Wie mich ein chinesisches Unternehmen übers Ohr gehauen hat
Ein altes Sprichwort besagt: „Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es das auch nicht.“
Dieses Sprichwort gilt für viele Lebenslagen und unter anderem auch beim Online-Shopping.
„Das ist doch sicher“, werden die meisten jetzt sagen. Ja, vermutlich bei Amazon & Co. Nicht aber, wenn man sich von einer Crowdfunding-Plattform und einem dubiosen chinesischen Anbieter aus Shenzhen übers Ohr hauen lässt.
Und dabei gut 200€ einfach in den Sand setzt.
Die Vorgeschichte ist relativ simpel und wird auch gut erklären, warum ich auf „zu schön, um wahr zu sein“ hereingefallen bin. Ich bin Journalist, nebenbei aber auch Fotograf. Für Hochzeiten, Feste und vor allem in meiner Freizeit in den diversen Wäldern des Landes oder aber auch auf Bergen, um dort Wildtiere und/oder Sterne zu fotografieren.
Wie man sich vorstellen kann, will man bei so einem Trip, der vielleicht auch noch über mehrere Tage geht, mit leichtem Gepäck unterwegs sein. Aber als Fotograf sind die Bilder das Heiligtum. Nehmt mir alles bis auf die Unterhose (und im Notfall auch die) weg - Hauptsache die Speicherkarte mit den Schätzen bleibt heil.
Sicherungskopien sind also klug und sinnvoll. So vermeidet man den Verlust der Bilder. Es gibt verschiedene Lösungen dafür, die einfachste ist eine mobile Festplatte mit SD-Karten-Leser. Karte rein, Bilder überspielt, Kopie gemacht und somit doppelt sicher.
Der heilige Gral
Und genau solche Geräte gibt es nur wenige. Und wenn, dann sind sie teuer. Bis ich eines Nachmittags über die „ssdBox“ gestolpert bin. In einem Forum wurde sie als „the next big thing“ angepriesen. Und dass sie eigentlich jeder Fotograf braucht.
Gleich mal anschauen. Crowdfunding-Kampagne. Also nicht das klassische Online-Shopping. Aber ein - bis dahin - seriöser Anbieter. Wer die Praxis dahinter kennt, weiß: Wenn das Produkt nicht gänzlich finanziert werden kann, bekommt man das Geld zurück. 150 Euro sollte die Variante also kosten. Mit Versand und Zoll knapp 200 Euro. Gut, nicht billig. Aber billiger als die Konkurrenzprodukte. Nach langem Hin und Her, Recherche auf der sehr professionell gestalteten Webseite, der wohl noch professioneller wirkenden Kampagnen-Seite und einem Review-Video war die Entscheidung gefallen: Das unterstütze ich.
Mit Crowdfunding lassen sich Projekte, Produkte, Startups und vieles mehr finanzieren. Das Besondere beim Crowdfunding ist, dass eine Vielzahl an Menschen – die Crowd – ein Projekt finanziell unterstützt und durch eine Schwarmfinanzierung die Realisierung ermöglicht.
Klassischerweise werden Crowdfunding-Projekte über das Internet organisiert. Zumeist gibt es eine im Vorfeld definierte Mindestsumme, die in einem vorher festgelegten Zeitraum erreicht werden muss, damit das Projekt realisiert wird. Falls die angestrebte Summe nicht erreicht wird, erhalten die Unterstützer ihr Geld zurück.
Wenn es gelingt, über die Crowd das Projekt zu finanzieren, erhalten die Unterstützer in der Regel eine Gegenleistung vom Projektinitiator, die die vielfältigsten Formen annehmen kann.
Das kann z.B. eine öffentliche persönliche Danksagung, ein exklusiver Einblick hinter die Kulissen, ein Exemplar des Projektergebnisses oder bei kommerziellen Projekten eine finanzielle Beteiligung sein.
Zu diesem Zeitpunkt hätte ich das Geld auch einfach gleich aus dem Fenster werfen können. Wusste ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht. Apropos Zeitpunkt: Unterstützt habe ich das ganze im Juni 2020. Voraussichtlicher Liefertermin sollte Oktober 2020 sein. Nicht ungewöhnlich bei Crowdfunding-Projekten.
Vertröstungen am laufenden Band
Es wurde Oktober und das Unternehmen hinter der Kampagne vertröstete die Unterstützer aufgrund der Pandemie auf Dezember. „Ist okay“, dachte ich mir da noch. Im Dezember kam eine erneute Vertröstung auf Jänner. Zu diesem Zeitpunkt war das Crowdfunding-Ziel von 10.000 Dollar übrigens bereits weit übererfüllt. Geschätzt hat die Firma damals bereits rund 350.000 Dollar eingenommen. Aktuell sind es sogar schon über 800.000 Dollar.
Im Jänner 2021 wurde dann das chinesische Neujahrsfest als Begründung für eine Verzögerung genannt. Aber ein Bild aus der Fabrik wurde veröffentlicht. „Ha! Es gibt noch Hoffnung“, dachte ich mir und ließ mich mit der Karotte am Ende des Stocks weiter an der Nase herumführen. Und so ging es weiter. Bis Oktober 2021.
Bis dahin gab es immer wieder Vertröstungen, aber auch Bilder und Updates.
Angeblich wurden sogar 200 Geräte an Tester ausgeschickt. Danach sollte es noch Änderungen am Produkt geben. Die gab es nicht. Und wird es auch nie geben. Mittlerweile ist die Kampagne nicht mehr aktiv. Die Crowdfunding-Plattform prüft zahlreiche Betrugsmeldungen. Die Info, dass das Projekt geprüft wird, steht auf der Seite der Kampagne nun seit mehr als acht Monaten.
Die Hoffnung, dass ich die 200 überwiesenen Euro jemals wieder sehe, ist verschwindend gering. Eigentlich nicht vorhanden. Noch geringer ist die Hoffnung, dass dieses Produkt jemals in meinem Briefkasten landen wird.
Also: Augen auf bei Crowdfunding-Projekten und der Auswahl der Plattformen. Es ist eben nicht Online-Shopping.
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