Nordkorea testete offenbar erneut ballistische Raketen

Ob es Raketen waren, weiß wohl Staatschef Kim Jong Un
Mutmaßlich sechster Raketentest seit Jahresbeginn.

Trotz neuer Sanktionen setzt die selbst erklärte Atommacht Nordkorea ihre Raketentests fort. Nordkorea habe am Donnerstagmorgen (Ortszeit) in Hamhung an der Ostküste zwei mutmaßliche ballistische Raketen von kurzer Reichweite in Richtung Meer abgefeuert, teilte das Militär im benachbarten Südkorea mit. Sie legten etwa 190 km zurück und erreichten eine maximale Höhe von 20 km. Es war bereits der sechste Raketentest durch Nordkorea seit Beginn des Jahres.

Die Flugkörper seien offenbar außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone Japans gelandet, berichtete die Nachrichtenagentur "Kyodo" unter Berufung auf japanische Regierungskreise. Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida sagte, die Regierung prüfe Einzelheiten, aber alle nordkoreanischen Tests ballistischer Raketen seien "zutiefst bedauerlich". Auch die US-Regierung verurteilte nach Angaben eines Sprechers des Außenministeriums die mutmaßlichen Raketenstarts. Japan und die Vereinigten Staaten erklärten, die Tests stellten einen Verstoß gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats dar.

Seit Kim Jong-un Ende 2011 die Macht in Nordkorea übernommen hat, sorgt das politisch isolierte Land immer wieder für internationale Spannungen - vor allem durch Raketentests und sein Atomwaffenprogramm. Vier der bisher sechs Atomtests durch Nordkorea wurden unter Kim ausgeführt. Zudem trieb er die Entwicklung von ballistischen Raketen voran. Die wichtigsten Waffentests des Landes in den vergangenen zehn Jahren:

April 2012: Nach internationaler Kritik an einem gescheiterten Raketentest fühlt sich Nordkorea nicht mehr an ein Abkommen mit den USA gebunden, das unter anderem den Verzicht auf Atomversuche vorsah.

12. Februar 2013: Nordkorea unternimmt einen unterirdischen Atomversuch. Der UN-Sicherheitsrat antwortet mit Sanktionen.

Mai 2015: Die Führung in Pjöngjang berichtet, das Land habe erstmals von einem U-Boot eine neuartige ballistische Rakete abgefeuert.

6. Jänner 2016: Nordkorea zündet nach eigenen Angaben erstmals eine Wasserstoffbombe. Atomexperten bestätigen einen Test, bezweifeln aber, dass eine Wasserstoffbombe detoniert ist.

7. Februar 2016: Nordkorea testet eine Weltraumrakete. Das Land spricht vom erfolgreichen Start eines Erdbeobachtungssatelliten ins All. Wie die USA sieht Südkorea in solchen Raketenstarts den verschleierten Test für die Technologie einer atomar bestückten Interkontinentalrakete.

9. September 2016: Nordkorea testet zum fünften Mal eine Atombombe. Den Test bezeichnet Pjöngjang als eine Reaktion auf die internationalen Sanktionen, die nach seinem Atomversuch im Jänner und dem Start einer Langstreckenrakete im Februar verhängt worden sind.

11. Februar 2017: Pjöngjang testet eine ballistische Rakete, die einen Atomsprengkopf über Tausende Kilometer transportieren könnte.

März 2017: Nordkorea feuert vier ballistische Raketen ab. Drei davon seien erst kurz vor dem japanischen Festland ins Meer gestürzt, heißt es aus Tokio.

4. Juli 2017: Nordkorea testet eine Interkontinentalrakete, die die USA erreichen könnte.

August 2017: Der UN-Sicherheitsrat verhängt weitere Sanktionen. Nordkorea droht damit, die US-Pazifikinsel Guam mit Raketen anzugreifen, zieht die Drohung später aber wieder zurück. Ende August feuert Pjöngjang eine Rakete über Japan hinweg ins offene Meer.

3. September 2017: Beim sechsten Atomwaffentest zündet Nordkorea nach eigenen Angaben eine Wasserstoffbombe. Trotz verschärfter UN-Sanktionen feuert Pjöngjang eine weitere Rakete über Japan hinweg.

28. November 2017: Eine nordkoreanische Rakete landet im Japanischen Meer (koreanisch: Ostmeer). Aus der Flughöhe lässt sich schließen, dass sie das US-Festland hätte erreichen können.

April 2018: Nordkoreanische Staatsmedien berichten von einem Beschluss der Führung in Pjöngjang, Atomversuche und Tests mit Interkontinentalraketen auszusetzen.

