Italien: Vor dem Beben heulten die Hunde

Die zerstörte St. Benedikt-Kirche in Norcia
Tausende Menschen können nicht in ihre Häuser. Die Angst vor weiteren Beben steigt.

Nach dem schweren Erdbeben in Mittelitalien haben Tausende Menschen die Nächte in Zelten, Notunterkünften oder im Auto verbracht. Mehr als 15.000 Menschen seien in den Unterkünften des Zivilschutzes versorgt worden, teilte die Behörde am Montag mit. Die Zahl der Obdachlosen wird aber weit höher geschätzt.

Einige kamen die Nacht auch in einem Zug unter, den die Bahngesellschaft Trenitalia in der Stadt Fabriano zur Verfügung gestellt hatte. Nachbeben, darunter auch zwei von mehr als Stärke 4, in der sowieso schon hart getroffenen Region verunsicherten die Menschen weiter. Auch in Rom wurden mögliche Schäden untersucht.

"Die Seele Italiens ist unruhig", erklärte Premierminister Matteo Renzi in seinem Newsletter. Das Erdbeben habe "das Herz" Italiens verwüstet. "Diese Dörfer sind die Identität Italiens: Wir müssen alles wiederaufbauen, schnell und gut."

"Hier wackelt alles"

Viele Menschen sind verzweifelt. "Schlafen? Hier wackelt alles, wie willst du da schlafen?", sagte der Bürgermeister des Dorfes Ussita, Marco Rinaldi. "Die Wahrheit ist, dass der Alptraum nicht vorbei ist, es ist die Angst, die uns einen neuen Schlag gibt."

Tausende Menschen wurden an die Adria-Küste gebracht. Andere wollten ihre Heimatorte allerdings nicht verlassen und schliefen in Autos. Auch Gebäude, die nicht in sich zusammengefallen sind, müssen von einem Techniker überprüft werden. Viele Menschen dürfen daher nicht in ihre Häuser zurück. Die Regierung wollte am Montagabend zu einer Kabinettssitzung zusammenkommen und über Hilfe in der Apennin-Gebirgsregion beraten.

Das Beben der Stärke 6,5 hatte am Sonntag historische Ortschaften zerstört. Dabei wurden auch Kulturgüter, wie zum Beispiel die Basilika San Benedetto in der umbrischen Kleinstadt Norcia, schwer beschädigt.

Hinweise erwartet

Das Kulturministerium erwarte nun seit dem schweren Beben im August, bei dem 298 Menschen starben, rund 5.000 Hinweise auf mögliche Schäden, sagte die Ministeriums-Generalsekretärin Antonia Pasqua Recchia. Tote gab es nicht, auch weil viele Orte schon nach dem August-Beben teils geräumt waren.

Selbst im rund 110 Kilometer Luftlinie entfernten Rom entstanden Schäden. Die historische Verkehrsbrücke Ponte Mazzini über den Tiber, die Trastevere mit dem historischen Zentrum verbindet, wurde gesperrt. Ein möglicher Riss wurde untersucht, berichteten italienische Medien mit Berufung auf die Feuerwehr. Auch zwei Kirchen im Stadtzentrum wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt, darunter nach Informationen von Ansa die Kirche San Francesco im Stadtviertel Monti und die Kirche am Platz Sant'Eustachio, der bei Touristen sehr beliebt ist. Auch in der Küstenstadt Ancona meldeten sich zahlreiche Bewohner bei den Behörden, um ihre Gebäude überprüfen zu lassen.

Hunde heulten vor Beben

Hunde im Valnerina-Tal in der mittelitalienischen Region Marke haben eine halbe Stunde lang vor dem verheerenden Erdbeben am Sonntag um 7.42 Uhr geheult. "Plötzlich haben die Hunde der Umgebung begonnen, auffallend stark zu bellen, es war beeindruckend", berichteten Zeugen nach dem Erdbeben. Hunde reagieren laut Forschern besonders empfindlich auf Erschütterungen.

Dass sich Tiere Stunden und Tage vor einem Erdbeben seltsam verhalten und Fluchtreaktionen zeigen, ist bekannt. Bauern berichteten in der an Kärnten grenzenden Region Friaul, dass am 6. Mai 1976 Mäuse aus dem Boden krochen und Stalltiere panisch wurden, bevor ein Erdbeben am Abend knapp tausend Menschenleben kostete.

Weltweit versuchen Wissenschafter das Phänomen der tierischen Vorahnung seit Jahren zu ergründen, die bereits seit der Antike mehrfach dokumentiert wird. Der griechische Naturforscher Plinius der Ältere, der beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 starb, berichtete ausführlich über Warnsignale von Tieren bei Naturkatastrophen. Doch was Tiere veranlasst, vor einem starken Erdbeben verrückt zu spielen, ist nicht geklärt. Erdbebenforscher vermuten: Weil sich die Luft vor Erdbeben verändert, können Tiere die Gefahr quasi riechen. Offenbar könnten Tiere Erschütterungen durch Infraschall auch rechtzeitig fühlen.

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