London: Ausgebrochener terrorverdächtiger Häftling nach Tagen gefasst

London: Ausgebrochener terrorverdächtiger Häftling nach Tagen gefasst
Ein entflohener Häftling führte zu einer großangelegten Fahndung in Großbritannien. Der Fall hat ein Schlaglicht auf das marode Justizvollzugssystem gelenkt.

Nach tagelanger Großfahndung nach einem entflohenen terrorverdächtigen Häftling ist in Großbritannien eine Debatte über die Krise des Justizvollzugs entbrannt. Beamte konnten den 21-Jährigen am Samstag im Londoner Stadtteil Chiswick ergreifen. Eine Zivilstreife hatte den Mann an einem Kanal im Westen der britischen Hauptstadt „von einem Fahrrad gezogen“, wie Scotland Yard mitteilte. Er wurde mittlerweile wegen Ausbruchs aus dem Gefängnis angeklagt - ein Straftatbestand, den es in Österreich so nicht gibt.

Mit der Festnahme endete eine mehrtägige, großangelegte Fahndung, an der 150 Beamten beteiligt waren und in deren Verlauf an Häfen und Flughäfen die Sicherheitschecks erheblich verschärft worden waren.

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Ex-Soldat entwischte über Lastwagen

Der Ex-Soldat war am Mittwochmorgen aus dem Gefängnis Wandsworth im Südwesten Londons entkommen, indem er sich an die Unterseite eines Lastwagens klammerte, der Lebensmittel angeliefert hatte.

Der Fall hatte für großes Aufsehen gesorgt und ein Schlaglicht auf das marode Justizvollzugssystem in Großbritannien gelenkt. Viele Gefängnisse sind überfüllt und veraltet. Ein Teil der Gebäude stammt noch aus dem 19. Jahrhundert. Hinzu kommen Personalmangel, ein hoher Krankenstand und eine starke Fluktuation.

London: Ausgebrochener terrorverdächtiger Häftling nach Tagen gefasst

Das Gefängnis Wandsworth im Südwesten Londons: Am 7. September ist ein Häftling entflohen

Oscar Wilde und Boris Becker saßen schon in Wandsworth

Im 1851 eröffneten Gefängnis Wandsworth war schon der wegen seiner Homosexualität verfolgte Schriftsteller Oscar Wilde eingesperrt. Zuletzt verbrachte auch der deutsche Ex-Tennis-Star Boris Becker einige Zeit in dem Gefängnis.

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Aus Wandsworth wurden inzwischen 40 Gefangene in andere Haftanstalten verlegt, wie der britische Justizminister Alex Chalk am Sonntag dem Sender Sky News sagte. Es handle sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, sagte der Konservative. Eine erste Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen habe zudem ergeben, dass sowohl entsprechende Vorschriften vorhanden waren als auch ausreichend Personal.

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Der britische Justizminister Alex Chalk in einem BBC-Interview am Sonntag

Wie konnte dem Häftling die Flucht gelingen?

Gerätselt wird weiterhin, wie dem 21-Jährigen die Flucht gelingen konnte. Dabei wird nach Angaben der Polizei auch geprüft, ob er von innerhalb und außerhalb des Gefängnisses Unterstützung erhielt. Ihm wird vorgeworfen, Bombenattrappen auf einer Militärbasis platziert zu haben und Informationen gesammelt zu haben, die für Terroristen oder feindliche Staaten nützlich sein könnten. Er stritt die Vorwürfe ab. Ein Gerichtsverfahren war für November angesetzt.

Die Zustände in englischen Gefängnissen werden seit langem von Menschenrechtsorganisationen und auch der staatlichen Aufsichtsbehörde angeprangert. Laut der Webseite World Prison Brief sind die 118 Haftanstalten in England mit mehr als 87 000 Gefangenen zu 111 Prozent ihrer offiziellen Kapazität belegt. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Belegungsrate 77,6 Prozent.

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