18. April 2019: Nordkorea testet nach eigenen Angaben eine neuartige taktische Lenkwaffe.

3. Oktober 2019: Nordkorea feuert nach eigenen Angaben eine ballistische Rakete von einem U-Boot aus ab, das US-Verteidigungsministerium bestreitet dies jedoch. Nach Angaben von Experten handelt es sich um eine Rakete mit der größten Reichweite, die Nordkorea seit November 2018 erprobt hat.

31. November 2019: Nordkorea feuert zwei Raketen ab, bei denen es sich nach Angaben Japans vermutlich um zwei ballistische Kurzstreckenraketen handelt. Einen Tag später spricht Nordkorea von der Erprobung eines "supergroßen" Mehrfach-Raketenwerfersystems. Es ist der zwölfte Raketentest Nordkoreas seit Beginn des Jahres.

9. März 2020: Nordkorea unternimmt den ersten Raketentest seit November 2019. Dabei kommen nach Angaben Südkoreas bei laufenden Militärübungen verschiedene Typen von Mehrfachraketenwerfern zum Einsatz.

29. März 2020: Nordkorea testet eigenen Angaben zufolge einen "supergroßen Mehrfach-Raketenwerfer".

27. März 2021: Nordkorea feuert nach Angaben Südkoreas und Japans an seiner Ostküste zwei ballistische Kurzstreckenraketen in Richtung offenes Meer ab. Nordkorea spricht einen Tag später von einem gelungenen Test mit einem neuen Typ taktischer Lenkraketen.

15. September 2021: Nordkorea erprobt eigenen Angaben zufolge mit einem Raketentest erfolgreich die Einsatzbereitschaft seiner ersten mobilen Abschussrampe auf einem Zug.

28. September 2021: Nordkorea testet nach eigenen Angaben eine neu entwickelte Hyperschallrakete von "strategischer Wichtigkeit". Mit Hyperschall werden Geschwindigkeiten oberhalb der fünffachen Schallgeschwindigkeit bezeichnet, also rund 6.180 Kilometer pro Stunde.

19. Oktober 2021: Nordkoreas Staatsführung lässt zum achten Mal in diesem Jahr eine ballistische Rakete testen. Wie die Staatsmedien später berichten, soll es sich um eine U-Boot-gestützte ballistische Rakete "neuen Typs" handeln.

Jänner 2022: Nordkorea testet seit Jahresanfang mehrfach Raketen. Am 5. und 11. Jänner erprobt es nach eigenen Angaben Hyperschallgeschoße, die manövrierfähig und mit hoher Geschwindigkeit in geringer Höhe fliegen und eine Raketenabwehr leichter überwinden können.

UN-Resolutionen untersagen dem politisch weitgehend isolierten Land die Erprobung ballistischer Raketen. Dabei handelt es sich in aller Regel um Boden-Boden-Raketen, die je nach Bauart auch einen Atomsprengkopf tragen können. Zuletzt hatte Nordkorea am Dienstag nach Angaben Südkoreas zwei Marschflugkörper getestet. Die Tests solcher Lenkflugkörper, die im Gegensatz zu ballistischen Raketen über einen permanenten eigenen Antrieb verfügen, unterliegen jedoch nicht den Sanktionen gegen Nordkorea.

Bei den Tests dieses Jahr kamen eigenen Angaben zufolge auch Hyperschallraketen zum Einsatz. Bei solchen Waffen kann ein sogenannter Hyperschall-Gleiter von einer ballistischen Rakete aus starten. Hyperschall-Waffen lassen sich wegen ihrer hohen Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit nur schwer abfangen.

Militärische Stärke demonstrieren

Nordkorea will nach Ansicht von Experten neben der Weiterentwicklung seiner Raketentechnik auch militärische Stärke demonstrieren. Wegen seines Atomwaffenprogramms ist das Land unter anderem harten Sanktionen des UN-Sicherheitsrats unterworfen.

Nach neuen Sanktionen der USA hatte Pjöngjang zuletzt angedeutet, auch wieder Atombomben und Interkontinentalraketen testen zu können. Schon Ende 2019 erklärte Machthaber Kim Jong-un, dass sich Nordkorea grundsätzlich nicht mehr an sein selbst gesetztes Testmoratorium gebunden sehe. Hintergrund waren die fehlenden Fortschritte in den Verhandlungen der USA mit Nordkorea über sein Atomprogramm. Das US-Finanzministerium beschloss in diesem Monat unter anderem Strafmaßnahmen gegen fünf Nordkoreaner, denen es vorwarf, Güter für die Massenvernichtungs- und Raketenprogramme ihres Landes zu beschaffen.

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