"Vor solchen Taten sind wir nicht sicher"

Polizeibeamte in Würzburg: Sie erschossen den 17-Jährigen auf der Flucht
Die Axt-Attacke war politisch motiviert, der Täter hatte sich selbst radikalisiert. Das nährt die Angst vor "einsamen Wölfen".

Von Terror will in Würzburg niemand reden, zumindest niemand, der hier Verantwortung trägt. "Attacke", "Attentat", auch "politisch motiviert", das hört man. Aber einen Terroranschlag will man das Geschehen vom Montag noch nicht nennen.

"Er war bisher völlig unauffällig", sagt Joachim Herrmann, der bayerische Innenminister, am Tag danach über Riaz A.; jenen 17-jährigen Afghanen, der in einem Zug mit einem Beil auf eine Touristen-Familie aus Hongkong eingeschlagen hat. "Allahu akbar" hat er dabei gerufen, "Gott ist groß", der Ruf ist sogar noch auf dem Notruf zu hören, sagt die Polizei. Auf seiner Flucht drosch er noch auf eine weitere Person ein, bevor Beamte ihn erschossen. "Ich mach dich fertig, du Schlampe", soll er ihr zuvor noch zugerufen haben.

IS im Kinderzimmer

Radikal? Fanatisch? Nein, das soll er nicht gewesen sein, sagt Herrmann, er sei zwar gläubig gewesen, aber nicht als verblendet aufgefallen. Ohnehin sei Riaz A. von außen betrachtet auf einem guten Weg gewesen – er war vor zwei Jahren als unbegleiteter Minderjähriger gekommen, hatte in einem Heim, seit Kurzem bei einer Pflegefamilie gelebt. Auch eine Lehre in einer Bäckerei hatte er begonnen. Wie zu all dem die selbst gemalte IS-Flagge passt, die in seinem Kinderzimmer gefunden wurde, vermag am Dienstag niemand so recht zu sagen, ebenso wenig, wie ein Bekennervideo, das der IS veröffentlichte, oder ein Abschiedsbrief an seinen Vater, der gefunden wurde. "Bete für mich, dass ich mich an diesen Ungläubigen rächen kann", hat er dort auf Paschtu geschrieben.

Albtraum der Behörden

Riaz A. ist der schlimmste Albtraum der Behörden. Er ist ein Täter, dessen Vorgehen nicht prognostizierbar war, der sich vermutlich selbst radikalisiert hat, ähnlich wie der Täter aus Nizza. Nicht mal seine Netzaktivitäten lassen Rückschlüsse auf ein Motiv oder eine IS-Anhängerschaft zu, so die Polizei; einzig die Nachricht, dass ein Freund von ihm in Afghanistan ums Leben gekommen war, dürfte ihn beeinflusst haben.

"Vor solchen Taten sind wir nicht sicher", sagt auch Joachim Herrmann, und er beschreibt damit eine Angst, die nicht erst seit Nizza umgeht. "Lone actors" nennt man diese Einzeltäter, die oft psychisch angeschlagen sind und kein soziales Netz haben, und die deshalb auf die Anwerbeversuche des IS reagieren. Von ihnen gibt es viele – das weiß auch der IS: In Deutschland gibt es zuhauf Fälle, bei denen unbegleitete Minderjährige gezielt vor Flüchtlingsheimen angesprochen wurden.

"Vor solchen Taten sind wir nicht sicher"
Dass der IS die Tat für sich reklamiert habe, beweise jedoch nichts, heißt es seitens der Kriminalisten. Auch das Bekennervideo sei noch nicht geprüft. Allerdings mache dies ohnehin wenig Unterschied, denn die Grenze zwischen Auftrags-Terror und Trittbrettfahrerei sei verschwimmend: Die Wahrnehmung der Bevölkerung sei entscheidend – wenn ein Attentat dem IS zugerechnet wird, habe der IS schon gewonnen.

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