der dramatische Polizeieinsatz in Apátfalva wird nun auch in Ungarn infrage gestellt. Der KURIER veröffentlichte am Dienstag online als erstes Medium ein Video des Vorfalls, das der Schilderung der ungarischen Justiz widerspricht (siehe Artikelende). Mehrere ungarische Zeitungen und TV-Sender übernahmen den Bericht, der zu den meistgelesenen Artikeln in der Geschichte von KURIER.at zählt.

Am 11. Oktober überfuhr der Salzburger Thomas B., 43, den 34-jährigen Motorradpolizisten Imre Kenéz in dem südungarischen Ort.  B. war mit vier anderen Deutschen von einem Offroad-Trip in Rumänien am Heimweg gewesen. Der Ungar starb. B. steht seitdem unter Mordverdacht: Die ungarische Justiz bezichtigt den vorbestraften Salzburger, den Beamten absichtlich getötet zu haben.

14 Schüsse

Ein 26-jähriger Deutscher zeichnete jedoch die Minuten vor der Eskalation auf: Eine Szene legt nahe, dass B. durch das offene Pkw-Fenster mit Pfefferspray attackiert worden war, bevor er den Polizisten überfuhr. Er könnte quasi im Blindflug das Gaspedal durchgetreten haben. Überdies geht hervor, dass der  34-jährige Motorradpolizist keine Straßensperre mitten auf der Fahrbahn aufgebaut hatte, sondern am rechten Bankett gestanden war. Und, dass jener Beamte, der B. mit Reizgas attackiert haben soll, 14-mal (!) auf den Österreicher feuerte. Der Zeuge macht den Beamten für den dramatischen Ausgang des Polizeieinsatzes mitverantwortlich. Er beschuldigt den Ordnungshüter massiv: „Für mich sah das wie eine Hinrichtung aus.“ Einige Schüsse sollen aus nächster Nähe abgegeben worden sein. Anstatt von einem Mord spricht der 26-jährige Mitreisende von einem „Unfall“.

Ermittlungen gegen Filmer

Wie schon zuletzt, als der KURIER eine auf Wunsch der Zeugen gekürzte Version des Videos veröffentlicht hatte, reagierte die ungarische Staatsanwaltschaft postwendend: Sie leitete nun laut der ungarischen Zeitung blikk Ermittlungen gegen den Filmer ein. Der Verdacht: Unterschlagung eines Beweismittels. Unerwähnt blieb im Bericht, dass die Original-Version des Videos den ungarischen Behörden laut den Mitreisenden vor mehreren Wochen und vor der Veröffentlichung übermittelt worden war. „Darauf haben wir Wert gelegt“, erklärt der Urheber dem KURIER. Aus Angst, die Aufnahme könnte unterschlagen werden, hatte er die Aufnahme einbehalten und erst später der ungarischen Justiz übermittelt.

Unverständnis gab es in Ungarn auch an der unterlassenen Hilfe für den Polizisten. Am Video ist zu sehen, wie Kenéz minutenlang am Boden liegt, ohne, dass sich jemand um ihn kümmert. Der oberste Sanitäter des Landes übte auf RTL Ungarn heftige Kritik.  

Die Kommentare auf dem Video geben die Beobachtungen der Zeugen wider. Um es einer noch breiteren Öffentlichkeit in Ungarn zugänglich zu machen, lassen sie es nun vom Deutschen ins Ungarische übersetzen. Eine Veröffentlichung ist via Facebook geplant.

Thomas B., der weiterhin unter Mordverdacht steht, liegt in einem Gefängnisspital in Tököl, südlich von Budapest. Mehrere Gutachter sind beauftragt, den Vorfall zu untersuchen.

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