Wichtige Etappe für Notre-Dame von Paris geschafft
Der hohe Innenraum der Kathedrale ist leer, der Schutt großteils weggeräumt, und riesige Tücher wurden aufgespannt, um möglicherweise herunterfallende Steine aufzufangen. Dort, wo sich einmal die Vierung befand, an der Haupt- und Querschiff aufeinandertreffen, klafft ein riesiges Loch.
Krumme, teils geschwärzte Metallstäbe liegen herum und erinnern an die Brandkatastrophe, die sich hier vor mehr als eineinhalb Jahren ereignet hat. Am 15. April 2019 stand die Pariser Kathedrale Notre-Dame in Flammen. Eine nun veröffentlichte Fotoreportage verdeutlicht die aktuelle Situation in dem mehr als 850 Jahre alten gotischen Kirchenbau.
Langer Abbau
Er ist schwer beschädigt und doch endgültig „gerettet“, wie es die französische Kultusministerin Roselyne Bachelot nun bei einer Anhörung vor der Nationalversammlung ausdrückte. Denn ein bis zu 40 Meter hohes, 200 Tonnen schweres Gerüst, das vor dem Brand für Bauarbeiten aufgestellt worden war und dessen rund 40.000 Metallteile sich durch die Hitze des Feuers teils stark verformt hatten, konnte nun komplett entfernt werden.
Fast fünf Monate hatte der Abbau gedauert, der die Sicherheit und Stabilität des gesamten Gebäudes in Gefahr brachte. „Diese Angst liegt definitiv hinter uns“, versicherte Bachelot. Während des ersten Lockdowns zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie ab Mitte März war auch die Baustelle von Notre-Dame auf der Île de la Cité, einer der beiden Seine-Inseln, über Wochen stillgelegt worden. Die nächste Etappe besteht nun im Aufbau eines provisorischen Schutzschirms, um das Monument und sein Inneres vor Regen und Schnee zu schützen.
Es wird davon ausgegangen, dass sich die Sicherungsarbeiten noch bis Sommer 2021 hinziehen. Erst dann kann die eigentliche Restaurierung beginnen. Am Ziel, die Kathedrale, die vor dem Brand Frankreichs meistbesuchtes Monument war und zuletzt bis zu 14 Millionen Menschen jährlich empfangen hat, zum 16. April 2024 wieder zu eröffnen, wird dennoch festgehalten. Staatspräsident Emmanuel Macron hatte unmittelbar nach dem Feuerdrama versprochen, das mittelalterliche Meisterwerk werde in nur fünf Jahren wieder aufgebaut.
Experten meldeten zwar bald Zweifel an der Durchführbarkeit an. Doch Macron wollte Hoffnung geben. Viele meinten, das Stichdatum 2024 sei wohl nicht zufällig jenes Jahr, in dem in Paris die Olympischen Spiele durchgeführt werden.
Kein „moderner Touch“
Vom Vorschlag des Staatschefs, die Kathedrale nicht komplett identisch wiederaufzubauen, sondern ihr darüberhinaus auch einen „modernen Touch“ zu verleihen, um das jüngste Drama für die Zukunft sichtbar zu machen, wurde inzwischen Abstand genommen.
Eine Mehrheit der kirchlichen Würdenträger, Architekten, aber auch der Bevölkerung will, dass die Kathedrale als eines der bedeutendsten Wahrzeichen von Paris so bald wie möglich wieder aussieht wie vorher.
Das gilt auch für den Spitzturm, den der Architekt Eugène Viollet-le-Duc erst im 19. Jahrhundert hinzugefügt hatte und der beim Brand in die Tiefe gestürzt war. Dennoch ist die Kontroverse zwischen den Befürwortern einer exakten Rekonstruktion und den Anhängern von neuen Elementen nicht beendet.
Altes Innendekor
Sie betrifft nun das Mobiliar im Inneren der gotischen Kathedrale, das zu einem großen Teil zerstört worden ist, aber auch Kirchenfenster. Der Pariser Erzbischof Michel Aupetit hatte vor Priestern seiner Diözese eine mögliche zeitgenössische Erneuerung angesprochen. Diesem Vorschlag erteilte Kultusministerin Bachelot nun eine Absage: Beim Innendekor entscheide der Staat, der die Charta von Venedig – eine internationale Richtlinie zur Denkmalpflege – unterzeichnet habe.
Diese sehe es als unzulässig an, die alten Kirchenfenster durch moderne Kunstwerke zu ersetzen. „Es würde mich aber nicht stören, moderne Elemente in die Kapelle zu bringen.“ Bis solche Details entschieden werden, ist es aber ohnedies noch ein weiter Weg.
Aus Paris, Simone Weiler
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