"Rot vor Wut": Lombardei gegen Corona-Lockdown

lockdown in Milan
Regierung erklärte die norditalienische Region zur "roten" Risikozone.

Die Lombardei, Europas erste von der Epidemie getroffene Region, versinkt neuerlich im Coronavirus-Albtraum. Premier Giuseppe Conte erklärte die norditalienische Region mit zehn Millionen Einwohnern zur "roten Zone" mit hoher Ansteckungsgefahr und verhängt ab Freitag einen Lockdown mit kompletter Ausgangssperre. Gegen die Maßnahme protestierte der lombardische Präsident Attilio Fontana heftig. "Die Lombardei ist rot vor Wut", so italienische Medien.

Vier Regionen wurden zur "roten Zone" erklärt, neben der Lombardei auch Piemont, Aostatal und Kalabrien. Die Lombardei erlebt einen Sprung zurück in die jüngste Vergangenheit, als sie im Frühjahr zur ersten Region mit Covid-Infektionen erklärt wurde.

Gemeinde darf nicht mehr verlassen werden

Die Lombarden dürfen ab Freitag nicht mehr ihre Gemeinde verlassen und lediglich aus beruflichen und dringenden gesundheitlichen Gründen auf die Straße gehen. Alle Shops werden geschlossen, mit Ausnahme von Supermärkten, Apotheken, Zeitungskiosken, Trafiken, Friseuren und Reinigungen. Restaurants und Bars schließen ganz, lediglich Take Away ist bis 22.00 Uhr erlaubt. Für Lieferdienste gibt es keine Einschränkungen.

Sportwettbewerbe sind mit Ausnahme der vom Olympischen Komitee CONI vorgesehenen Veranstaltungen ausgesetzt. Sportzentren werden geschlossen. Sport darf nur im Freien, mit Distanzierung und unweit der eigenen Wohnung betrieben werden. Geschlossen sind Museen und Ausstellungen, Theater, Kinos, Sport- und Schwimmhallen sowie Bingo-Säle. Die Zahl der Plätze in den öffentlichen Verkehrsmitteln wird von 80 Prozent auf 50 Prozent gedrückt. Ausnahme sind Transporte für Schulkinder.

"Ohrfeige"

Der lombardische Präsident Fontana bezeichnete die Maßnahmen als zu streng und für die Wirtschaft fatal. Den Lockdown für seine "rote" Region bezeichnete Fontana als "Ohrfeige". "Die Lombardei zur 'roten Zone' zu erklären und sie so strengen Restriktionen zu unterziehen, ist eine Ohrfeige für alle Lombarden. Es ist eine Verhaltensweise, die meine Leute nicht verdienen. Die Regierung hat unsere Forderungen komplett ignoriert", protestierte Fontana. Er bemängelte, dass die Regierung ihren Beschluss aufgrund älterer Zahlen zu den Infektionen ergriffen habe, inzwischen habe sich die Lage in seiner Region schon entspannt.

"Die neuen Maßnahmen werden enorme negative Auswirkungen haben. Bevor ich die Region ganz schließe, wollten wir noch die Entwicklung der Epidemie beobachten", sagte der lombardische Regionalchef. In den vergangenen Wochen war die Zahl der Ansteckungen vor allem in Mailand und Umgebung kräftig gestiegen. In der Provinz Bergamo, die im Frühjahr von der Epidemie schwer getroffen worden war, hielten sich die Neuinfektionen dagegen in Grenzen.

Gegen den Lockdown in seiner Heimatregion Lombardei protestierte auch Lega-Chef Matteo Salvini. "Während Conte Millionen von Italienern ohne Warnung einsperrt und ohne ihnen angemessene Entschädigungen zu garantieren, treffen in wenigen Stunden über 2.000 illegale Migranten in Italien ein", protestierte der Ex-Innenminister.

"Absurd und unvernünftig"

Der Protest der Regionen weitet sich aus. Nello Musumeci, Präsident der als "orange Zone" eingestuften Region Sizilien, bezeichnete die Regierungsmaßnahmen als "absurd und unvernünftig". Sie würden auf keinerlei wissenschaftlichem Fundament basieren. Verständnis für die Regierungsbeschlüsse zeigte dagegen Erik Lavevaz, der neue Präsident des Aostatals, eine der vier "roten Regionen". "Die Lage ist schwierig. Je strikter wir die Verordnungen umsetzen, desto schneller wird sich die Gesundheitslage in unserer Regionen stabilisieren. Damit werden wir wieder zu einem normalen Alltag zurückkehren können", sagte Lavevaz.

Regierungschef Conte verteidigte bei einer Pressekonferenz Mittwochabend seine Beschlüsse. Die Maßnahmen seien zwar unpopulär und würden die Italiener erneut zu schweren Opfern zwingen. Diese seien jedoch notwendig, um vor Weihnachten die Epidemiekurve zu drücken. Conte rief die Italiener auf, in diesem "dramatischen Moment vereint zu bleiben". Zugleich will er den Kontakt zu den Oppositionsparteien pflegen, die er zu Gesprächen aufrief.

Inzwischen drohen der Regierung neue Protestaktionen. Am Donnerstagabend ist im Zentrum von Rom ein Protest geplant, zu dem die neofaschistische Partei "Forza Nuova" und die Protestgruppe der "orangen Westen" aufgerufen haben. Die regierungskritische Parlamentarierin Sara Cunial warf der Regierung vor, das Land in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben und es "auszuhungern".

Kommentare