Streit um kulturelle Aneignung, nachdem Winnetou-Bücher nicht erscheinen
Die Begleitbücher zum Film „Der junge Häuptling Winnetou“ dürfen nicht erscheinen. Social Media sei Dank. In einem ersten Sturm der Empörung war von Rassismus die Rede. Daraufhin handelte der Verlag:
„Auch wenn es sich um einen klassischen Erzählstoff handelt, der viele Menschen begeistert hat: Der Stoff ist weit entfernt von dem, wie es der indigenen Bevölkerung tatsächlich erging.“ Vor diesem Hintergrund wolle man als Verlag keine verharmlosenden Klischees wiederholen und verbreiten, auch wenn man den Grundgedanken der Freundschaft – wie bei Winnetou vorhanden – hoch schätze. Neben den beiden Büchern seien auch ein Puzzle und ein Stickerbuch zu dem Film aus dem Programm genommen worden.
Doch auch dieses Vorgehen war nicht allen recht: Die Freunde von Karl May-Romanen, die es ja weiter gibt, sprachen von Zensur. Man wolle sich von miesepetrigen Spielverderbern nicht auch noch den Kinderhelden Winnetou madigmachen lassen.
Der ehemalige Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sah sich zurückversetzt in die Zeit des Stalinismus, als es Winnetou-Bücher nur unter der Hand gab.
Fiktive Geschichte
Karl May, der 1842 bis 1912 lebte, war nie in Nordamerika, sein „Wilder Westen“ ist frei erfunden. Winnetou ist ein fiktiver Häuptling der Apachen und verkörpert den edlen, guten Indianer und kämpft mit seinem Gewehr „Silberbüchse“ auf seinem Pferd Iltschi für Gerechtigkeit und Frieden. Dabei wird er meistens von seinem weißen Freund und Blutsbruder Old Shatterhand begleitet.
Geschichte ist kulturelle Aneignung
Die Skandalisierung um kulturelle Aneignung habe teils absurde Züge, sagte die deutsche Ethnologin Susanne Schröter von der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität. „Menschen haben stets Dinge von anderen übernommen, wenn sie diese für sinnvoll erachtet haben. Um es auf den Punkt zu bringen, ist die gesamte Menschheitsgeschichte eine Geschichte kultureller Aneignungen, ohne die es keine Entwicklung gegeben hätte.“
Polemisch wie immer äußerte sich Henryk M. Broder in der Welt, darüber, dass Gefühle anderer verletzt worden wären. Und dann forderte er sarkastisch: „Das Musical 'Anatevka', das zu Anfang des 20. Jahrhunderts in einem jüdisch-russischen Dorf spielt, darf nicht mehr aufgeführt werden. Außer von Juden für Juden. Arier, die sich als Juden verkleiden und 'jiddeln', begehen kulturelle Aneignung. Klezmer-Konzerte müssen aus denselben Gründen unterbleiben. Da Ivan Rebroff kein Don Kosake war, sondern ein waschechter Berliner namens Hans Rolf Rippert, werden seine Platten eingezogen und vernichtet.“
Auf Twitter kamen bereits neue Vorschläge für Cancel-Kultur: Wickie und die starken Männer kämen sicherlich auch in Frage...
Carmen Kwasny von der Native American Associaton of Germany, einer Interessenvertretung von Abkömmlingen der amerikanischen Ureinwohner, sagte: „Es gibt Studien, die zeigen, dass diese stereotypischen Darstellungen einen schädigenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung indigener Kinder haben“. Auch das Wort Squaw und das Frauenbild seien problematisch.
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