Trotz Protesten: Spaniens Diktator Franco wird aus dem Grab geholt

Trotz Protesten: Spaniens Diktator Franco wird aus dem Grab geholt
Grab ist bis heute Pilgerstätte von Rechtsextremen. Auch Nachkommen des Faschistenführers gegen Exhumierung.

Trotz vieler Proteste soll Diktator Francisco Franco (1892-1975) in Spanien mehr als vier Jahrzehnte nach seinem Tod aus dem Grab geholt werden. Man werde den Leichnam am 10. Juni in dem Mausoleum im sogenannten "Tal der Gefallenen" nordwestlich von Madrid exhumieren, um ihn umzubetten, teilte die sozialistische Regierung am Freitag in der Hauptstadt mit.

Noch am selben Tag solle die Familie des Gewaltherrschers die Gebeine auf dem Pardo-Friedhof nördlich der Hauptstadt neu bestatten, erklärte die stellvertretende Regierungschefin Carmen Calvo vor Journalisten.

Die Familie des Diktators hat zwar beim Obersten Gericht in Madrid eine zeitweilige Aussetzung der Exhumierung beantragt, und die Richter haben sich noch nicht dazu geäußert. Aber die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez ist nach Berichten gut informierter Medien davon überzeugt, dass das "Tribunal Supremo" ihr keine Steine in den Weg legen wird.

Seit vielen Monaten hält in Spanien ein heftiger Streit um die Umbettung an. Sánchez hatte kurz nach seiner Amtsübernahme im Juni 2018 angekündigt, die Leiche an einen anderen Ort bringen zu wollen. Bis heute ist das gigantische Mausoleum mit dem 155 Meter hohen Granitkreuz eine Pilgerstätte für Menschen, die den toten Diktator verehren und rechtsextremes Gedankengut pflegen.

Breite Front gegen Exhumierung

Aber nicht nur Rechtsextreme und die Enkel des Diktators zogen in den vergangenen Monaten gegen die Pläne von Sánchez zu Felde. Auch Vertreter der Kirche und konservative Politiker erhoben Protest. Pablo Casado, Chef der Volkspartei (PP), bezeichnete es als "unverantwortlich, bereits geheilte Wunden wieder aufzureißen". Die einflussreiche rechte Tageszeitung ABC sprach von "Revanchismus".

Eine echte Aufarbeitung der Vergangenheit, der Unterdrückung großer Bevölkerungsteile während der Diktatur (1939-1975) hat es in Spanien bis heute nicht gegeben. Auch nach dem Tod des Generals im November 1975 war es in Spanien nahezu tabu, über Franco und die Diktatur zu sprechen. Es war eine Art stillschweigender Pakt, der dazu beitragen sollte, den Prozess der Demokratisierung möglichst konfliktlos zu bewältigen. Nach dem Amnestiegesetz von 1977 blieben die schrecklichen Verbrechen der Diktatur ungestraft.

Den 43. Todestag des "Caudillo", des "Führers", begingen Anhänger am 20. November vorigen Jahres unter anderem mit zahlreichen katholischen Messen im ganzen Land. Vor einer Kirche an der Madrider Nobel-Shoppingmeile Calle Serrano hoben viele ungeniert den rechten Arm zum Nazigruß und sangen Hymnen des Regimes. Dabei erklangen Rufe wie "Viva Franco!" und "Viva Espana!".

Calvo betonte, die Umbettung erfolge im Rahmen des "Gesetzes des historischen Gedächtnisses" von 2007. Sie werde einer "sonderbaren Situation" ein Ende bereiten, bei der in Spanien einem Diktator öffentlich gehuldigt werden könne. Das sei unter anderem von den Vereinten Nationen kritisiert worden. Sánchez hatte zuvor erklärt: "Ich denke, dass es in einer reifen, europäischen Demokratie wie der unseren keine Symbole geben darf, die die Spanier trennen." Das Mausoleum solle zu einem "Ort der Versöhnung" werden.

Die Sozialisten wollen am 10. Juni kein Medienspektakel veranstalten. Weder Medienvertreter noch Öffentlichkeit würden der Umbettung beiwohnen dürfen, sagte Calvo. Man werde auch keine Fotos oder Film- und Tonaufnahmen veröffentlichen, denn man wolle "die Intimität der Familie" von Franco schützen.

Umbettung im August beschlossen

Die Umbettung war vom Ministerrat im vorigen August beschlossen worden. Die Familie des Diktators hatte bis zuletzt mitgeteilt, sie wolle einer Exhumierung nur dann zustimmen, wenn der Leichnam in ein angekauftes Familiengrab in der Almudena-Kathedrale gebracht werde. Die Regierung entgegnete mehrfach, man werde eine Verlegung in dieses Gotteshaus im Zentrum Madrids nicht zulassen.

Im Mausoleum in der Sierra de Guadarrama, das von 1940 bis 1959 von 20 000 Zwangsarbeitern in den Fels getrieben wurde, ruhen neben dem Diktator auch Zehntausende Opfer des von Franco durch einen Militärputsch ausgelösten Bürgerkriegs (1936-1939). Die Leiche Francos befindet sich unter der 52 Meter hohen Basilika-Kuppel. Der Ort 60 Kilometer nordwestlich von Madrid wird jährlich von rund 400 000 Menschen besucht, darunter auch von vielen Franco-Anhängern.

Weiterhin seine vorerst letzte Ruhestätte im Tal der Gefallenen hat bis der 1936 von Republikanern hingerichtete Gründer der faschistischen Falange, José Antonio Primo de Rivera, der dort 1959 beigesetzt wurde. Bei ihm habe es sich wirklich um ein Opfer des Bürgerkriegs gehandelt, wie bei den übrigen 33.000 dort legenden Toten, argumentiert die Regierung.

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