Passagier aus Flugzeug gezerrt: Rassismusvorwurf in China

Riesige Empörung nach brutalem Vorfall in United Airlines-Flugzeug: Besonders Chinesen regen sich in den sozialen Netzwerken auf. Sicherheitsmann wurde beurlaubt.

Entrüstung im Netz und Boykottaufrufe gegen United Airlines: Weil sie einen Passagier mit Gewalt aus einem überbuchten Flugzeug zerren ließ, hat die US-Fluggesellschaft einen Sturm der Entrüstung ausgelöst und sich ein PR-Desaster eingehandelt. Aufnahmen des Vorfalls verbreiteten sich am Montag in den sozialen Netzwerken und gehörten zu den meist diskutierten Themen auf Twitter, Facebook und Google.

Die Videos zeigen, wie drei Polizisten den Mann auffordern, seinen Platz zu räumen. Er gab an, Arzt zu sein und seinen Dienst am nächsten Tag antreten zu müssen. Als er sich weigert, reißt ihn einer der Beamten trotz Gegenwehr ruckartig von seinem Sitz weg, dabei schlägt der Kopf des Mannes offenbar auf der Lehne der gegenüberliegenden Sitzplatzreihe auf. Die Schreie des Passagiers verstummen plötzlich und der offensichtlich benommene Mann wird über den Gang zum Ausstieg geschleift. Die anderen Insassen reagieren schockiert. "Oh mein Gott, was habt ihr mit ihm gemacht?" ruft eine Frau.

Der Vorstandsvorsitzende von United, Oscar Munoz, entschuldigte sich mit folgenden Worten: "Das ist ein Vorfall, der uns bei United alle ärgert", das Unternehmen werde sich an den betroffenen Passagier wenden.

Passagier aus Flugzeug gezerrt: Rassismusvorwurf in China
FILE PHOTO -- Chief Executive Officer of United Airlines Oscar Munoz introduces a new international business class dubbed United Polaris in New York, U.S. June 2, 2016. REUTERS/Lucas Jackson/File Photo
Die Fluggesellschaft hatte den Flug von Chicago nach Louisville (Kentucky) überbucht und bat Passagiere, den Flieger wieder zu verlassen. Einer der Gründe war laut Berichten, dass eine United-Crew dringend an Bord sollte, weil sie für einen Flug am nächsten Morgen in Louisville eintreffen musste.

Vier Freiwilligen, die eine Nacht länger in Chicago bleiben würden, habe die Fluggesellschaft eine kostenlose Hotelübernachtung sowie 400 Dollar Prämie geboten. Später habe United das Prämienangebot sogar auf 800 Dollar verdoppelt. Da sich aber keiner gemeldet habe, seien Passagiere per Zufall von einem Computer ausgewählt worden.

Der dann gewaltsam hinausgezogene Passagier ging nicht auf das Angebot ein, mit der Begründung, er sei Arzt und müsse am nächsten Tag Termine mit Patienten in Louisville einhalten. Er habe sich gewehrt und geschrien, jedoch ohne Erfolg.

Empörung in China

Der Zwischenfall hat auch in China eine Welle wütender Kommentare ausgelöst. Nutzer teilten am Dienstag millionenfach einen US-Medienbericht, wonach der brutal von Sicherheitsleuten aus dem Flugzeug gezogene Mann angab, Chinese zu sein.
"Es ist unglaublich, wie diese Fluggesellschaft einen Gast behandelt, weil er eine asiatisches Gesicht hat", kommentierte die Nutzerin Susu auf dem Nachrichtendienst Wechat. "Was für eine Diskriminierung", empörte sich ein anderer Nutzer. Auch auf dem twitterähnlichen Dienst Weibo wurde der Fall heiß diskutiert und ein Bild von einem durchgestrichene Logo der US-Fluggesellschaft geteilt.
"Eins ist klar. United muss sich künftig nicht mehr um Überbuchungen kümmern. Denn wir Chinesen werden sie boykottieren“, schrieb ein Nutzer namens Lengmei. Bis zum Dienstagnachmittag (Ortszeit) teilten 180 Millionen Nutzer auf Weibo Beiträge zum Thema.

