Es ist der September 2023. Nur wenige Gehminuten von der Hauptzentrale von Europol entfernt, liegt das Gebäude der Personalverwaltung der Polizeibehörde.
Personalakten aus Tresorraum weg
Herrschen in dem modernen Hauptquartier aus Beton höchste Sicherheitsvorkehrungen mit den eingangs beschriebenem Drei-Sicherheits-Schleusen oder Türen, die sich nur öffnen lassen, wenn man als Mitarbeiter seine Handfläche auf einen Scanner legt, sind die Zugangsbeschränkungen im Gebäude der Personalabteilung offenbar nicht so hoch.
Sitzen im Europol-Hauptquartier vorwiegend Polizisten, sind es im Gebäude der Personalabteilung Zivilisten. Menschen, die nicht über drei voneinander getrennte Computersysteme zur Wahrung höchster Sicherheit und dem Schutz von Daten verfügen, wie ihre polizeilichen Kollegen im Hauptgebäude. Es sind Menschen, die Personalakten noch in Papierform aufbewahren, offenbar in einem Tresorraum gelagert. Ein Platz, zu dem allerdings nur Mitarbeiter der Personalabteilung Zugang haben sollen.
Einstellige Zahl an Akten verschwunden
Und genau aus diesem Tresorraum sollen im Herbst vergangenen Jahres plötzlich Personalakten verschwunden sein. Insider sprechen von einer einstelligen Zahl an Unterlagen. Ob dies jemanden in der Personalabteilung auffällt? Unklar. Mehr als 1.400 Mitarbeiter zählt die Organisation. Ob es über alle "nur" Papierakten gibt, ist auch offen. Eine offizielle Meldung über den Verlust gibt es jedenfalls nicht.
Eines Tages wird jedoch eine der besagten verschwundenen Akten benötigt und es wird festgestellt: Die Akte befindet sich nicht mehr im Tresorraum. Ein hochrangiger Mitarbeiter der Personalabteilung gerät relativ rasche in den Fokus, wie KURIER-Recherchen belegen.
Doch es kommt noch schlimmer. Kurze Zeit nachdem das Verschwinden der Akten bemerkt wurde, tauchen die Akten, die höchstpersönliche Details über Europol-Mitarbeiter enthalten, die zum Teil in hochsensiblen und hochgefährlichen Kriminalitätsfeldern ermitteln, wieder auf: Mitten auf der Straße in Den Haag.
Akten auf Parkbank?
Manche sprechen davon, dass die Akten auf einer Parkbank lagen. Verifizieren lässt sich dies bei einer Recherche vor Ort nicht. Unklar ist auch, ob die Akten bei einer Polizeistation, oder bei der Europol-Zentrale direkt abgegeben wurden. Der ehrliche Finder dürfte sich aber wohl nur bedingt darüber bewusst gewesen sein, was er da mitten in der Stadt an der Nordsee gefunden hatte.
Gegen den hochrangigen Mitarbeiter der Personalabteilung, der von Anfang an in den Fokus geraten war, wird ein Verfahren eingeleitet. Er befindet sich aktuell nicht mehr im Dienst.
Europol bestätigt Verfahren
Vonseiten Europol heißt es auf KURIER-Anfrage: "Wir bestätigen, dass es ein internes Verfahren gibt, das sich mit möglichen Verfehlungen beschäftigt. Da dieses Verfahren läuft, können wir nicht mehr dazu sagen", erklärt Jan Op Gen Oorth, Kommunikationschef bei Europol.
Welche Mitarbeiterakten von dem Sicherheitsleck betroffen sind, bleibt unklar. Und auch warum jemand diese außerhalb des Gebäudes der Polizeibehörde deponiert haben soll.
Ausgeschlossen kann allerdings nicht werden, dass sich die Verdächtigen auch in den eigenen Reihen der Personalabteilung finden. Wer mit Kennern der Organisation spricht, hört auch immer wieder ein Wort: Racheakt.
Datenschutz für Mitgliedstaaten gewährleistet
Für den Datenschutz der Informationen, die Europol von seinen Mitgliedstaaten, zu denen auch Österreich zählt, erhält, habe der "Sicherheitsvorfall" jedenfalls keine Auswirkungen, wie betont wird. Der Austausch erfolgt hier auf eigenen, gesicherten Leitungen.
Die Papierakten gibt es wohl nur mehr in Nebengebäuden der Polizeibehörde mit dem Tresorraum.
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