Massive Proteste: Burkini-Tag in Provence-Schwimmbad fällt ins Wasser

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Es habe in den sozialen Netzwerken ausländerfeindliche Reaktionen gegeben, die er verdamme, berichtete der Bürgermeister.

Nach massiven Protesten fällt der geplante Burkini-Tag eines Frauenvereins in einem südfranzösischen Schwimmbad aus. Der Bürgermeister des Ortes Pennes-Mirabeau bei Marseille, Michel Amiel, und der Chef des Erlebnisbades verständigten sich auf die Absage, berichteten der französische Sender France Bleu Provence und andere Medien am Dienstag.

"Das ist eine gute Entscheidung, die Ruhe in die Sache bringt", sagte Amiel laut Internetseite des Senders. Die Organisation Smile 13 aus Marseille, wo viele Muslime leben, hatte das Bad für einen Mutter-Kind-Tag im September komplett gebucht.

Sie rief die Frauen auf, Badekleidung zu tragen, die den Körper von der Brust bis zu den Knien bedeckt. Weil männliche Bademeister anwesend seien, habe der Verein ausgehandelt, dass auch Burkinis erlaubt sind - diese bedecken den ganzen Körper.

Islamophobe Reaktionen

Massive Proteste: Burkini-Tag in Provence-Schwimmbad fällt ins Wasser
THEMENBILD - Der Burkini ist ein Ganzkörper-Badeanzug für Musliminnen. Im Bild sitzt eine muslimische Schülerin am 23. Juni 2009 im Westbad in Freiburg (Deutschland) in einem Burkini am Rande des Schwimmbeckens. (Archivbild)
Es habe in den sozialen Netzwerken ausländerfeindliche, rassistische und islamophobe Reaktionen gegeben, die er verdamme, berichtete der Bürgermeister laut France Bleu Provence. Der konservative südfranzösische Abgeordnete Eric Ciotti kommentierte beim Kurznachrichtendienst Twitter, die Absage sei ein "Sieg unserer Werte":

Debatten um die Verhüllung muslimischer Frauen nehmen in Frankreich schnell hysterische Züge an. Und auch der frisch entbrannte Streit um sogenannte Islamic Fashion - um modische Kleidung für Musliminnen - hat schnell Dimensionen erreicht, bei denen viele sich verwundert die Augen reiben.

Rossignol gegen spezielle Kollektionen

In dem Land, das noch traumatisiert ist von den islamistischen Anschlägen vom 13. November, wird gerade mit scharfen Worten über Mode, Religion und Frauenrechte gestritten - Kleidung wird zum Politikum. Am Anfang der Debatte steht die Sozialistin Laurence Rossignol, französische Ministerin für Familie, Kinder und Frauenrechte. Sie empörte sich in einem Interview über große Modefirmen wie Marks & Spencer, Mango, Dolce & Gabbana und Uniqlo, die

schicke Kleidung für praktizierende Musliminnen
anbieten, etwa den bekannten Ganzkörperbadeanzug Burkini - eine Wortschöpfung aus Burka und Bikini - und das Hidschab-Kopftuch.
Massive Proteste: Burkini-Tag in Provence-Schwimmbad fällt ins Wasser
Minister for the Family, Children and Women's Rights, Laurence Rossignol delivers a speech during the launching of the High Council for Equality between Women and Men (HCEfh) on International Women's Day at the Elysee Palace in Paris on March 8, 2016. / AFP / THOMAS SAMSON

"Unverantwortlich" sei das von den Herstellern, wetterte die Ministerin: "Sie entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung und werben in gewisser Weise für ein Einsperren des weiblichen Körpers." Als der Interviewer entgegenhielt, einige muslimische Frauen trügen die Kleidung aus freien Stücken und ganz bewusst, setzte Rossignol zu einem Vergleich an, den sie schnell bereuen sollte: "Es gab auch amerikanische Neger, die für die Sklaverei waren."

Über die Ministerin brach sofort ein Sturm der Entrüstung herein. Nicht nur wegen des Wortes "Neger", für das sie sich schnell entschuldigte. Der Präsident der Beobachtungsstelle für Islamfeindlichkeit, Abdallah Zekri, warf Rossignol eine "Stigmatisierung" muslimischer Frauen vor und legte später noch einen drauf: Die Ministerin helfe den Anwerbern der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat". Fast 20.000 Menschen unterschrieben bis Donnerstag eine Online-Petition für einen Rücktritt der 58-Jährigen.

"Komplizen dieser Diktatur"

Rossignol erhielt aber auch Beistand: Der bekannte Geschäftsmann Pierre Berge, langjähriger Lebenspartner des Modeschöpfers Yves Saint Laurent und Mitbegründer des gleichnamigen Modehauses, findet die islamisch angehauchten Angebote der westlichen Bekleidungsfirmen "skandalös". "Ich dachte immer, dass ein Modeschöpfer dazu da sei, Frauen schöner zu machen, ihnen Freiheit zu geben, und nicht Komplizen dieser Diktatur zu sein, die Frauen dazu zwingt, sich zu verstecken."

"Verzichtet auf Geld, habt Überzeugungen!", rief Berge den Anbietern der Islamic Fashion zu. Und die bekannte französische Modeschöpferin Agnes Trouble warnte davor, solche Bekleidung zu "verharmlosen".

Massive Proteste: Burkini-Tag in Provence-Schwimmbad fällt ins Wasser
Die laizistische Modenation Frankreich, in der mehr Muslime leben als in jedem anderen europäischen Land, ringt schon seit langem mit dem richtigen Umgang mit muslimischer Kleidung. Vor rund fünf Jahren trat ein umstrittenes Burka-Verbot in Kraft.

Schon 2004 war an Frankreichs öffentlichen Schulen verboten worden, die Religionszugehörigkeit offen zur Schau zu stellen - was insbesondere auf muslimische Kopftücher abzielt. Vor einem Jahr sorgte der Fall einer muslimischen Schülerin für Aufsehen, die vom Unterricht ausgeschlossen wurde; die Direktorin interpretierte einen langen schwarzen Rock der 15-Jährigen als religiöses Symbol.

Reaktion auf Nachfrage

Hinter solchen auf den ersten Blick verwunderlichen Auseinandersetzungen steht die Sorge, junge Muslime könnten sich von der Gesellschaft abkapseln - und in einer geschlossenen Gemeinschaft radikalisieren. Gerade nach den Anschlägen von Paris und Brüssel liegen die Nerven blank.

Erst kürzlich sorgte Städtebauminister Patrick Kanner mit der Aussage für Wirbel, in Frankreich gebe es "rund hundert" Problemviertel, die Ähnlichkeiten mit Molenbeek hätten, dem wegen seiner Jihadistenszene berüchtigten Brüsseler Stadtteil, aus dem mehrere der Paris-Attentäter stammten.

Die aufgeheizte Stimmung erklärt, warum der Streit um modische Burkinis so schnell ausarten konnte. Für den muslimischen Blogger Fateh Kimouche eine vollkommen unnötige Polemik: Das Angebot der großen Marken sei ganz einfach eine Reaktion auf die Nachfrage, "dahinter stehen keine dicken Bärtigen", sagt er. "Man sollte vielleicht ein bisschen pragmatisch sein."

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