Sicherheitsbeamter beurlaubt

Die zuständige Behörde beurlaubte inzwischen bis zur Klärung der Vorfälle den Sicherheitsbeamten, der den Mann vor den Augen laufender Handykameras von seinem Sitz und durch den Kabinengang gezogen hatte. "Der Vorfall auf dem United-Flug 3411 war nicht im Einklang mit unserem standardmäßigen Prozedere", hieß es in einem Statement der Flugsicherheitsbehörde in Chicago. Die Behörde sei mit den Handlungen nicht einverstanden. Es werde eine "sorgfältige Überprüfung" des Vorfalls geben.

Überbuchung üblich

Das Überbuchen von Inlandsflügen ist in den USA üblich. Die Fluggesellschaften rechnen auf vielgebuchten Strecken damit, dass pro Flug einige Passagiere nicht erscheinen und nehmen mehr Buchungen an, als Sitzplätze zur Verfügung stehen. Im vergangenen Jahr mussten nach offiziellen Angaben fast eine halbe Million Fluggäste zurückbleiben, obwohl sie einen Flug gebucht und bezahlt hatten. In den meisten Fällen nehmen sie die Angebote der Fluglinien an, die oft Gutscheine für Rabatte oder Freiflüge ausgeben.

US-Fluggesellschaften dürfen laut Verkehrsministerium bei Überbuchung eines Flugs Passagiere auch gegen ihren Willen abweisen, wenn keine Freiwilligen gefunden werden. Diese Regelung gilt auch in der EU.

"Kinder haben geweint"

Tyler Bridges, einer der Passagiere, die ihre Videos ins Netz stellten, kommentierte: "Keine gute Art, einen Doktor zu behandeln, der zurück zur Arbeit will." Der Vorfall habe die Passagiere an Bord "verstört". "Kinder haben geweint", schilderte Bridges. Nach seinen Angaben blutete der Passagier nach dem Polizeieinsatz. Auf Bridges' Video war zu sehen, wie der Passagier hektisch und offenbar verwirrt den Gang im Flugzeug zurücklief und immer wieder "Ich muss nach Hause" sagte.

Aufschrei mit "Legginggate"

Die US-Fluglinie hatte erst Ende März für einem Aufschrei in den sozialen Netzwerken gesorgt, weil sie zwei mit Leggings bekleideten Mädchen den Einstieg in eine Maschine verweigerte. Nach Angaben von United Airlines handelte es sich um Angehörige von Airline-Mitarbeitern, die umsonst oder zu stark reduzierten Preisen fliegen können.

Von diesen werde erwartet, dass sie sich an einen bestimmten Dress Code hielten, rechtfertigte die Fluggesellschaft ihr Vorgehen. Für normal zahlende Passagiere gelte dagegen, dass sie auch in Leggings an Bord willkommen seien.

Diese greift, wenn Reisende von einem Flughafen innerhalb der EU abfliegen oder mit einer europäischen Airline in ein EU-Land reisen. Wenn eine Fluggesellschaft absehen kann, dass sie nicht alle Kunden befördern kann, muss sie zunächst nach Freiwilligen suchen, die vom Flug zurücktreten.

Airlines bieten dafür in der Regel attraktive Gegenleistungen, Fluggäste können aber auch selbst über diese verhandeln. Findet die Fluggesellschaft dennoch nicht genügend Freiwillige, kann sie sich entscheiden, bestimmte Reisende nicht zu befördern. Diese haben dann nicht nur Anspruch auf eine Erstattung des Ticketpreises oder einen Ersatzflug, sondern auch auf eine Schadenersatzpauschale, je nach Flugdistanz zwischen 250 und 600 Euro.

Außerdem müssen die Fluggesellschaften den Reisenden bei langen Wartezeiten Erfrischungen, Mahlzeiten und Kommunikationsmöglichkeiten bieten sowie gegebenenfalls für Übernachtungen aufkommen. Diese Rechte gelten aber nur für Kunden, die rechtzeitig und mit gültigem Ticket am Schalter sind.

Ein Polizist des Flughafens Chicago hatte einen Passagier der United Airlines am Sonntag (Ortszeit) aus einem überbuchten Flugzeug geschleift, weil dieser nicht hatte aussteigen wollen. Mit dem brutalen Rausschmiss hat sich die US-Fluggesellschaft heftige Kritik in den Online-Netzwerken und Boykottaufrufe eingehandelt. Das Unternehmen hat sich mittlerweile entschuldigt und werde "den Fall untersuchen".

(APA/AFP)

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