Kampf um Notre Dames einmalige Stimme

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Beim Brand von Notre Dame ging auch die einmalige Akustik der Kathedrale in Flammen auf. Nun feilen Forscher mit modernsten Methoden daran, dem Wahrzeichen seine Stimme wieder zurückzugeben.

Für Brian Katz und sein Team waren es eher unspektakuläre, dafür aber hochkonzentrierte Tage. Damals im Jahr 2013. Als sie jeden Morgen das atemraubende Kirchenschiff von Notre Dame betraten und an allen Ecken, Enden und in jedem noch so kleinen Seitenschiff Mikrofone und Lautsprecher installierten.

Notre Dame als Schallkarte

Ziel der kleinen Forschergruppe rund um den Pariser Akustik-Experten Brian Katz war es, den einmaligen Klang von Notre Dame zu analysieren und digital zu kartografieren. „Wir erstellten ein so genanntes geometrisches akustisches Modell“, erinnert er sich zurück. „Das ist wie ein 3D-Modell, das wir mit Hilfe von Grundrissen, Zeichnungen, 3D-Scans und eben unseren Messungen damals errechnet haben.“

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Im Jahr 2013 erstellte Brian Katz ein digitales Klangprofil von Notre Dame.

Freilich nicht mit dem Hintergedanken, irgendwann einmal eine Schlüsselrolle für eine Renovierung von Notre Dame zu spielen. Vielmehr haben die Wissenschaftler ihr Modell dazu genutzt, die Feierlichkeiten rund um den 850. Geburtstag von Notre Dame im Jahr 2013 zu begleiten. Die Akustiker wollten Menschen auf der ganzen Welt an einem digital übertragenen Konzert besonders intensiv teilhaben lassen. Jeder sollte vor seinem Computer das gleiche Klangerlebnis haben, wie die Gäste in der Kathedrale selbst.

Notre Dames einmalige Stimme

Tatsächlich – und das hatte Katz schon zuvor bewiesen – besaß Notre Dame eine einmalige und unverwechselbare "Stimme". Typisch für sie war unter anderem "ein sechs Sekunden langer Nachhall in den mittleren Frequenzen, der ihr einen besonders vollen Klang verlieh“, erzählt der Fachmann. „Wenn man sich im Kirchenraum bewegt, variierte die Akustik zudem mit der sich verändernden Deckenhöhe – das war für das menschliche Gehör sehr gut wahrzunehmen“, erklärt Katz.

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Am 15. April 2019 brannte Notre Dame nieder. Damit ging auch die einmalige Akustik des gigantischen Kirchenschiffs in Rauch auf.

Doch seit dem 15. April 2019 ist dieses einzigartige Klangerlebnis traurige Geschichte. Ist gemeinsam mit gigantischen Kunstschätzen Opfer der Flammen geworden. Konkret zerstörte das Feuer nämlich das Dach des im Jahr 1345 fertiggestellten Kirchengebäudes und ließ den zentralen Spitzturm einstürzen. Auch das Gewölbe und Teile des Innenraums wurden beschädigt – und damit eben Elemente, die für die Akustik der Kathedrale eine entscheidende Rolle spielten.

Zufall führte Regie

Wie es nun das Schicksal will, existiert aber dank Brian Katz und seinem Team zufällig ein aktuelles und vollständiges Klangprofil von Notre Dame, dem jetzt naturgemäß eine ganz neue Bedeutung zukommt. „Als ich nach dem Brand das Kirchenschiff betreten habe, konnte ich auf der Stelle und ohne jegliche Instrumente feststellen, dass sich der Klang durch die vielen Löcher und fehlenden Wandverkleidungen völlig in Luft aufgelöst hat“, berichtet Katz.

Der berühmte Nachhall war gar komplett verschwunden. Jener, der gerade Chor-Gesänge in dem Pariser Wahrzeichen weltweit einzigartig – und dieses zusätzlich auch zu einem akustischen Kulturdenkmal gemacht hatte.

Die Menschen fragen sich nun besorgt: Ist ihr Klang für immer verloren? Können wir ihn zurückbringen?

Brian Katz, Akustik-Experte

Umso wichtiger ist es also, dass bei der Rekonstruktion der beschädigten Kathedrale von Notre Dame versucht wird, auch ihren einzigartigen Klang wiederherzustellen. „Unser Modell kann beispielsweise zeigen, wie die Wahl der bei der Rekonstruktion verwendeten Materialien die Akustik beeinflusst“, erklärt Katz.

Jedes Detail zählt

Man gibt irgendein Geräusch ein und das Modell berechnet, wie dieses Geräusch in Notre Dame mit dem typischen Hall der Kathedrale klingen würde. „So sind beispielsweise die Holzvertäfelungen und Gemälde im Innenraum keineswegs unwichtig, wenn es um die Akustik geht. Verglichen mit dem rohen Stein agieren diese Elemente als akustische Absorber und Schallzerstreuer und haben daher signifikante Einflüsse auf die Akustik.“

Modelle für Bau von Konzerthallen

Eben deshalb sind solche Modelle eigentlich dafür gedacht, Konzerthallen zu entwerfen. In diesem Fall aber wird wohl eine zerstörte und aus vielerlei Hinsicht ganz besondere Konzerthalle damit vielleicht bald wieder genau so klingen, wie sie es vor dem großen Feuer getan hat.

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Dieses gigantische Kirchenschiff gilt es nicht nur optisch sondern auch akustisch zu rekonstruieren.

„Jedenfalls aber haben die Leute begonnen, über die Akustik von Notre Dame zu sprechen und sich um die berühmte Stimme der Kathedrale zu sorgen“, erzählt der Mann mit dem absoluten Digital-Gehör. „Die Menschen fragen sich nun besorgt: Ist ihr Klang für immer verloren? Können wir ihn zurückbringen? Unser Modell hat somit nicht mehr nur einen dokumentarischen, historischen Wert. Wir können damit eben auch in die Zukunft rechnen und sagen: ‘Wenn ihr beim Wiederaufbau das und das macht, wird das die Akustik so beeinflussen.‘“

Wer sammelt Daten?

Dazu müsse man jedoch regelmäßig Daten sammeln und diese in das bestehende Klangmodell einspeisen, um stets zu wissen, was sich wie auf den Klangkörper auswirkt. Wie oft und wie intensiv das passiert, steht derzeit allerdings noch nicht fest. Das wird sich wohl erst gegen Ende der für fünf Jahre anberaumten Renovierungsarbeiten herauskristallisieren, meint Brian Katz.

Mahnende Stimme

Er jedenfalls hat schon einmal mahnend seine Stimme erhoben: Wenn man auf unsere Ratschläge zu wenig hört, wären sie bloß Schall und Rauch. Vor allem aber würde Notre Dames originaler Klang nur noch in der digitalen Welt erhalten bleiben. Und zwar unter diesem Link:

https://www.youtube.com/watch?v=mvdW7qtQXpg

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